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Schüchternheit ablegen - wie es dein Leben beeinflussen kann

Schüchternheit ablegen: Frau mit Hut
© Look Studio / Shutterstock
Schüchternheit ist nicht nur eine Eigenschaft - sie kann das ganze Leben einschränken. Autorin Melina Royer hat sich in kleinen Schritten davon befreit.

BRIGITTE: Früher haben Sie sich als den schüchternsten Menschen auf dem Planeten wahrgenommen - und dann irgendwann den Schalter umgelegt?


MELINA ROYER: Nein. Man wacht ja nicht plötzlich auf und macht alles anders. Es ist ein sehr langer Prozess. Um von negativen Gedankenmodellen wegzukommen, Selbstwertgefühl zu gewinnen und schließlich etwas zu tun, was man sich vorher nicht getraut hat, sind viele kleine Schritte nötig.


Wobei stand Ihnen Ihre Schüchternheit denn am meisten im Weg?


Sie hat mich in jeder Lebenslage schmerzhaft blockiert. Wenn man mal wieder vom Einkaufen nach Hause kommt, weil man sich nicht getraut hat zu fragen, wo etwas im Regal steht, fühlt man sich völlig lebensunfähig. Aber das ist ja nur eine Kleinigkeit. Auch im Job werden die eigenen Fähigkeiten verkannt, weil man sich dem Chef oder den Kolleginnen nicht mitteilt. Es ist unendlich frustrierend, ständig unter seinen Möglichkeiten zu bleiben.


In Ihrem Buch gehen Sie auch der Frage nach, ob schüchterne Menschen nicht eigentlich egozentrisch sind.

Da ist tatsächlich was dran. Wie sehe ich aus? Mache ich mich gerade lächerlich? Finden mich andere dumm? Jemand, der ständig darum kreist, was andere über ihn denken, hat einfach eine ich-zentrierte Weltsicht und wenig Energie für andere.

Gelten Schüchterne nicht im Gegenteil als besonders feinfühlig und empathisch?
Ja. Aber wenn man sich nur mit seinen eigenen quälenden Gedanken beschäftigt, kann man diese Stärke gar nicht einsetzen. Ich selbst habe auf andere vor lauter Unsicherheit übrigens oft kalt gewirkt. Das war für mich mein größter Antrieb, etwas zu ändern: Ich möchte anderen etwas geben, mich mit ihnen verbunden fühlen.


Haben Sie deshalb Ihren Blog gestartet?

Ja. Erfahrungen von anderen waren für mich immer eine enorme Motivation. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger daherzukommen, sondern wie eine Freundin, die sagt: "Probier das mal, denk mal drüber nach." Und natürlich ist das Bloggen und das Internet ganz allgemein mein Medium.

Es ist wie ein Muskel, den man trainiert

Weil es Anonymität erlaubt?

Ja. Und vor allem weil ich vorher nachdenken kann, was genau ich der Außenwelt von mir zeigen will. Tatsächlich war das eine meiner "Anfänger"-Übungen: Auf einem Blog einen Kommentar hinterlassen, zum Beispiel einfach "Danke für den Artikel". So begann Schritt für Schritt die Erweiterung meiner Komfortzone.

Kann in der Online-Welt nicht auch das Gegenteil passieren, man zieht sich mehr und mehr aus dem realen Leben zurück?

Das stimmt. Ich empfehle auf keinen Fall, sich ins Internet zu flüchten, wenn es einem "da draußen" zu schwer wird! Für mich war das Internet aber der Anfang, um Sicherheit im Umgang mit anderen zu gewinnen und darin, meine Gefühle mitzuteilen. Aber dann muss man sich weiterhangeln, sich selbst ein Stück weiter pushen. Es ist wie ein Muskel, den man trainiert.

Würden Sie sich denn heute noch als schüchtern bezeichnen?
Ich werde sicher nie das Rampenlicht suchen und sagen "Hier bin ich". Aber ich habe gelernt, meine Ängste zu kontrollieren. Perfektion jedoch gibt es nicht; damit musste ich mich erst einmal abfinden. Perfektionismus ist ja oft die Antwort der Schüchternen auf ihre Angst vor Ablehnung und Kritik. So war das auch bei mir. Heute finde ich es nicht mehr frustrierend, sondern schön, dass man sich immer noch weiterentwickeln kann.

Schüchternheit ablegen -Buch

Brigitte 05/2018

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