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Psychologie Was Frauen belastet, die in Therapie sind

Frau schiebt Stein aus düsteren Gedanken vor sich her (Illustration)
© master1305 / Adobe Stock
Die Gesellschaft stellt absurde Anforderungen an die Frau. Wir benennen drei, die besonders belasten.

"Es ist absolut unmöglich, eine Frau zu sein", beginnt Gloria (America Ferrera) ihre Rede im neuen "Barbie"-Film, der als Ganzes als – ziemlich pinker – Kommentar über den Doppelstandard zu verstehen ist, der für Männer und Frauen angewendet wird. 

Frauen leben in einer Gesellschaft, die sie auf ein Podest stellt, immens hohe Erwartungen an sie hat, sie gleichzeitig kleinhält und erniedrigt. Jeden Tag, in jeder Situation, in jeder Rolle ist die Frau einem hohen Druck ausgesetzt, muss performen, leisten und schaffen – und dabei bitte noch freundlich sein, geschminkt und grazil. "Huffpost" hat mit Expert:innen zum Thema mentale Gesundheit über diese Problematik gesprochen und die häufigsten Themen gesammelt, die Frauen in Therapien aufbringen.

Wer bin ich außerhalb der Ehe, der Mutterschaft, der Karriere?

Eine Frage, die sich viele Menschen vollkommen unabhängig ihres Geschlechts stellen: "Wer bin ich außerhalb von …?" Wir neigen dazu, uns über die Rollen, die wir uns selbst aussuchen oder die uns von außen übergestülpt werden, zu definieren. Das können bestimmte Berufe sein oder auch gewisse Attribute ("Die Fleißige", "Die Kümmernde"). Doch wenn Umstände dazu führen, dass sich unsere Rolle verändert – oder sie gänzlich verschwindet – was bleibt dann von uns?

Natürlich lösen wir uns nicht auf, auch wenn es sich für manche so anfühlen mag. Denn lange Zeit haben wir vielleicht viel für das Ausüben der Rolle zurückgesteckt: unsere Hobbys, unsere Freund:innen, auch die Zeit allein für uns selbst. Psychotherapeutin Alicia Brown kennt Menschen in solchen Situationen. "Das kann dann so aussehen: 'Ich bin kürzlich Mutter geworden und es fühlt sich an, als hätte ich keine Freund:innen' oder 'Ich habe das Gefühl, ich bin nicht so verbunden mit mir wie früher' … Es kann ebenfalls passieren, dass Menschen, die eine neue Karriere starten, nicht wirklich wissen, was sie tun wollen, aber spüren, dass das, was sie gerade tun, nicht für sie funktioniert", erklärt sie gegenüber "Huffpost".

Und genau an diesen Stellen kann eine Therapie anknüpfen: Es helfe in solchen Situationen, für sich klarzumachen, wer man denn sein möchte und wer man aktuell ist, so Brown. "Und zusammen finden wir dann einen Weg, diese beiden miteinander zu verbinden." 

Alles rund um Mutterschaft

Es ist unheimlich stressig, eine Mutter zu sein – dem dürften die wenigsten Menschen widersprechen. Die Soziologin Caitlyn Collins untersuchte fünf Jahre lang Mütter aus fünf wohlhabenden Ländern (unter anderem Deutschland) und kann den allgemeinen Konsens nur bestätigen. Eigentlich war ihr Ziel gewesen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu untersuchen – dabei musste sie dann allerdings feststellen, dass man weniger von Vereinbarkeit und mehr von einem Konflikt sprechen muss. Während in Schweden die Erziehung der Kinder und die Arbeit zwischen Vätern und Müttern gleich aufgeteilt wird, sieht es in anderen Ländern nicht so aus, gerade in jenen, in denen die Meinung vorherrscht, die Mutter müsse bei der Erziehung des Kindes den Großteil der Arbeit übernehmen. 

Im Interview mit "Psychology Today" spricht die Wissenschaftlerin und Autorin Caitlyn Collinsüber den immensen Druck, der auf Frauen lastet, die Karriere und Familie unter einen Hut bringen möchten. Über die Herausforderungen von Müttern im Arbeitsleben hat sie sogar ein Buch veröffentlicht. Besonders die USA seien bei ihren Forschungen negativ aufgefallen, da es dort eine strukturell-kulturelle Hingabe zur Arbeit gebe – und parallel zur Familie.

