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Hai oder Teddy? Wie du deinen eigenen Konfliktstil erkennen kannst

Zwei Ziegenböcke haben einen Konflikt
© Ionescu Bogdan / Adobe Stock
Wir alle haben Konflikte, aber wie wir sie austragen, unterscheidet sich stark. Was wir aus unseren Konfliktstilen lernen können.

Enge Beziehungen zu Menschen, ob nun zur eigenen Familie oder zu Freund:innen, können uns so viel Freude bringen – aber zwangsläufig involviert eine enge Bindung mit anderen Menschen auch Konfliktpotenzial, Verrat, Reue und Missgunst. Und gerade, wenn wir doch eigentlich eine tiefe, liebevolle Beziehung mit einer anderen Person haben, kann sich ein destruktiver Streit unüberwindbar und furchtbar schmerzhaft anfühlen. 

Doch Konflikte lassen sich im Laufe eines Lebens kaum vermeiden – wie es auch nicht zu verhindern ist, dass wir uns nahestehende Menschen versehentlich verletzen, erzürnen oder in einen Streit mit ihnen geraten. Es sollte also das Ziel sein zu lernen, wie wir uns in einem Konflikt verhalten (können) und nicht etwa, Reibungen mit unseren Mitmenschen komplett zu vermeiden. Und hierfür kann es hilfreich sein, den eigenen Konfliktstil zu kennen.

Bindungsverletzungen beeinflussen unseren Umgang mit Konflikten

Warum gelingt es uns manches Mal, in einem Konflikt die Ruhe zu bewahren und an anderen Stellen werden wir emotional, persönlich und unfair? Warum regen viele sich beispielsweise über Aussagen und Taten ihrer Eltern viel stärker auf als über ähnliche Aussagen und Taten ihrer Freund:innen? Die Psychologinnen Judy Makinen und Susan Johnson haben hierfür einen Begriff herausgearbeitet: "Bindungsverletzungen". Das meint die Wunden, die entstehen, wenn wir das Gefühl haben, von uns nahestehenden Menschen verraten, verlassen oder schlecht behandelt worden zu sein.

Solcherlei Wunden sind insofern besonders schmerzhaft, als dass sie uns dazu bringen, die Treue, Zuverlässigkeit und generelle Beziehung mit genau diesen Menschen zu hinterfragen. Durch sie wird eine Vielzahl von unterschiedlichen emotionalen Reaktionen ausgelöst wie Aggression, Groll, Angst, Vermeidung oder auch die mangelnde Bereitschaft, zu vergeben. Diese Reaktionen kommen nicht, weil wir "gerne" aggressiv sind oder weil wir grundsätzlich Konflikte meiden wollen – vielmehr sind sie ein Schutzmechanismus unserer Psyche, sie sind die Reaktion auf die Verletzungen, sie sollen uns vor größerem Schmerz bewahren und sind tief in unserer persönlichen Geschichte und Persönlichkeit verwurzelt.

Und genau hier liegt das Problem an den Bindungsverletzungen: Mitunter liegen sie eine lange Zeit zurück, haben ihren Ursprung beispielsweise in der Kindheit – und trotzdem wirken sie auch Jahre oder gar Jahrzehnte später nach, beeinflussen uns in Situationen der Gegenwart. 

Die Konfliktstile – und was wir von ihnen lernen können

Der Sozialpsychologe David W. Johnson hat in seiner Forschung verschiedene "Stile" herausgearbeitet, die zusammenfassen, welche typischen Arten es von Menschen gibt, auf Konflikte zu reagieren. Sein Argument: Bei einem Konflikt versuchen wir unsere eigenen Anliegen (Ziele) mit denen der anderen Beteiligten und mit dem Versuch der Erhaltung der Beziehung in Einklang zu bringen. Dabei skizziert er fünf Konfliktstile, die versuchen, diesen Balanceakt durchzuführen.

  • Die Schildkröte: Sie zieht sich zurück und gibt die eigenen Ziele wie auch die Beziehung auf. Das Ergebnis: in der Regel ein festgefahrener, ungelöster Konflikt.
  • Der Hai: Dieser Konfliktstil hat eine eher aggressive, energische Haltung und will die eigenen Ziele um jeden Preis schützen. Sie neigen eher dazu, während eines Konfliktes anzugreifen, einzuschüchtern und zu überwältigen.
  • Der Teddybär: Menschen dieses Stils wollen den Frieden bewahren und die Wogen möglichst glätten – dabei lassen sie ihre eigenen Ziele völlig außer Acht und opfern sich zum Wohle der Beziehung auf.
  • Der Fuchs: Der kompromissbereite Konfliktstil, der darauf bedacht ist, dass beide Seiten Opfer bringen. Sie sehen eher Zugeständnisse als Lösung an, auch wenn das für beide nicht zu einem idealen Ergebnis führen mag.
  • Die Eule: Solche Menschen betrachten den Konflikt als ein zu lösendes Problem, wobei sie offen für Lösungen sind, die beiden Parteien einen Weg bieten, die jeweiligen Ziele zu erreichen und die Beziehung aufrecht zu erhalten. Sie sind bereit, die Mühe und die Zeit zu ertragen, die diese Herangehensweise erfordert.

Studien zeigten, dass unsere Bindungsgeschichte und unsere Persönlichkeit maßgeblich beeinflussen, welchen Konfliktstil wir haben – wer beispielsweise durch frühere Bindungserfahrungen gelernt hat, dass die eigenen Gefühle unwichtig sind, neigt eher zu einem Konfliktbewältigungsstil, der die eigenen Bedürfnisse herunterspielt ("Teddybär"). Weiterhin ist ein Konfliktstil mehr oder minder festgefahren, wie Studien ergaben. Das bedeutet, dass ein Teddybär womöglich das Potenzial hat, Konfliktmanagement-Merkmale zu entwickeln, aber wohl kaum zum Hai werden wird.

Wer um den eigenen Konfliktstil weiß, kann besser erkennen, welchen (und wessen) Bedürfnissen er:sie eher zu wenig bzw. zu viel Gewicht in einem Konflikt gibt. Am Ende aller Tage sollte es jedoch das eigene Ziel sein, Vergebung zu lernen: Wir alle sind fehlbar – uns selbst eingeschlossen – wir alle haben in unserem Leben gelitten und es sollte nicht darum gehen, wer "mehr" gelitten hat. 

Vielmehr sollte das Ziel Empathie sein, , die Übernahme von Verantwortung (auch inwiefern wir einen eigenen Beitrag zu unserem Leid hatten) – und im Zweifel die Distanzierung von Menschen, die uns Verletzungen zugefügt haben, die die Beziehung irreparabel geschädigt haben.

Verwendete Quellen: relationshipinstitute.com.au, theconversation.com, sciencedirect.com, onlinelibrary.wiley.com, dlib.bc.edu

csc Brigitte

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