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Psychologie Warum ich keine Hobbys habe

Frau vor einer grünen Wand: Warum ich keine Hobbys habe
© Look! / Adobe Stock
"Und, was sind so deine Hobbys?" Unsere Autorin gerät hier regelmäßig ins Straucheln und stellt sich die Frage, warum das so ist – und was genau eigentlich ein Hobby ist.

In Jugendtagen hatten meine Freundinnen und ich "Freundebücher", die wir alle fleißig mit unseren persönlichen Infos, Lieblings-Boybands und anderen relevanten Dingen befüllt haben. Haarfarbe, Wohnort, Lieblingstier – alles kein Problem. Ein wenig nervös wurde ich aber, wenn es um die Hobbys ging. Denn wenn ich ehrlich bin – und das gilt für mich als 13-Jährige ebenso wie für mein heutiges 37-jähriges Ich –, müsste da stehen: lesen und Katzen streicheln. Aber reicht das als Hobby?

Was ist eigentlich ein Hobby?

Laut Duden-Definition ist ein Hobby eine "als Ausgleich zur täglichen Arbeit gewählte Beschäftigung, mit der jemand seine Freizeit ausfüllt und die er mit einem gewissen Eifer betreibt". Gut, Lesen füllt meine Freizeit aus und hilft mir, einen Ausgleich zur Arbeit zu finden. Aber ob ich es "mit einem gewissen Eifer" betreibe? Klingt mir schon wieder ein bisschen zu sehr nach Selbstoptimierung. Wieso brauche ich in meiner Freizeit "Eifer"? Ich denke, das Hobby soll als "Ausgleich" dienen?

Diese Definition passt wunderbar in unsere von Selbstoptimierung getriebene Social-Media-Gesellschaft. Ständig geht es nur darum, was uns etwas bringt, wie es uns besser und produktiver macht. Damit kann ich übrigens bei meiner Bücherliebe sogar dienen: Denn laut einer Studie leben Menschen, die mehr als 3,5 Stunden pro Woche lesen (tue ich definitiv), 23 Monate länger als Menschen, die gar nicht lesen. Ist das "Ausgleich" und instagrammable genug?

Mein Eindruck ist, dass vor allem Frauen sich häufig sehr viele Gedanken darüber machen, wie ihre Hobbys auf andere wirken, ob sie gerade besonders cool sind, und eben: ob sie dem allgegenwärtigen Trend der Selbstoptimierung dienen. Vor einiger Zeit waren Stricken und andere "Oma-Hobbys" wahnsinnig angesagt. Aber gefühlt ging es dabei weniger um die Aspekte, die unsere Großmütter angetrieben haben (etwas Warmes zum Anziehen, eine Beschäftigung vor dem Kamin oder Fernseher, Entspannung), sondern viel mehr darum, cool zu sein, dem Zeitgeist zu entsprechen und Content für Social Media zu produzieren. Sieht ja auch schick aus, so ein selbstgestrickter Schal.

Was soll die Frage nach den Hobbys überhaupt?

Fangen wir doch an einem ganz anderen Punkt an: Wieso fragen wir überhaupt nach Hobbys, ist das Konzept nicht total veraltet? Haben wir so sehr das Bedürfnis, unser Gegenüber einordnen zu können, oder sagen wir es, wie es ist: in eine Schublade zu stecken? Denn was zählen wir als Hobby? Einen Sport, eine Tätigkeit, bei der wir etwas herstellen? Für viele Menschen ist ein Hobby etwas, über das sie sich als Person definieren und auch profilieren. Denn wenn eine Person uns erzählt, dass sie in ihrer Freizeit Polo spielt, zeichnet das vermutlich ein anderes Bild, als wenn sie sagt, dass sie ihren VW Golf tunt.