Frauen, die sich im Beruf engagieren, aber zu viel Zeit für die Familie aufwenden, verstoßen gegen das Schema der Hingabe an die Arbeit, während diejenigen, die ihre familiären Verpflichtungen vermeiden oder auf andere übertragen, gegen das Schema der Hingabe an die Familie verstoßen.

Ein Spannungsfeld, das auch in der Rede von "Barbie"-Filmfigur Gloria aufgegriffen wird: "Du sollst es lieben, eine Mutter zu sein, aber bitte nicht die ganze Zeit nur von deinen Kindern reden. Du sollst eine Karrierefrau sein, aber immer Rücksicht auf andere Menschen nehmen." Das alles sei ein strukturelles Problem, so Soziologin Collins – was auch dazu führe, dass es nur auf struktureller Ebene gelöst werden könne. Eine einzelne Person könne hier nicht viel tun. Doch anstatt die Verantwortung bei der Gesellschaft zu suchen, würden viele Frauen auf sich selbst schauen – und sich als Versagerin fühlen.

Ich möchte Müttern sagen, dass es nicht ihre Schuld ist. Wenn ich das Müttern sage, dann lachen sie und sagen: "Ja, ja", aber dann bitte ich sie, mir in die Augen zu schauen. Dann sage ich: "Es ist nicht deine Schuld." Und die Frauen fangen an, zu weinen.

Möchte ich Kinder? Kann ich überhaupt Kinder bekommen? Was macht das mit mir, was mit meiner Karriere, was mit meiner Ehe, Beziehung, mit meinem sozialen Umfeld? Nicht jeder Mensch hat klare Antworten auf diese Fragen, nicht jeder Mensch kann über dem immensen Druck stehen, der mit diesem Thema verknüpft ist, weswegen Mutterschaft in all ihren Facetten ein großes Thema für einige Frauen in Therapie ist.

Was bin ich eigentlich wert?

"Du darfst niemals alt werden, niemals unhöflich sein, niemals angeben, niemals selbstsüchtig sein, niemals hinfallen, niemals versagen, niemals Angst zeigen, niemals aus der Reihe tanzen. Es ist zu schwer! Es ist zu widersprüchlich und niemand gibt dir eine Medaille oder sagt Danke! Und wie sich herausstellt, machst du nicht nur alles falsch, es ist auch noch deine eigene Schuld!", geht die Rede von Gloria aus "Barbie" weiter. 

Der Doppelstandard, dem Frauen und Männer unterliegen, beginnt schon in jungen Jahren: Jungs sollen Fußball spielen und sich raufen, Mädchen mit Puppen spielen und zurückhaltend sein. Sicherlich, die allzu offensichtlichen Gender-Klischees versuchen viele junge Eltern dieser Zeit zu vermeiden. Doch Kinder wachsen nicht in einer Blase auf, sind täglich damit konfrontiert, wie Dinge "zu sein haben" – und sie spüren die Konsequenzen, wenn sie sich den ungeschriebenen Regeln der Gesellschaft widersetzen. Das dürften viele Eltern nachvollziehen können, deren kleiner Junge ein Kleid in der Kita tragen möchte, oder deren Tochter sich mit Jungs rauft und kurze Haare trägt.

Wer ständig hört, er:sie sei "falsch", würde etwas nicht richtig machen, sich nicht so benehmen, wie es sich gehöre, nicht das tun, sagen, tragen, was erwartet würde, verinnerlicht diese Gedanken irgendwann als untrennbaren Teil des eigenen Selbst. Wie all die vorherigen Absätze deutlich machen, gibt es im Leben der Frau viele Dinge, die sie "falsch" machen kann. Und wer soll daran die Schuld tragen, wenn nicht sie? Die Rede von Gloria endet entsprechend so:

Ich habe es einfach satt, mir und jeder anderen Frau dabei zuzusehen, wie sie sich selbst verrenkt, damit die Leute uns mögen. Und wenn all das auch noch auf eine Puppe zutrifft, die Frauen nur repräsentiert, dann weiß ich auch nicht weiter.

Auf der ganzen Welt wissen viele Frauen nicht weiter, unabhängig ihrer Kultur, ihrer Hautfarbe, ihres Alters und sozialen Status'. Therapie kann ein erster wichtiger Schritt sein, aus dem Gedankenkarussell auszubrechen, doch jede einzelne Person – egal welchen Geschlechts – trägt letztlich die Mitverantwortung, dass sich die Situation aller verbessert. 

Verwendete Quellen: huffingtonpost.co.uk, psychologytoday.com, forbes.com, people.com

csc Brigitte

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