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Sabine Bode: "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr"

Sabine Bode: "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr"
© Oliver Haas
So heißt das neue Buch von Comedy-Autorin Sabine Bode – und genauso lustig ist es auch. Über die zweifelhaften Freuden des Frauseins im Mittelalter.

Ist es eigentlich wirklich so wunderbar, endlich erwachsen beziehungsweise 50 zu werden (weil weise, angekommen und selbstbewusst wie nie zuvor), oder wird uns das nur weisgemacht?

Was der Komikerin Sabine Bode in der Lebensphase "zwischen G-String und Gleitsicht" alles so widerfährt, wirft sie uns in ihrem neuen Buch "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr" als "ultimatives Lesekonfetti" lustvoll um die Ohren.

Die Bochumerin liefert damit eine „Trost-Lektüre“ für Frauen ab 50 ab, "die mitten im Leben stehen, obwohl sie sich viel lieber setzen möchten." In 22 Kapiteln sinniert sie über "Schlupflider und andere Protestsongs", "Blasenschwäche-Blues" oder "Mumien-Dating." Das ist eher nichts für Feingeister, aber etwas für Frauen, die jederzeit ein Speed-Dating mit hoher Joke-Frequenz einem Achtsamkeits-Seminar vorziehen würden.

Aber lest selbst! Hier kommt das Kapitel über die "Wellnesshölle", in die man ab 50 qua Geschenkgutscheinregen häufiger gerät:

Paradiesgarten der Peinlichkeiten: Wellnesshölle

Du weißt, dass du älter wirst, wenn du einen Wellnessgutschein geschenkt bekommst.

Diese Gutscheine liegen ja meistens noch länger rum als die Rocher-Geschenkpackungen, meistens, weil sie von wohlmeinenden Ehemännern mit dem Satz verschenkt werden: »Schatz, tu dir doch mal was Gutes«, was manchmal auch heißen kann: »Nötig hast du’s ja!«

So auch in meinem Fall. »Du siehst irgendwie müde aus!«, sagte mein Mann vor geraumer Zeit zu mir, als ich mit sieben Einkaufstüten nach Hause kam und noch mal zurück zum Supermarkt hechtete, weil ich den Brokkoli und das Kind vergessen hatte. »Willst du nicht mal den Wellnessgutschein einlösen, den ich dir damals zur Geburt geschenkt habe?«

»Äh, zu welcher Geburt war das noch mal?«, fragte ich müde zurück, »Zum ersten Kind, das schon studiert, oder zum zwei- ten, das gerade den schmerzhaften Ablöseprozess vom Eltern- haus durch das Stechen von Ohrlöchern mit dem Herlitz-Locher symbolisch auslebt? Egal, gib her, löse ich ein! Freitag in drei Monaten habe ich noch ein kleines Zeitfenster zwischen Vorsorgevollmachtberatung und Cupcake-Decoration-Work- shop nach Hildegard von Bingen

Und dann war es endlich so weit: Paradise Garden, ich komme! Nach Bottrop! Um das nun folgende Ereignis, von dem ich ja nicht ahnen konnte, dass ich es drei Tage später einem Traumatherapeuten tränenreich schildern würde, in seiner ganzen Tragweite für meine Leserschaft zu erfassen, wechsle ich nun ins Präsenz. Ein billiges literarisches Stilmittel, ich weiß, aber ich muss auf die eklatanten Missstände in der Wohlfühlbranche jetzt einfach mal mit Schmackes aufmerksam machen:

Nachdem ich drei Stunden im Freitagnachmittags-Kriechverkehr in meinem stickigen Kleinwagen verbracht habe, manifestiert sich vor mir endlich eine Oase der Entspannung, eingerahmt von Aldi und Fressnapf. Am Eingang einer Wellblechhütte empfängt mich eine mickrige vertrocknete Yucca- Palme. Eine thailändische Mitarbeiterin begrüßt mich mit den Worten: »Hallo. I bin Mai-Ling. Heißte aufgehende Sonne.«

Ich antworte: »Hallo, ich bin Sabine-Stephanie, heißt ausgehende Konfektionsgröße 44.« Bodyshaming ist aber wohl kein Teil ihres Kulturkreises, denn sie legt mir sofort einen Blumenkranz um die zaghaft bebenden Körpermassen und bittet mich, alle Kleider und alle Alltagssorgen abzulegen. Ich schäle mich noch in der Umkleide aus meinem 80er-Jahre-Fruit-of-the- Loom-Unterziehwämschen, da wickelt sie mich schon ungefragt in einen kackbraunen Frotteemantel, in dem ich aussehe wie das Grüffelokind nach dem Vollwaschgang.

»Muttu entspahne!«, säuselt sie mir zu. »Habe hier gan viel Zeit!«

»Okay«, sage ich, »entspannen ist super, habt ihr WLAN, ich müsste noch mal kurz meine Mails checken ...«

»Schhhhhhhhhh – entspaaaane! Als Universum hatte gemachte Zeite, hatte gemacht gaaaanz viel davon!«

Ja gut, denke ich, dann lass mal hören: »Was habt ihr denn hier auf der Pfanne?«

»Ja, kannstu nehmen ›Relax‹-Angebot, ist mitte Birkenzweigmassage, Rosenblätter-Jacusi unde Rindenmulche-Peeling.«

»Hm«, signalisiere ich meine Unentschlossenheit, denn irgendwie klingt das nach einem Bastelworkshop in der Landlust-Redaktion.

