Ein spannender Fakt: Die meisten Menschen schätzen ihre eigene Intelligenz höher ein, als sie tatsächlich ist. Genauer gesagt benennen die meisten Menschen ihren IQ als überdurchschnittlich – was ja schon rein statistisch nicht funktionieren kann. Interessant wird das Thema der Selbsteinschätzung dank der Ergebnisse einer australischen Studie, die im Fachmagazin "Frontiers in Psychology" veröffentlicht wurde. Die konnte nämlich nachweisen, dass Männer sich im Durchschnitt klüger einschätzen als Frauen, obwohl sie es gar nicht sind – sie überschätzen ihre Intelligenz nur häufiger. Dieses Ergebnis bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht als auch auf das psychologische.
Studie lässt Frauen und Männer ihre Intelligenz einschätzen
Das Team um David Reilly von der School of Applied Psychology der Griffith University im australischen Southport hat für ihre Untersuchung mehrere Hundert Frauen und Männer befragt und sie gebeten, ihre eigene Intelligenz zu bewerten. Sie sollten ihren geschätzten IQ benennen und bekamen dazu die Info, dass zwei Drittel der Menschen einen Intelligenzquotienten zwischen 85 und 115 haben. Vor ihrer Antwort hat das Forschungsteam den Teilnehmenden gesagt, dass sie nach ihrer Selbsteinschätzung einen IQ-Test absolvieren sollen.
Zusätzlich zum Intelligenztest wurde bei den Frauen und Männern das Selbstbewusstsein gemessen sowie ein Persönlichkeitstest basierend auf "weiblichen" und "männlichen" Eigenschaften durchgeführt. Die Hypothese des Wissenschaftsteams vor dem Test war, dass das psychologische Geschlecht eine größere Rolle bei der Selbstüberschätzung spielen würde als das biologische Geschlecht.
"Ich schaff' das schon": Männer sind häufig selbstbewusster als Frauen
Tatsächlich zeigte sich aber, dass die Teilnehmenden, die biologisch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können, noch stärker dazu neigten, ihre eigene Intelligenz zu überschätzen, als diejenigen Teilnehmenden mit "typisch männlichen" Eigenschaften – ungeachtet ihres biologischen Geschlechts. Frauen wiederum neigten laut der Studie eher dazu, sich für weniger klug zu halten, als sie tatsächlich sind. Zur größten Selbstüberschätzung ihrer eigenen Cleverness neigten unter den Teilnehmenden demnach biologische Männer, deren männliche Persönlichkeitsmerkmale auch besonders ausgeprägt waren.
Das Forschungsteam sieht mögliche Zusammenhänge ihrer Studienergebnisse mit der Tatsache, dass Jungen schon in der Kindheit häufig selbstbewusster sind als Mädchen. "Wenn Mädchen ihre Intelligenz in der Schule geringschätzen, neigen sie dazu, weniger herausfordernde Fächer zu wählen", erklärt Studienautor David Reilly. "Besonders im Bereich der Wissenschaft, Technik, des Ingenieurwesens und der Mathematik. Diese Entscheidungen limitieren ihre Bildung und ihre Karrierechancen auch nach der Ausbildung."
Appell an Eltern und Lehrende: "Baut das Selbstbewusstsein der Mädchen auf"
Laut Reilly könnten diese Unterschiede in den Geschlechtern auch teilweise den Gender Pay Gap erklären und die unterschiedlich starke Verhandlungssicherheit von Frauen und Männern in Gehaltsgesprächen. Sprich: Weil Frauen weniger selbstbewusst sind und sich und ihre Fähigkeiten eher unterschätzen, verhandeln sie schlechter und bekommen deshalb am Ende häufig weniger Geld. Das kann natürlich nur ein Teil der Erklärung sein, schließlich bleiben hier unsere patriarchalen Gesellschaftsstrukturen sowie Themen wie die "Teilzeitfalle" und mangelnde Möglichkeiten zur Kinderbetreuung außen vor. Aber das Thema Selbsteinschätzung in Sachen Intelligenz könnte zumindest ein Faktor sein, der diese Entwicklungen begünstigt.
Der Studienautor richtet noch einen Appell an Eltern und Lehrpersonen, um diese Geschlechtsunterschiede in Sachen Intelligenz und Selbstbewusstsein auszumerzen: "Wir müssen den Ehrgeiz der Mädchen anspornen, wenn sie die komplexen Probleme unserer Gesellschaft lösen und gleichzeitig Gerechtigkeit in der Bezahlung erreichen sollen", so David Reilly. "Das beginnt früh mit den geschlechtsbedingten Erwartungen der Eltern an die Intelligenz ihrer Kinder und den Unterschieden im Selbstbewusstsein zwischen Mädchen und Jungen. Wäre es nicht schön, wenn wir als Eltern, als Lehrpersonen und als Gesellschaft es schaffen, das Selbstbewusstsein der Mädchen und jungen Frauen so aufzubauen, dass sie ohne Selbstzweifel an sich selbst glauben würden?"
