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Psychologie 5 unscheinbare Verhaltensweisen, die auch auf ein Trauma hinweisen können

Psychologie: Eine Frau mit einem Hund
© SHOTPRIME STUDIO / Adobe Stock
Einiges in unserem Leben ist komplizierter, als es scheinen mag, und so kann hinter dem, was wir oder andere Menschen tun, manchmal weitaus mehr stecken, als wir ahnen – zum Beispiel ein nicht bewältigtes Trauma oder psychischer Schmerz.

Menschen sind sehr unterschiedlich und so beobachten wir in unserem Alltag viele verschiedene Gewohnheiten, Marotten und Verhaltensweisen, bei denen wir uns kaum etwas denken. Leben und leben lassen, andere Leute haben ihre Gründe und Motivationen, ebenso wie wir selbst. 

Manchmal steckt hinter dem Verhalten einer Person – oder unserem eigenen – jedoch mehr, als wir ahnen. Manchmal haben sich Gewohnheiten oder Verhaltensmuster als Reaktion auf eine traumatische Erfahrung entwickelt, auf ein schlimmes, psychisch verstörendes Erlebnis, dem ein Mensch schutzlos ausgeliefert war und nicht entkommen konnte. Es kann sich dabei oberflächlich betrachtet um unscheinbare, vermeintlich unproblematische Gewohnheiten handeln, doch meist sind sie zur Bewältigung eines Traumas und psychischen Schmerzes ungeeignet und können daher, wenn sie eine Traumareaktion sind, zu einer schwerwiegenden Belastung werden. 

In "Psychology Today" hat die Psychologin Kaytee Gillis Verhaltensweisen aufgelistet, die uns oft begegnen und die wir üblicherweise nicht mit psychischem Leid in Verbindung bringen – obwohl sie manchmal Ausdruck von genau dem sind.

5 unscheinbare Verhaltensweisen, die unter Umständen Traumareaktionen sein können

1. Vermeiden von Telefongesprächen

In Zeiten von E-Mail, WhatsApp, Online-Lieferdiensten und -Terminvereinbarung gehört Telefonieren längst nicht mehr zu unserem Alltag. So sind Menschen, die ungern telefonieren oder telefonisch kaum zu erreichen sind, nicht gerade selten oder auffällig. Passt jetzt nicht, keine Lust, zu bequem – es gibt jede Menge harmlose Gründe, nicht ans Telefon zu gehen. Doch manchmal steckt hinter dem Vermeiden von Telefongesprächen mehr.

Einige Menschen versetzt ein eingehender Anruf in einen Zustand großer Angst und intensiven Stresses. Vermeintlich harmlose Telefonate kosten diese Menschen mitunter viel Energie und Überwindung und stellen für sie einen Akt in ihrem Alltag dar, auf den sie sich einstellen und vorbereiten müssen. In ihrer Wahrnehmung birgt jedes Telefongespräch die Gefahr, in eine Lage zu geraten, in der sie sich hilflos und überfordert fühlen – weil sie eine erbetene Auskunft nicht geben können, weil sie die Person am anderen Ende der Leitung nicht kennen oder einschätzen können oder weil sie möglicherweise nicht schnell genug die richtigen Worte finden.

Viele dieser Menschen haben in ihrer Vergangenheit Situationen oder Phasen erlebt, in denen sie sich ausgeliefert fühlten oder bloßgestellt oder ohnmächtig, die eigenen Grenzen zu behaupten, und haben dadurch eine übermäßige Angst vor Kontrollverlust entwickelt. 

2. Sich in Gruppensituationen zurückziehen oder schweigen

Dass es an einem Tisch, an dem mehrere Menschen sitzen, stillere Persönlichkeiten gibt und einige Leute öfter auf ihr Handy schauen, als sich an dem Gespräch zu beteiligen, ist erst einmal nicht ungewöhnlich. Manchmal schweigen Menschen oder entziehen sich einer Gruppe allerdings, weil die Situation Gefühle in ihnen weckt, die sie überwältigen, und weil die Teilnahme an dem Gruppenerlebnis ihnen aus diesem Grund nicht möglich ist. 