»Oder kannst du nehmen ›Oriental Experience‹ mitte Selleriesaft-Flatrate, Spinataufguss und kostenlose Hanf-Schlap-en«, grätscht sie gewieft dazwischen.

»Jau«, antworte ich, »klingt gut, nehme ich aber noch die Potato Wedges und ’ne Sprite dabei!«

... worauf Hawaii-Helga emotionslos aus dem Prospekt vor- liest: »Oder aber nehme du Komplettangebot, kannstu für eine Aufslag von 19 Euro 90 Tepidarium, Caldarium und Delfinarium mitbenutze. Dazu gibte 10 Plozente auf alle Lomi-Lomi-Massagen, Agar-Agar-Gesichtspackungen und Lang-Lang-CDs – aber nur an gerade Tage und bei Vollmond. Gucki nache – ah, heute nix.«

»Äh, ich glaube, ich nehme für den Anfang erst mal so ’ne Gesichtsbehandlung«, stammle ich unbeholfen. Irgendwie habe ich Hemmungen, fremde Menschen an meinen sensiblen Körperstellen herumgrabbeln zu lassen. Ich meine, wir sind doch nicht beim Arzt oder in der S-Bahn. Was für Muddi May-Ling eine offene Einladung ist, mir eine Klopfmassage zu verpassen: ein Schwall von klatschenden Ohrfeigen auf beide Hängebacken, den ich sonst nur vom Klassenpflegschaftsabend kenne, wenn man versucht, mich dort mit den Worten »Hallo, Frau Bode, aufwachen, Sie sind nicht wiedergewählt worden!« wieder aus dem Koma zu wecken.

Etwas benommen höre ich kurz darauf, wie sie unbeirrt die Konversation weiter vorantreibt: »Wa für eine Pflegeserie nehme du?«

»Pflegeserie ... Hm ... ja, Nivea. Manchmal auch Balea von dm, die ist auch günstig und gut für trockene Haut ...«

»Um GOT-TE willen«, fällt mir die Cremeschnitte aufgebracht ins Wort. »Habe keine trockene Haut, habe Misshaut!« Mischhaut? Also, meine Eltern kommen aus Wanne-Eickel und aus Castrop-Rauxel, wieso soll ich da Mischhaut haben?!

»Doche, brauche spezielle Pflegeprodukte«, referiert die Emulsions-Else tonlos. »Haben wir gerade in Angebot Wasabi- Mandel-Creme mit Borkenkäferextrakt. Hier, probiere du.«

»Borkenkäferextrakt? Ist ja widerlich!«, schreie ich entsetzt. »Ich bin Tierschützerin, Vegetarierin, ich schlafe noch nicht mal in Biberbettwäsche und ich bin bei Peta!«

»Nein, du sei nicht bei Peta, du sei bei Mai-Ling«, zeigt sie seelenruhig auf ihr Namensschildchen. »Peter isse nur montage und donnertage. Isse 400-Euro-Klaft«, säuselt sie tiefen- entspannt, um direkt monoton den Entscheidungsterror fort- zusetzen: »Willst du Partnermassage? Isse billiger!«

»Ja, gut, aber mein Partner ist zu Hause, einer muss ja die Familie am Kacken halten!«

»Machte nixe!«, winkt sie routiniert ab. »Kannsu nehme Hans-Günther! Hat noch eine Gutschein von 2007. Könnt ihr einlöse zusammen, spare füm Euro.«

Sie deutet auf ein Kabuff Marke »Hornbach-Mini-Sauna«. Hinter einem schweinchenrosa Vorhang aus klappernden Plastikschmetterlingen erkenne ich zwei beheizte frotteebezogene und lilienüberhäufte Gästeklappbetten. Auf dem einen liegt ein circa 130 Kilo schwerer und nur mit einem Gästehandtuch um die Lenden bekleideter Sumoringer auf dem Bauch und keucht mir wie Walter Freiwald nach der letzten Dschungelprüfung entgegen: »Ja leck mich am Arsch, hallo Morgenröte! Immer rein inne Knethütte! Kumma, die Mai-Ling massiert uns zwei Hübsche gezz in Stereo, dich mit Kokkosöl – und für mich – hömma, mach mir ma’ ’n Pfund Mett, halb und halb! Aber nur wenn datt auch fuffzich Prozent billiger is!«

...

»Und was ist dann passiert?«, wollte der Psycho-Heini wissen.

»Na ja«, erklärte ich noch sichtlich fröstelnd, »an der Stelle war ich raus. Also, richtig raus. Ich weiß nicht, wie ich dorthin gekommen war, aber ich stand auf einmal in Frotteeschlappen und Bademantel an der Aral-Tankstelle gegenüber. Dort nahm ich mir erst mal ein Glas Erdnussbutter aus dem Regal und löffelte es mit einem XXL-Eiskratzer laaangsam aus. Und als der Heiopei vom Tresen auf mich zumarschierte und wissen wollte: ›Ei, watt wird datt denn hier, wenn ett fettich ist?‹, antwortete ich so gelassen wie lange nicht mehr: ›Wellneff.‹«

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Sabine Bode, der die Gags scheinbar nur so aus dem Hirn purzeln, hat bereits für Anke Engelke, Harald Schmidt und Hape Kerkeling Witze geschrieben und ist Autorin des Buches "Kinder sind ein Geschenk ... aber ein Wellness-Gutschein hätt's auch getan."

Ihr neues Werk "Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr – Das ultimative Lesekonfetti für Postjugendliuche ab 50" ist bei Goldmann erschienen und kostet 13 Euro.

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