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Psychologie Der überraschende Zusammenhang zwischen Intelligenz und Persönlichkeit

Lachende Frau springt über Bücher (Illustration)
© deagreez / Adobe Stock
Welche Persönlichkeitsmerkmale sprechen für Intelligenz? Eine riesige Studie räumt mit Vorurteilen und Klischees auf.

Der zerstreute Professor, das launische Genie, die ehrgeizige Streberin, der plumpe, aber charmante Dummkopf – uns mangelt es nicht an Stereotypen, die Intelligenz und Persönlichkeit miteinander in Verbindung bringen. Doch welche davon sind reine Vorurteile und welche haben empirisch gesehen Hand und Fuß? 

Es gibt zahllose Studien, die sich mit Intelligenz und der menschlichen Persönlichkeit auseinandersetzen – schließlich sind beides Kernaspekte eines jeden Individuums. Doch wie können sie gemessen werden? Welchen Einfluss haben sie auf die Lebensumstände? Sind intelligente Menschen beispielsweise automatisch erfolgreicher oder kommt ihnen ihre Persönlichkeit in die Quere – oder beflügelt sie diese sogar? Welchen Zusammenhang es zwischen Intelligenz und Persönlichkeit gibt, darüber ist noch sehr wenig bekannt – bis jetzt. 

Kevin Stanek, Forscher bei Gilead Sciences, hat sich mit seinem Team der Aufgabe gestellt, so viele Studien zu diesem Thema wie möglich zusammenzutragen. "Jede einzelne Studie war wie ein Nadelstich in den Schleier, der einen Einblick in das bot, was Menschen einzigartig macht", erzählt der Wissenschaftler dem Online-Magazin "Big Think". Doch sein Team und er wollten den "Panoramablick": "Wir wollten wissen, wie alles zusammenpasst, was einen Menschen zum Individuum macht."

14 Jahre später ist die Datenbank veröffentlicht. Sie enthält 79 Persönlichkeitsmerkmale, 97 kognitive Fähigkeiten und nutzt die Daten von 1.300 Studien aus mehr als 50 Ländern mit über 2 Millionen Teilnehmenden. Eine erste Meta-Analyse der Daten gibt Hinweise auf überraschende Zusammenhänge zwischen Intelligenz und Persönlichkeit, die glücklicherweise – und vielleicht für immer – mit so manchem Stereotyp bei dem Thema aufräumen.

Wovon wir reden, wenn wir über Intelligenz und Persönlichkeit reden

Wenngleich womöglich jede:r eine Vorstellung im Kopf hat, wenn Begriffe wie "Intelligenz" und "Persönlichkeit" fallen, lohnt sich ein genauerer Blick auf beides. Laut der "American Psychological Association" ("APA") handelt es sich bei Intelligenz um die Fähigkeit, "Informationen abzuleiten, aus Erfahrungen zu lernen, sich an die Umwelt anzupassen, zu verstehen und das Denken und den Verstand richtig einzusetzen".

Intelligenz kann hierbei in zwei Bereiche unterteilt werden: Einmal gibt es das erworbene Wissen, auch "investierte Fähigkeiten" genannt, also spezifische Fähigkeiten und Kenntnisse, die im Laufe des Lebens erworben werden. Nicht investiertes Wissen meint alle anderen kognitiven Fähigkeiten. 

Unter Persönlichkeit versteht die APA "dauerhafte Merkmale und Verhaltensweisen, die die einzigartige Anpassung einer Person an das Leben ausmachen", wobei auch unter anderem Interessen, Antriebe, Werte, das Selbstkonzept und emotionale Muster mit eingeschlossen sind. Ein Ansatz zur Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit sind die "Big Five Persönlichkeitstypen", die laut dem Lexikon der Psychologie wie folgt benannt und beschrieben werden:

  1. Neurotizismus: Der Faktor meint einen Hang zur emotionalen Labilität, Ängstlichkeit und Traurigkeit.
  2. Extraversion: Hiermit ist die Neigung zur Geselligkeit und Optimismus gemeint. Der Faktor wird als Gegenpol zur Introversion gesehen, der Neigung zur Zurückhaltung.
  3. Offenheit für Erfahrung: Gemeint ist Wissbegierde und ein Interesse an neuen Dingen, Erlebnissen und Erfahrungen.
  4. Verträglichkeit: Der Hang zur Nachgiebigkeit und Kooperationsbereitschaft.
  5. Gewissenhaftigkeit: Die Neigung zu hoher Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Disziplin.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Intelligenz und Persönlichkeit?