Laut Kaytee Gillis beruht dieses Phänomen oft auf Erfahrungen von Chaos und Alleingelassenwerden während der Kindheit. Die Betroffenen haben erlebt, Verantwortung übernehmen und sich um Angelegenheiten kümmern zu müssen, denen sie eigentlich nicht gewachsen waren. Befinden sie sich nun als Erwachsene in einer Gruppensituation, in der es viele Eindrücke zu verarbeiten und viele Signale zu beachten gilt, kann das bei ihnen Angst auslösen, in einen ähnlichen Überforderungszustand versetzt zu werden wie den aus ihrer Kindheit.

3. Ständiges, oft unangemessenes Entschuldigen

Viele Menschen haben einen Hang dazu, sich eher einmal zu viel zu entschuldigen als zu wenig. Oft aus Gründen der Höflichkeit, vermittelt durch die Erziehung oder aus dem natürlich menschlichen Interesse heraus, sich möglichst wenig Feinde zu machen. Bei einigen Personen steckt hinter ihren häufigen, meist unangebrachten Entschuldigungen allerdings ein übermäßiges und andauerndes Scham- oder Schuldgefühl, das sich bei ihnen womöglich durch Erfahrungen von Ausgrenzung, Ablehnung oder emotionalem Missbrauch während der Kindheit eingestellt hat.

4. Auffällige Schreckhaftigkeit

Dass wir uns bei lauten Geräuschen oder plötzlichen, unvorhergesehenen Berührungen und Begegnungen erschrecken, ist weder bemerkenswert noch ein Grund zur Sorge. Allerdings kann, so Kaytee Gillis, Schreckhaftigkeit mitunter mit einem unverarbeiteten Trauma in Verbindung stehen, da dieses zu einem Ungleichgewicht im Nervensystem führen kann, aus dem wiederum meist eine erhöhte Reizbar- und Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen folgt.

5. Ungewöhnliches Ess- oder Trinkverhalten

Menschen sind unterschiedlich und wer was isst oder trinkt, lässt in der Regel keinerlei Rückschlüsse auf das mentale Befinden einer Person zu. Manche Menschen nehmen nun einmal lieber wenige große Mahlzeiten zu sich, andere viele kleine, einige mögen fast alles und andere fast nichts. Und trotzdem: Einige Personen, die in ihrem Leben mit Situationen oder Phasen konfrontiert waren, die sie weder bewältigen noch denen sie entkommen konnten, kompensieren ihren Schmerz durch ihre Ernährung und/ oder Alkohol. Insofern kann hinter manchem auffälligen Essverhalten oder Alkoholkonsum ein traumatisches oder psychisch belastendes Erlebnis stecken. 

Und nun?

Niemand kann und muss immer jeden Menschen richtig verstehen und einschätzen. Die Gründe, die andere Menschen zu ihrem Handeln veranlassen, gehen uns im Allgemeinen nichts an, es sei denn, diese Menschen stehen uns nahe oder was sie tun, tangiert unser Leben. Doch zu einem respektvollen Umgang und zu einer respektvollen Einstellung gegenüber Menschen gehört eben genau das: Uns dessen bewusst sein, dass wir nicht wissen, was in ihnen vorgeht. Wir wissen nicht, welche Kämpfe sie führen, welche Probleme sie mit sich herumschleppen, welche Erfahrungen sie geprägt haben. Das Bild oder das Urteil, das wir uns von anderen machen, kann deshalb niemals vollständig oder korrekt sein und so zu tun, als ob es das wäre, wäre ignorant und respektlos. 

Betrachten wir wiederum uns selbst, gehen uns die Beweggründe unseres Handelns sehr wohl etwas an. Auch hier müssen und können wir nicht jeden unserer Schritte und jedes unserer Gefühle bis ins letzte Detail verstehen. Wenn sich aber hinter unseren Verhaltensmustern unverarbeiteter Schmerz verbirgt, wäre es sinnvoll, dass wir dem nachgehen und uns damit auseinandersetzen. Tun wir das nicht, bleiben wir nämlich Gefangene unseres Traumas und unserer Vergangenheit. Und es gibt keinen Grund, das hinzunehmen.

Verwendete Quelle: psychologytoday.com

sus Brigitte

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