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Weder reden noch Schoki Was mich trösten kann, wenn es mir schlecht geht

Psychologie: Eine Frau mit Schirm
© Meng_Dakara / Adobe Stock
Sich von Zeit zu Zeit schlecht zu fühlen, gehört zum Leben dazu. Das macht es allerdings nicht leichter, es auszuhalten. Unsere Autorin hat eine neue Trostquelle für sich entdeckt.

Sofern es ein Allheilmittel gegen persönliche Krisen und Tiefs gibt, ist es bislang an mir vorbeigegangen. Die üblichen, allgemein bekannten Strategien sind sicherlich wirksam und viel wert: Dich mit Menschen austauschen, die dir nahestehen – immer ganz weit vorn. Einen Ausflug ans Meer unternehmen oder in die Berge, Hauptsache raus und Natur. Sport ist etwas, ohne das mein Leben sowieso eine einzige, lange Krise für mich wäre. Und sich in stoischer Akzeptanz zu üben, hat sich über die Jahrtausende ebenfalls schon für viele Menschen bewährt. 

So viel ich von allen bekannten Strategien halte, die uns durch Phasen hindurch helfen, in denen es uns schwerfällt zu lächeln oder überhaupt aufzustehen – manchmal wirken sie nicht. Oder wir können das, was uns gut täte, aus irgendwelchen Gründen nicht unternehmen. In solchen Fällen können wir, wenn wir Glück haben, Trostquellen oder Umgangsweisen mit persönlichen Tiefs entdecken, die uns neu sind. Zumindest ist mir so etwas gerade passiert. Ich habe festgestellt, dass mich ganz spezielle Bücher in einer merkwürdig angenehmen Weise trösten können: Solche, die mich die Weite der Welt spüren lassen. Das klingt jetzt vielleicht kryptisch. Aber ich glaube, das trifft es am besten.

Wenn es mir schlecht geht, lese ich gerne über andere Kulturen

Normalerweise lese ich recht bunt gemischt je nach Lust, Trends und Neuerscheinungen: Thriller, gelegentlich Fantasy oder Sci-Fi, Coming of Age, literarische Fiktion, leichte Sommerlektüre. Ich mag Romane, in denen es um Beziehungen geht, vor allem Familienbeziehungen oder Freundschaften. Fühle ich mich schlecht, bringt mir Lesen in der Regel insgesamt viel weniger Spaß als sonst, ich kann mich schlechter konzentrieren und schwerer auf ein Buch einlassen. Es sei denn, wie ich nun festgestellt habe: Die Geschichte spielt in einer mir unbekannten (aber realen!) Kultur, gegebenenfalls in der Vergangenheit. Gute Beispiele wären die Romane von Lisa See, etwa "Lady Tan's Circle of Women" oder "The Island of Sea Women". Diese Bücher habe ich sehr genossen und sie haben mich gefesselt, obwohl ich sie zu einer Zeit gelesen habe, in der ich kaum etwas genießen konnte.

Meine Theorie, warum ausgerechnet solche Bücher für mich eine geeignete Begleitung durch schwere Wochen sind, ist, dass sie mir einerseits etwas zum Lernen bieten. Etwas, für das ich mich interessiere. Als Menschen sind wir bekanntlich neugierig und erleben es tendenziell als angenehm und positiv, wenn wir Neues lernen. Es fühlt sich womöglich einfach gut für mich an, Wissen auf einem Gebiet vermittelt zu bekommen, dem gegenüber ich grundsätzlich Neugier empfinde.

Andererseits spüre ich durch solche Bücher besonders intensiv, dass das, was ich erlebe, nur ein kleiner, begrenzter Teil einer großen, weiten Welt ist. Und dass andere Menschen die Welt ganz anders sehen und erleben als ich. Natürlich ist es doof und bedeutsam für mich, wenn es mir schlecht geht, aber für den weitaus größeren Teil der Welt und der sie bewohnenden Lebewesen ist es kein Problem. Einige beschäftigen sich mit eigenen Problemen, von denen ich nichts mitbekomme, andere sind glücklich und unbeschwert. Ich mag die Welt gerade nicht als weich und flauschig empfinden, aber sie ist trotzdem in Ordnung. Und damit bin ich immerhin Teil von etwas, das in Ordnung ist – und bleiben kann –, selbst wenn ich es nicht bin. Dieser Gedanke hat für mich ohnehin etwas Tröstliches, doch ein Gedanke allein macht mit mir eben nicht so viel, wie eine Geschichte über koreanische Inselfrauen zu lesen, die ihren Lebensunterhalt mit Tauchen verdienen (um die "Haenyeo" geht es in "The Island of Sea Women"). Eine solche Geschichte zu lesen, hat auf mich eine ähnliche Wirkung wie aufs Meer zu schauen. 

Jeder Mensch muss seinen eigenen Trost finden – aber vielleicht können wir einander suchen helfen

Ich teile meine Erfahrung nicht, um damit zu sagen, dass es Probleme löst oder gesund und glücklich macht, eine bestimmte Art von Büchern zu lesen. Das tut es sicherlich nicht, schon gar nicht für Leute, die ungerne lesen. Ich denke nur, vielleicht gibt es für jeden Menschen so etwas wie das, was für mich bestimmte Bücher sind. Etwas, wofür der Begeisterungsfunke nie ganz erlischt und das es in einer bedrückten Situation wenigstens ein bisschen leichter macht zu atmen. Indem wir unsere Erfahrungen miteinander teilen und uns von unseren Trostquellen erzählen, denke ich, können wir uns vielleicht gegenseitig dabei helfen, es zu finden.

Brigitte

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