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Co-Rumination Warum es Probleme verschlimmern kann, wenn wir über sie reden

Zwei Frauen im Gespräch | Co-Rumination: Warum es Probleme verschlimmern kann, über sie zu reden
© Azee/peopleimages.com / Adobe Stock
Geteiltes Leid ist halbes Leid, so lautet ein gängiges Sprichwort. Aber ist das wirklich so? Eine US-Psychologieprofessorin erklärt, warum es für unsere mentale Verfassung sogar besser sein kann, Probleme ruhen zu lassen, anstatt über sie zu sprechen.

Ob wir uns zu schwierigen Themen gerne mit anderen beraten oder sie lieber mit uns selbst ausmachen, ist Typsache. Meistens glauben wir aber, dass es besser ist, über unsere Probleme zu sprechen. Dass es uns auf jeden Fall guttun wird, unserer Freundin oder einem Kumpel davon zu erzählen und den Rat dieser Person einzuholen.

Und ja: Es mag sein, dass es sich besser anfühlt, ein schwieriges Gefühl oder einen belastenden Gedanken einmal auszusprechen, als das Thema immer weiter in uns hineinzufressen. Problematisch wird es allerdings, wenn wir irgendwann gar nicht mehr aufhören können, über etwas zu sprechen. Wenn sich jedes unserer Gespräche, sei es auf der Arbeit mit Kollegen, privat mit Freundinnen und mit unserem Partner, nur noch um dieses Thema dreht. Denn dann besteht die Gefahr, dass wir uns in bestimmte Gefühle oder Gedanken regelrecht hineinsteigern und es nicht mehr schaffen, Abstand davon zu gewinnen.

Darum ist Co-Rumination so ungesund für unsere Psyche

Amanda Rose ist Psychologieprofessorin an der University of Missouri in den USA und forscht vor allem zu Freundschaften im Kindes- und Jugendalter. Sie hat eine Beobachtungsstudie zur Wirkung von Problemgesprächen in engen Freundschaften durchgeführt und dabei eine interessante Entdeckung gemacht. Nämlich dass die sogenannte Co-Rumination, also das exzessive Durchkauen unserer Probleme mit unseren Freund:innen, die Situation sogar manchmal verschlimmern kann.

"Ruminare" ist Latein und bedeutet so viel wie Wiederkäuen. Kühe kauen ihren Mageninhalt mehrere Male wieder – und genauso verhält es sich mit Menschen, die ihre Probleme und Themen beim wiederholten Grübeln "wiederkauen", deshalb der Begriff "Co-Rumination". Für ihre Studie hat Amanda Rose gesunde Studierende gebeten, acht Minuten lang über ein Thema nachzugrübeln.

Das Ergebnis: Die Sicht der Teilnehmenden auf die Vergangenheit und die Zukunft wurde pessimistischer. Auch ihre Problemlösungskompetenz reduzierte sich. Die Amygdala wird durch starkes Grübeln aktiviert, dieser Part unseres Gehirns ist unter anderem für die Regulierung unserer Gefühle zuständig. Die Studierenden wiesen außerdem nach dem Grübeln einen erhöhten Cortisolspiegel auf – der Körper war über einen längeren Zeitraum im Alarmzustand.

Wir müssen ins Handeln kommen

Dieses "Overthinking" ist Gift für die Psyche, denn je mehr Raum wir Themen geben, desto mehr beschäftigen sie uns, ein Teufelskreis. Der große Unterschied zwischen Co-Rumination und einem gesunden Austausch über ein Problem ist, ob wir irgendwann ins Handeln kommen. Über etwas zu sprechen, sich ein Thema von der Seele zu reden und sich Rat einzuholen, kann uns durchaus helfen. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem wir mit Reden und Grübeln nicht mehr weiterkommen. Wir müssen aktiv werden und versuchen, das Problem zu lösen.

Denn Co-Rumination mit einer Freundin oder einem Kollegen ist im Prinzip nichts anderes als Grübeln zusammen mit einer anderen Person. Wir gelangen bei diesem intensiven Sezieren eines Themas häufig ins Spekulieren und Katastrophisieren. Und genau das tut unserer psychischen Gesundheit alles andere als gut. Die Gefahr für Angststörungen oder depressive Verstimmungen steigt, wenn wir uns in ewig kreisenden Gedankenschleifen verlieren.

Das hilft gegen Co-Rumination

Laut Amanda Rose kann uns aber schon die Erkenntnis, dass wir gerade in einer Co-Rumination-Spirale gefangen sind, helfen. Indem wir merken, dass wir uns im Gespräch mit jemandem in etwas hineinsteigern und uns im Kreis drehen, anstatt einer Lösung für das Problem näherzukommen, sind wir achtsam und können gegensteuern. Die 2-Minuten-Regel kann helfen: Grübeln wir länger als zwei Minuten über etwas nach, ohne auch nur ansatzweise eine Lösung gefunden zu haben, sollten wir versuchen, das Thema ruhen zu lassen.

Dasselbe gilt für Co-Rumination mit einem:einer Gesprächspartner:in: Wenn ihr schon 15 Minuten oder länger über etwas sprecht und euch dabei nur immer weiter in das Problem vertieft, dann kann es helfen, das Thema zu wechseln. Spüre dabei in dich hinein und schaue, wie es dir damit geht. Fühlst du dich erleichtert, dass du deine Gedanken und Gefühle aussprechen konntest? Oder merkst du, wie du immer weiter in die Grübelfalle hineingerätst, sodass das Thema dich auch nach dem Gespräch weiter beschäftigen wird? Ist Letzteres der Fall, ist es ebenfalls Zeit, das Problem für den Moment loszulassen.

Den exakten Moment abzupassen, in dem es im Gespräch kippt von einem wertvollen Austausch hin zu exzessivem Grübeln ohne Lösungsansatz, ist nicht immer leicht. Mit etwas Übung kann es uns aber durchaus gelingen – und langfristig wird unsere mentale Gesundheit davon profitieren.

Verwendete Quellen: geo.de, psychologytoday.com, ncbi.nlm.nih.gov

mbl Brigitte

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