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Psychologie Was dir dein Traumgedächtnis über dich verraten kann

Psychologie: Ein Traumbild von einer Frau mit Blumenkopf
© Jorm Sangsorn / Adobe Stock
Unser Träumen ist so individuell wie unser Leben. Was wir aus unseren Träumen und unserem Umgang damit über uns lernen können, liest du hier.

Aus manchen Träumen erwachen wir mit Tränen in den Augen, aus anderen mit guter Laune und einem Lächeln. Einige beschäftigen uns noch eine Woche später und von vielen bekommen wir überhaupt nichts mit. Welche Rolle Träume für unser Leben spielen, mag bis heute nicht bis ins letzte Detail geklärt sein, doch weitreichende Einigkeit besteht darüber, dass wir im Traum behandeln und verarbeiten, was uns im Wachsein beschäftigt. Wir setzen uns damit auseinander, was wir erlebt haben, spielen durch und bereiten uns auf das vor, was uns bevorsteht, sortieren, worüber wir nachdenken und was wir fühlen. 

Warum aus Träumen nur manchmal Gedanken entstehen

Unser Gehirn befindet sich in einem anderen Modus als im wachen Zustand, wenn wir träumen, deshalb hinterlassen unsere Träume nicht in der gleichen Weise Eindrücke und Erinnerungen in unserem Bewusstsein wie Gedanken, Fantasien oder Erfahrungen, die wir im Wachsein konstruieren. Nur wenn wir während oder unmittelbar nach einem Traum aufwachen, haben wir eine Chance, die Vorgänge in unserem Kopf nachzuvollziehen, unsere Traumvorstellungen zu identifizieren, mit Begriffen zu versehen und sie in einen Zusammenhang zu setzen – und uns daran zu erinnern. Ist es also reiner Zufall, ob und wie oft wir von unseren Träumen etwas mitbekommen? Anscheinend nicht ganz.

Untersuchungen zufolge erinnern sich erwachsene Menschen, die in einem westlich-kulturellen Umfeld wie Europa, den USA oder Kanada leben, im Schnitt etwas seltener als einmal pro Woche an einen Traum. Zugleich gibt es allerdings große Unterschiede: Während einige Personen ihre Träume nahezu nie rekonstruieren können, wissen andere fast jeden Morgen, was sie in der Nacht durchlebt haben, und erinnern sich oft sogar an mehrere Träume aus einer Nacht. Und das nicht, weil sie an Schlafstörungen litten oder besonders unruhig schliefen, sondern im Rahmen ihres gesunden, ausgewogenen Schlafverhaltens. 

Wie der Psychologe und Traumforscher Kelly Bulkeley in einem Artikel für "Psychology Today" ausführt, wüssten Frauen tendenziell häufiger als Männer, was sie geträumt haben, und jüngere Menschen häufiger als ältere. Wer eine positive Einstellung zum Träumen habe und sich dafür interessiere, erinnere sich ebenfalls öfter an die eigenen Träume. Laut dem deutschen Traumforscher Michael Schredl könne sich außerdem Stress auf die Häufigkeit auswirken, mit der uns Träume im Gedächtnis bleiben – allerdings in unterschiedlicher Weise. "Bei manchen führt Stress im Wachleben dazu, dass sie sich weniger erinnern, weil dieser sofort beim Aufwachen präsent ist. Bei anderen Menschen führt der Stress zu intensiveren Träumen, die besser erinnert werden", sagte der Wissenschaftler dem Schweizer Magazin "Beobachter". 

Ist es wichtig, sich an die eigenen Träume zu erinnern?

Ob wir uns öfter an unsere Träume erinnern als der Durchschnitt oder seltener, ob wir bei Stress häufiger mit Traumerinnerungen aufwachen oder nicht – laut Kelley Bulkeley sagt das in der Regel nichts über unsere Psyche oder über uns als Mensch. Wie in vielen Lebensfragen gebe es hier kein richtig oder falsch und kein gut oder schlecht. Wir sind, wie wir sind, und solange wir damit weder uns noch anderen Menschen schaden, ist mit uns alles in Ordnung. Auf der anderen Seite könnten wir unsere erinnerten Träume besser verstehen und gegebenenfalls für uns nutzen, wenn wir uns darüber im Klaren seien, wie es im Vergleich zum Durchschnitt um unser Traumgedächtnis bestellt ist. 

So empfiehlt der Experte Personen, die sich häufig an ihre Träume erinnern, Technologien wie Traum-Apps, um ihre Träume auszuwerten und einen Sinn darin zu erkennen. Analytische, datenbasierte Methoden könnten dabei helfen, Muster oder wiederkehrende, bedeutsame Elemente sichtbar werden zu lassen, die uns in unserer subjektiven Wahrnehmung verborgen blieben.

Wenn wir hingegen nur selten einen Traum von uns mitbekommen und ihn nach dem Aufwachen noch wissen, könnten wir laut Kelley Bulkeley davon ausgehen, dass die erinnerten Träume für uns persönlich eine besondere Bedeutung haben. Dass sie auf Gefühle oder Erfahrungen hinweisen, die für uns wichtiger sind, als wir dachten, oder Ängste zum Ausdruck bringen, die uns bedrängen und womöglich einengen. In diesem Fall empfiehlt der Experte zur Auseinandersetzung eine individuelle und vielleicht kreative Herangehensweise: den Traum in einem Gedicht oder Bild darstellen, zum Beispiel, oder musisch. Eine technologische Auswertung, die auf riesigen Datensätzen und daraus gewonnenen Durchschnittswerten basiert, sei hier aus seiner Sicht ungeeignet.

Fazit

Ob wir uns häufig, selten oder nie an unsere Träume erinnern, ob wir gerne träumen oder nicht: Meist hat das, was wir im Schlaf durchlebt haben, eine Bedeutung für uns, die wir in irgendeiner Weise kennen – ohne sie unbedingt in Worten erfassen zu können. Unsere Träume sind ein Beleg dafür, dass wir mehr sind, als wir wissen, und dass mehr in uns geschieht, als wir merken. Das wiederum ist eine Erkenntnis, die uns in vielen Situationen nützen kann. Insofern ist es unabhängig von unserem individuellen Traumgedächtnis beruhigend, wenn wir verstanden haben: Wir müssen uns nicht daran erinnern, was wir geträumt haben, um nicht zu vergessen, dass wir geträumt haben.

Verwendete Quellen: psychologytoday.com, beobachter.ch, 3sat.de

sus Brigitte

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