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Zwiespalt Darf ich glücklich sein, wenn jemand in meinem Umfeld es nicht ist?

Silhouette traurige und glückliche Person
© lidiia / Adobe Stock
Geht es einer uns nahestehenden Person nicht gut, wollen wir für sie da sein. Oft fühlen wir uns dann sogar schlecht, wenn wir zwischendurch mal Spaß haben. Unsere Autorin fragt sich: Darf ich glücklich sein, wenn es anderen schlecht geht?

Wenn meine beste Freundin traurig ist, leide ich mit ihr. Geht es meinem Partner nicht gut, würde ich ihm sowohl körperliche als auch seelische Schmerzen am liebsten abnehmen. In solchen Momenten teile ich die Emotionen meines Gegenübers ganz automatisch, saß nicht selten plötzlich auch weinend daneben. 

Doch es gibt auch Tage, da habe ich einfach gute Laune. Ich habe eine schöne Unternehmung mit anderen Freund:innen geplant. Oder ich habe gutes Feedback zu einem Artikel bekommen. Was ist dann? Es fühlt sich an wie ein Zwiespalt. Ich fühle mich schuldig, weil ich glücklich bin, obwohl es einer mir so nahestehenden Person nicht gut geht. Müsste ich nicht mehr für sie da sein? Mit ihr zusammen traurig sein und durch diese Phase gehen? Auf der anderen Seite möchte ich auch einfach weiter leben, Spaß haben. 

Darf ich glücklich sein, wenn jemand in meinem Umfeld es nicht ist?

Dieser innere Konflikt beschäftigt mich seit einiger Zeit. Und ich scheine wohl nicht die Einzige zu sein. Auch in einem Interview, das ich kürzlich führte, sprach mein Gegenüber die Thematik an, obwohl es gar nicht konkret darum ging. Ich sprach mit Freund:innen darüber, die mir bestätigten, dass sie das Gefühl auch kennen würden. Das war meine erste wichtige Erkenntnis: Nicht nur ich fühle mich hin- und hergerissen zwischen helfen und weiterhin Spaß haben. Allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach wird es dann doch auch der Person, der es jetzt gerade schlecht geht, in ihrem nächsten Hoch, wenn es dann beispielsweise mir nicht gut geht, genauso gehen. Statt mich sofort schuldig zu fühlen, kann ich also auf Verständnis treffen. Ich kann nicht nur, sondern ich werde.

Dass ich glücklich sein darf, auch wenn es jemand anderem schlecht geht, hat aber noch einen anderen Grund: Ich muss Kraft tanken. Wie soll ich für meine Mitmenschen da sein, wenn ich selbst gar keine Energie dafür habe? Auch wenn ich anderen gern in schwierigen Phasen helfe, es raubt mir Kraft. Es ist anstrengend und belastend. Natürlich für die betroffene Person noch viel mehr, aber auch für mich. Und wenn ich mir dann nicht zwischendurch bewusst Zeit nehme zu regenerieren, kurz auf andere Gedanken zu kommen und auch mal ausgiebig zu lachen, werde ich selbst noch ausgelaugter, als ich es ohnehin schon werde. Statt mein Gegenüber aufzubauen, ziehen wir uns dann im Zweifelsfall beide nur noch weiter herunter.

Fazit

Auf die Frage "Darf ich glücklich sein, wenn jemand in meinem Umfeld es nicht ist?" sollte die Antwort also nicht mal sein, "Ja, ich darf", sondern eigentlich sogar "Ja, ich muss." Denn nur wenn ich mir bewusst Zeit für meine persönlichen Glücksmomente nehme, fülle ich meinen Akku wieder auf und kann in der Folge gestärkt für die mir nahestehende Person da sein. Schuldgefühle sind in dieser Situation absolut fehl am Platz, denn nicht nur möchte mein Gegenüber sowieso, dass es mir gut geht und ich weiterhin Spaß habe, sondern er:sie versteht auch völlig, wieso ich genau diese Zeit für mich brauche. Denn andersherum wäre es genauso.

Brigitte

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