Anzeige

Psychologie Haben nette Menschen ein höheres Burnout-Risiko?

Illustration einer Frau mit Burnout
© Mary Long / Adobe Stock
Ein Burnout kann jede:n treffen – doch gibt es Charaktereigenschaften, die das Risiko zusätzlich erhöhen? Tatsächlich, erklärt Dr. Andreas Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

Lernen wir jemanden kennen, hoffen wir, dass die Person nett, zuverlässig, sympathisch und ehrlich ist. Wir selbst wollen auch so sein. Denn schließlich sind das doch Eigenschaften, die uns zu einem guten Menschen machen und durch die wir von anderen mehr gemocht werden. Wir haben es also leichter im Leben, wenn wir nett sind. Zumindest, was das Knüpfen von Kontakten angeht. Geht es um die Gesundheit unserer Psyche, sieht es aber anders aus.

Bekommen nette Menschen eher ein Burnout?

"Wer zu sehr auf andere Menschen Rücksicht nimmt und seine eigenen, berechtigten Interessen und Bedürfnisse ignoriert, der erhöht unter anderem sein Risiko einer Burnout-Erkrankung", erklärt Dr. Andreas Hagemann, Ärztlicher Direktor der Haku-Privatkliniken Duisburg, Eschweiler und Merbeck. Es seien häufig die Personen betroffen, die sich "selbstlos", verantwortungsbewusst und leistungsorientiert verhalten. Die versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen und es allen recht zu machen. Das große Problem dahinter, neben der Tatsache, dass wir in solchen Momenten oft überhaupt nicht mehr darauf achten, was wir selbst gerade bräuchten, ist: Nette, hilfsbereite und "selbstlose" Menschen werden oft ausgenutzt. 

"Aber auch ohne 'böse Absicht' werden 'Ja-Sager' besonders gerne belastet", weiß Dr. Hagemann. "Wenn ich etwas erledigt haben möchte, gehe ich zuerst zu der Person, von der ich erwarte, dass sie mir die Aufgabe abnimmt", erläutert er. Und wenn das dann auch der Fall ist, kann es gefährlich werden: "Es wird zur Normalität, die eigenen, vielleicht auch unangenehmen oder überfordenden Aufgaben immer bei der gleichen Person abzuladen." Die Folge: Psychische und körperliche Erschöpfung bei dieser. 

Lerne, "Nein" zu sagen

Natürlich sollen wir von nun an nicht all unsere Mitmenschen fies behandeln und nicht mehr hilfsbereit sein. Wie bei vielem gilt: Die Dosis macht das Gift. Solange wir auch auf unsere eigenen Bedürfnisse eingehen und es uns gut geht, können wir auch anderen Menschen Aufgaben abnehmen. Doch merken wir erste Anzeichen von Erschöpfung, sind ständig müde, unkonzentriert und haben vermehrt Kopfschmerzen, sollten wir zusehen, dass wir uns zunächst auf uns selbst konzentrieren, bevor sich der Zustand verschlimmert und es zu einem Burnout kommt. 

Dr. Hagemann rät: "Grenzen setzen und öfter mal freundlich, aber klar 'Nein' sagen, auch wenn es schwerfällt. Ziel sollte es sein, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, statt stets den Wünschen anderer nachzukommen." Gönne dir also einfach mal wieder ein langes Bad oder nimm dir die Zeit, dich abends aufs Sofa zu legen und ohne Ablenkung ein Buch zu lesen. Häufigere Pausen, um durchzuatmen oder das zu tun, was dir Spaß macht, empfiehlt auch der Experte.

Manchen Menschen fällt dieses "Zurückschalten" besonders schwer. "Vielfach können gerade Perfektionisten nur 'schwer herunterfahren'", betont Dr. Hagemann. Für alle sei es wichtig, die eigenen Belastungsgrenzen zu kennen und die Erwartungen anzupassen. Dabei könne es auch gut sein, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen: "Nicht selten liegen die Wurzeln für ein überzogenes Harmoniebedürfnis oder hundertprozentige 'Ordnung' bereits in Kindheit und Erziehung", erklärt der Psychotherapeut. Tiefergehende Probleme könnten so mit Unterstützung erkannt und gelöst werden.

Darauf solltest du achten

Erkennst du dich darin wieder, dass du es immer allen Menschen recht machen möchtest und mehr Aufgaben übernimmst, als dir eigentlich lieb ist? Dann solltest du ab jetzt besonders auf deinen Körper und deine Psyche achten, um einem Burnout vorzubeugen. "Kritisch wird es, wenn Betroffene nicht mehr abschalten und regenerieren können, wenn die Arbeit Denken und Handeln dominiert", warnt Dr. Hagemann. Typische Anzeichen seien außerdem:

  • Betroffene zweifeln an ihrer Leistungsfähigkeit
  • Hobbys geraten in Vergessenheit
  • Es erfolgt ein sozialer Rückzug, Treffen mit Freund:innen werden weniger
  • Der Alkohol- und Zigarettenkonsum kann steigen
  • Misstrauen, Sinnlosigkeit und Verzweiflung treten vermehrt auf 
  • Tägliche Verpflichtungen werden anstrengender
  • Kopf- und Rückenschmerzen
  • Schlafstörungen
  • Darmprobleme

Die Symptome seien grundsätzlich nicht geschlechtsspezifisch, dennoch berichtet Dr. Hagemann, dass bei Frauen vielfach die Emotionalität verändert sei und es zu einer leichteren Kränkbarkeit komme, während Männer eine reduzierte Stresstoleranz, vermehrte Reizbarkeit und aggressiveres Verhalten aufweisen würden.

Insgesamt ist die Zahl der Burnout-Erkrankungen bei Frauen höher, 5,2 Prozent leiden in ihrem Leben darunter, bei Männern sind es 3,3 Prozent. Die Gründe sind einerseits die größere mentale Belastung ("Mental Load") durch die Mehrfachbeanspruchung von Kind, Haushalt und Beruf und andererseits die Tatsache, dass Frauen psychische Erkrankungen immer noch häufiger als Männer thematisieren und sich schneller Hilfe suchen.

Wichtig für dich ist also: Achte auf dein persönliches Empfinden, wie es um deinen "Mental Load" steht, und bleib zwar hilfsbereit, aber nicht um jeden Preis – deine Gesundheit sollte stets Vorrang haben.

sas Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel