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Corona Blues? Warum wir gerade jetzt das Leben feiern sollten

Selbstliebe: Glückliche Frau
© fantom_rd / Shutterstock
Wir sollten uns – gerade in diesen Zeiten – viel öfter selbst feiern, findet Sina Teigelkötter.

In meinem Kühlschrank liegt eine Flasche Champagner. Pol Roger, der Lieblingsschampus der Queen (das sind auch schon alle Gemeinsamkeiten, die wir beiden haben). Er liegt da seit Wochen, zwischen halb aufgegessenen Joghurts und Fertig-Tortellini "funghi porcini". Manchmal denke ich an ihn, wenn ich am Homeoffice-Küchentisch sitze. Worauf wollten wir damit noch mal anstoßen? Ich hab’s vergessen. Man könnte ihn ja mal da rausholen, einfach so, ohne Anlass ... Mein protestantisch-westfälisches Über-Ich protestiert sofort: "Wie dekadent ist das denn? Und, hallo, schon mitbekommen: Es ist PANDEMIE und Feiern gerade nicht so angesagt." Die Kühlschranktür im Kopf fällt wieder zu. Also weiter im Text. Und danach Wäsche waschen. Eine Maschine jeden zweiten Tag, sonst droht Chaos.

Heldinnen des Alltags

Während ich später dreckige Socken zusammensuche, von denen die Hälfte für immer in der Trommel verschwinden wird, muss ich an den gestrigen Abend denken: Ein kleines Frauen-Netzwerk hatte zu einem "Zoom"-Treffen geladen. 20 Uhr, Klick auf "Teilnehmen". Da waren sie nun: 24 Frauen, Mütter und Nicht-Mütter, mit oder ohne bezahlte Arbeit, die im "Breakout-Room" erzählten, was bei ihnen so los war: Ellie hatte eine Trennung gemeistert und machte sich gerade selbstständig. Carmen hetzte permanent zwischen Kita, Kindergarten und Büro hin und her und schlief jeden Abend spätestens um acht am Bett ihrer Söhne ein. Julia kümmerte sich um ihre depressive Mutter und strauchelte selbst ganz schön im "New Normal", hatte sich aber vorgenommen, der zunehmenden Genervtheit der Leute mit entwaffnender Freundlichkeit zu begegnen.

Waschmaschine zu, mit Karacho (die Tür ist kaputt), 30 Grad, pflegeleicht. Ich drücke auf Start. Genau das wäre er gewesen, der Anlass, zu dem der Korken knallen, der Champagner hätte fließen sollen, denke ich – um diese Heldinnen des Alltags zu feiern. Es ist doch erstaunlich, was sie, was wir alle Tag für Tag so wuppen. Wir jonglieren ständig mit viel zu vielen Bällen und halten sie wundersamer Weise in der Luft (o.k., nicht immer, aber dann sammeln wir sie rasant wieder auf).

Muss halt, ist doch nichts Besonderes? Ich finde, auf der Euphorie- und Party-Skala ist da durchaus Luft nach oben.

Einfach mal die positiven Dinge sehen

Und gibt es nicht noch viel mehr zu feiern gerade? Zum Beispiel, dass sich die unbelehrbaren Risikogruppen-Eltern, toi, toi, toi, immer noch nicht angesteckt haben? Dass ein Polit-Clown abgewählt und ein Impfstoff da ist? Dass die Sonne scheint? Dass der DHL-Bote endlich gecheckt hat, dass er auch noch woanders klingeln kann als im Erdgeschoss. Dass ich fünfmal in der Woche joggen wollte und es einmal geschafft habe (beat that!). Dass die Kassiererin im Supermarkt auch am Ende ihrer Schicht noch nett zurückgrüßt, obwohl sie allen Grund hätte, es nicht zu tun. Dass ungefähr alles zwar wieder aus ist, die Schokolade aber nie.

Und nicht zuletzt, oder eigentlich vor allem anderen: dass die Kinder lachen. Dass sie trotz ständig neuer Regeln und abgesagtem Vergnügen immer noch zu "99 Luftballons" tanzen (keine Ahnung, warum sie gerade das so lieben) und laut grölend den Wohnzimmer-Dancefloor rocken.

Aber jetzt schnell ab in den Trockner mit der Wäsche, damit meine Tochter ihr Lieblingsshirt morgen wieder anziehen kann. Vorn ist das "Wonder Woman"-Logo drauf, in Gold, hinten ein kleiner, roter Umhang angenäht. Wenn sie schnell läuft, weht er wild, im Wind. Ein echtes Superheldinnen-Outfit.

Sina Teigelkötter weiß, dass Alkohol auch keine Lösung ist, sie aber die Ausgelassenheit im Alltag gerade doch ziemlich vermisst. Zeit, das zu ändern.

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BRIGITTE 05/2021

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