Auch wenn Lesen offenbar der Definition eines Hobbys entspricht, tue ich mich trotzdem schwer damit, es als solches zu bezeichnen. Als ich meinen Mann gefragt habe, was sein Hobby sei, kam sofort die Antwort: Laufen. Ich dagegen würde nie auf die Idee kommen, meine ungelenken Bewegungsversuche mit YouTube-Fitness-Videos oder auf dem Laufband als Hobby zu bezeichnen. Liegt es daran, dass ich mich unsportlicher fühle als mein Mann? Bin ich darin nicht gut genug, um es als Hobby zu zählen? Sport ist für mich etwas, das ich brauche, damit es mir körperlich und geistig gut geht, aber Spaß habe ich daran definitiv nicht.

Das ist bei meinem Mann anders, ihm macht Laufen tatsächlich Freude. Aber der Produktivitätsgedanke spielt hier auch wieder eine Rolle: Er trainiert aktuell für einen Halbmarathon und läuft deshalb nach einem speziellen Trainingsplan mit einem klaren Ziel vor Augen. Ist das der Grund, warum Laufen für ihn als Hobby durchgeht?

Frauen tun sich mit Hobbys oft schwerer als Männer

Als ich die Frage nach dem Hobby einigen meiner Freundinnen gestellt habe, bekam ich eher verhaltene Antworten: "Serien schauen" oder "Für Hobbys habe ich keine Zeit". Besonders interessant: Eine Freundin, die mindestens ebenso viel läuft wie mein Mann, würde das Joggen trotzdem nicht als Hobby bezeichnen. Woher kommt diese Diskrepanz zwischen Männern und Frauen? Gibt es möglicherweise sogar eine Art Gender Hobby Gap?

Klar ist: Frauen haben im Schnitt weniger Freizeit als Männer – laut dem "Freizeit-Monitor", einer Studie zum Thema Freizeitaktivitäten in Deutschland, sogar 22 Minuten pro Tag weniger. Das hängt sicher vor allem mit der Rollenverteilung zusammen und damit, dass Frauen sich immer noch mehr um Kinder, pflegebedürftige Angehörige und/oder den Haushalt kümmern. Haben sie deshalb auch weniger Hobbys? Weil ihnen Zeit und Energie dafür fehlen? Oder haben sie eher als Männer das Gefühl, dass bestimmte Beschäftigungen, denen sie gerne nachgehen, nicht als Hobby "ausreichen"?

Vielleicht ist das der Punkt, warum sich etwas in mir sträubt, Lesen als Hobby zu bezeichnen, obwohl ich einen großen Teil meiner freien Zeit damit verbringe (im Schnitt sicher mehr Zeit, als mein Mann mit Laufen und der Auseinandersetzung damit). Unbewusst verbinde ich mit dem Wort Hobby etwas, das einer Person Freude bereitet und ihr beim Abschalten hilft – aber eben auch ein Ziel verfolgt oder zumindest ein sinnvolles Ergebnis hervorbringt. Und in meinem Gefühl reicht "Ich habe die achtteilige Fantasyreihe meiner Lieblingsautorin innerhalb weniger Wochen ausgelesen" nicht als sinnvolles Ergebnis.

Braucht ein Hobby ein Ziel?

Aber wieso eigentlich nicht? Wieso sollte das weniger wert sein, als einen Schal zu stricken, eine bestimmte Zeit oder ein bestimmtes Tempo zu laufen oder ein Aquarellbild zu malen? Denn wir sollten doch selbst definieren, was für uns persönlich sinnvoll ist und uns guttut, und nicht krampfhaft den Vorstellungen der Gesellschaft genügen wollen, wie ein "richtiges" Hobby auszusehen hat.

Denn so unterschiedlich man Hobbys, ihre Definition, ihren Wert und ihre gesellschaftliche Stellung betrachten kann, eins sollten sie ganz sicher nicht: uns unter Druck setzen und uns das Gefühl geben, nicht gut genug zu sein. Das tun schon genug Dinge in unserer Gesellschaft. Und schließlich sollen Freizeitbeschäftigungen – wie auch immer wir sie nun nennen möchten – uns entspannen, zerstreuen und Spaß machen und nicht ein weiterer Stressor sein.

Von jetzt an werde ich also versuchen, auf die Frage nach meinen Hobbys klar und bestimmt "Lesen" zu antworten. Aber in erster Linie hoffe ich, dass die Frage einfach weniger gestellt wird.

Brigitte

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