Nun, da die wichtigsten Begrifflichkeiten geklärt sind, richten wir den Blick wieder auf die Meta-Analyse, deren Ergebnisse mit so manchem Klischee aufräumen:

  • Offenheit: Die Bereitschaft, sich auf neue Ideen und Erfahrungen einzulassen, ist tatsächlich das einzige Persönlichkeitsmerkmal, bei dem ein Zusammenhang mit Intelligenz nachgewiesen werden konnte.
  • Gewissenhaftigkeit: Ein hohes Maß an Selbstregulierung und der Hang zur Ordnung steht im positiven Zusammenhang mit kognitiven Fähigkeiten. Allerdings: Vorsicht und ein Bedürfnis nach Routine sprechen eher für niedrige kognitive Fähigkeiten.
  • Extraversion: Ein nennenswerter Zusammenhang zwischen Geselligkeit und Intelligenz ist nicht festgestellt worden. 
  • Neurotizismus: Das launische Genie? Wohl eher nicht: Höhere Neurotizismuswerte sagten im (schwachen Maße) eine niedrigere Intelligenz voraus. Kaum verwunderlich: Angsterfüllte Pessimist:innen sind manches Mal in ihrem Denken eingeschränkt. Besonders starke Prädikatoren für eine eher geringere Intelligenz waren in diesem Zusammenhang auch Facetten wie Unausgeglichenheit und Depressionen.
  • Verträglichkeit: Der Hang zu Nachgiebigkeit und Kooperationsbereitschaft wies laut den Ergebnissen den geringsten Zusammenhang mit Intelligenz auf. Hingegen sind Mitgefühl und zwischenmenschliche Sensibilität "mäßig starke" Prädikatoren für geistige Fähigkeiten.

Was sagen uns die Ergebnisse? Zum einen, dass die "Big 5" in der Feststellung eines Zusammenhangs zwischen Intelligenz und der Persönlichkeit weniger brauchbar waren, als ihre einzelnen Facetten. Meint: Ein Mensch, der besonders verträglich ist, ist nicht unbedingt intelligent. Verfügt er jedoch über Sensibilität (einer Facette des Persönlichkeitsmerkmals Verträglichkeit), kann das schon eher für seine kognitiven Fähigkeiten sprechen.

"Es ist bequem, Menschen in Grundtypen zu kategorisieren", erklärt Deniz Ones, der ebenfalls an dem Datensatz mitgearbeitet hat. "Aber nur wenn wir die vielen Nuancen der Persönlichkeit einbeziehen, sehen wir die Konstellation der Eigenschaften, die wichtig sind und jemanden einzigartig machen."

Mit Blick auf die Stereotypen wird klar: Oftmals sind sie Quatsch. Das launische, unsenible Genie – eine beliebte Figur in Filmen und Serien – ist in puncto Intelligenz im echten Leben dem glücklichen, engagierten und mitfühlenden Menschen unterlegen. "Die Nette", gerne belächelt und als naiv und blauäugig verkannt, ist demnach weitaus intelligenter, als der Stereotyp vermuten lässt. Doch tauschen wir bitte nicht den einen Stereotyp gegen den anderen: Es wird noch lange dauern, bis die Forscher:innen den riesigen Datensatz vollständig untersucht haben. 

Faktoren wie Wohlstand oder Gesundheit wurden noch nicht in die Herausarbeitung von Zusammenhängen miteinbezogen. "Eine Erkenntnis ist, dass einfühlsame, glückliche und offene Menschen tendenziell intelligenter sind", so Ones. "Aber es geht um mehr als das. Wir wollen, dass die Menschen sich selbst besser verstehen, damit sie ihren optimalen Job, ihre Freund:innen, ihre Stadt, ihre Liebespartner:innen und alles andere, was ihnen wichtig ist, finden können."

Verwendete Quellen: bigthink.com, pnas.org, stanek.workpsy.ch, dictionary.apa.org, spektrum.de

csc Brigitte

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