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Psychologie 6 Sätze, die nur unreflektierte Menschen wirklich ernst meinen können

Psychologie: Eine genervte, ungläubige Frau
© Roquillo Tebar / Shutterstock
Natürlich wollen und können wir nicht immer jedes Wort auf die Goldwaage legen. Doch spätestens beim zweiten Mal Nachdenken würden wir von diesen Sätzen wahrscheinlich Abstand nehmen. Oder?

Die meisten Menschen quatschen zwischen morgens und abends jede Menge Unfug. Und wer wollte uns das vorwerfen? Schließlich wäre es unfassbar anstrengend, uns über alles, was wir sagen, ausführliche Gedanken zu machen. Und am Ende wären wir wahrscheinlich so verunsichert, dass wir gar nichts mehr zu äußern wagten. Insofern ist es sogar klug, im Alltag von allzu viel Nachdenken Abstand zu nehmen und gelegentlich bis häufig einfach heraussprudeln zu lassen, was uns in den Sinn kommt. Zumindest solange wir erkennen, zu welchen Aussagen wir nach reiferer Überlegung nicht mehr unbedingt stehen würden, sollten wir nochmal darüber nachdenken – etwa weil jemand nachfragt oder wir gerade einen Moment Zeit haben.

Wer zum Beispiel folgende Sätze fallen lässt und trotz Nachdenken daran festhält, scheint mit dem Reflektieren ein Problem zu haben. Oder ist womöglich klüger als wir alle zusammen.

6 Sätze, die nur unreflektierte Menschen wirklich ernst meinen können

1. "Man darf keine Vorurteile haben."

Darf man nicht? Dann haben wir eventuell ein Problem. Dummerweise ist unser Gehirn nämlich darauf ausgelegt, zu kategorisieren und Neues aufgrund von bekannten Informationen und Erfahrungen in Schubladen einzusortieren. Diese Methode wendet es eiskalt auf alles an, womit wir konfrontiert werden – auch auf Menschen. Natürlich ist es unfair, wenn wir Angst haben, nur weil die Person, die mit uns an der dunklen Bushaltestelle steht, ein Mann mit Bierflasche in der Hand ist und keine Frau mit Kind. Doch indem wir uns ein- und zugestehen, Vorurteile zu haben, können wir uns und unsere Gefühle viel besser verstehen, dadurch unser Verhalten kontrollieren und Menschen trotz dieser lästigen Schubladen in unserem Kopf fair(er) behandeln. Das wiederum ermöglicht uns, Erfahrungen zu sammeln, die unsere Schubladen verändern. 

2. "Ich werte nicht, ich bin absolut tolerant."

Genauso wenig wie wir unser Gehirn daran hindern können, Dinge und Menschen in Schubladen zu stecken, können wir ihm verbieten, zu werten, und uns davon freimachen, alles entweder gut oder doof, richtig oder falsch, schön oder hässlich zu finden. Doch genau wie bei Vorurteilen gilt auch hier: Das Bewusstsein darüber ist die Voraussetzung, um die eigenen Bewertungen zu hinterfragen und sich offener und toleranter zu verhalten. Und das ermöglicht unseren Werteskalen einen Gewinn an Komplexität. 

3. "Das hätte ich besser hinbekommen."

Es sagt sich so leicht dahin, dass man sich in einer bestimmten Situation besser (apropos bewerten ...) verhalten hätte als eine andere Person. Doch erstens können wir das niemals wissen und zweitens sind wir nicht die andere Person, deshalb macht es Null Komma Null Sinn, sich zu vergleichen. Manche reagieren zum Beispiel auf Druck und Stress hypersensibel und vergessen fast ihren Namen, andere bleiben cool und abgebrüht. Wir alle geben in der Regel stets unser Bestes und verhalten uns so, wie wir es eben gerade können. Wer von sich behauptet, er könnte die Rolle eines anderen Menschen besser spielen als dieser Mensch selbst, hat nicht zu Ende gedacht. 

4. "Horoskope sind Quatsch."

Wer über etwas, das auch nur für einen Menschen Bedeutung hat oder eine Person interessiert, sagt, es wäre Quatsch, offenbart damit nicht nur eine fette Portion Respektlosigkeit (und Horoskope interessieren bekanntlich weitaus mehr als eine Person ...). Religion, Mythos, Kunst – all das sind Konzepte, die uns dabei helfen, die Wirklichkeit zu verarbeiten und zu begreifen. Der Philosoph Ernst Cassirer prägte dafür den Begriff symbolische Formen – zu denen er neben den genannten auch Sprache und Wissenschaft zählt. Ob wir an Horoskope glauben oder nicht, sie bereichern uns und unsere Vorstellungswelt und es hat absolute Berechtigung, sich damit zu beschäftigen. Und ganz davon abgesehen: So leicht von der Hand zu weisen, dass alles im Universum irgendwie zusammenhängt und sich die Konstellation der Sterne und Planeten auf unser Leben auswirkt, ist es nun wirklich nicht.

5. "Das ist die Wahrheit."

Was ist schon Wahrheit? Ganz im Ernst, über diese Frage grübeln Philosoph:innen seit Jahrtausenden und einig sind sie sich bis heute nicht. Wir alle wissen vergleichsweise wenig und sehen aus unserer Perspektive nur einen winzigen Bruchteil des Ganzen. Wie sollten wir von etwas mit Sicherheit sagen können, dass es wahr ist – abgesehen vielleicht von den Dingen, die sich in unserem Innern abspielen? Wir können ehrlich sein, eine Meinung dazu haben, was wahr ist und was nicht, doch ernsthaft zu glauben, dass unsere Auffassung näher an "der Wahrheit" ist als die einer anderen Person, oder ihr gar eins zu eins entspricht, erschiene bei genauerer Betrachtung ein kleines bisschen größenwahnsinnig, oder?

6. "Du hast die falsche Einstellung."

Mit der richtigen Einstellung können wir Berge versetzen – blablablabla. Es mag ja stimmen, dass unser Mindset eine gewaltige Rolle in unserem Leben spielt. In der Regel ist es schließlich das Element, auf das wir am meisten Einfluss haben. Aber hundertprozentig kontrollieren können wir eben auch unsere Einstellung nicht immer. Wenn wir zum Beispiel völlig übermüdet sind, weil wir nur zwei Stunden geschlafen haben, ist es alles andere als leicht, sich zur Arbeit zu motivieren und dankbar zu sein, dass wir eine Aufgabe haben. Außerdem setzt, einem Menschen zu sagen, er habe die "falsche" Einstellung (hello again, Wertung, übrigens ...), nicht nur voraus, dass wir wissen, was die richtige Einstellung ist, sondern auch, dass wir seine Ziele und seinen Lebenssinn kennen – um was zu erreichen, ist seine Einstellung denn falsch? Und das ist entweder ein Ausdruck von krasser Selbstüberschätzung. Oder von einzigartiger Weisheit ...

Verwendete Quellen: "Essay on Man" (Ernst Cassirer), "Wie du bewirkst, dass dir Gutes widerfährt" (Marian Rojas Estapé)

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