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Laut Wissenschaft Das sind die Schlüsselelemente der stärksten Freundschaften

Psychologie: drei Frauen auf dem Sofa
© Viacheslav Yakobchuk / Adobe Stock
Freundschaften sind für manche Menschen wichtiger als Partnerschaften und Familie. Ein Team von Wissenschaftler:innen hat untersucht, welche Merkmale starke Freundschaften kennzeichnen und wie sie sich mit der Zeit verändern.

In dem Buch "Five Star Weekend" von Elin Hilderbrand lädt die Hauptfigur Hollis vier Freundinnen zu einem Wochenende auf der amerikanischen High-Society-Insel Nantucket ein: eine Freundin aus jedem Lebensabschnitt. Hollis' beste Freundin aus der Schulzeit, ihre beste Freundin aus ihren Jahren am College, die Frau, mit der sie als junge Mutter und Ehefrau am engsten war, und ihre gegenwärtige vermeintlich beste Freundin – das ist die Zusammensetzung für das Fünf-Sterne-Wochenende. Und während sich die äußerst charmant und toll geschriebene Geschichte entwickelt und Lesende mit auf eine spannende, lohnenswerte Reise nimmt, wird sie sicher viele Menschen dazu anregen, sich zu fragen: Wen würde ich zu so einem Wochenende einladen? Wer hat mich auf meinem bisherigen Lebensweg begleitet, geprägt und kennengelernt? 

Freundschaften spielen im Leben vieler Menschen eine zentrale Rolle. Unsere Freund:innen waren für uns da, wenn wir uns als Teenies mit unseren Eltern gestritten haben. Sie haben mit uns gefeiert, wenn das Semester zu Ende war, uns getröstet, als unsere erste große Partnerschaft in die Brüche ging. Manche Menschen haben eine:n beste:n Freund:in fürs Leben, andere können wie Hollis eine:n pro Lebensabschnitt benennen. Was sind die Regeln der Freundschaft? Was macht eine echte Freundschaft aus? Können wir Freundschaften überhaupt miteinander vergleichen? Unter anderem diese Fragen hat eine Gruppe von Wissenschaftler:innen aus Istanbul untersucht. 

Die fünf Kernbestandteile echter Freundschaften

Als Freundschaft definieren die Forschenden dabei "freiwillige und gegenseitige Beziehungen, die Anteilnahme, eine gemeinsame Geschichte, Intimität und Wertschätzung beinhalten". Dass sich unsere Freundschaften im Laufe unseres Lebens deutlich in ihrer Qualität und Quantität verändern, erklären sie damit, dass sich unsere Bedürfnisse und Ansprüche mit der Zeit wandeln. So brauchen wir als Kinder Freund:innen, die mit uns spielen und uns integrieren, als Heranwachsende solche, die mit uns feiern und uns dabei helfen, unser Selbstvertrauen zu entwickeln, und als Erwachsene tun uns Menschen gut, die uns zuhören, unsere Interessen teilen, zu unserem Temperament passen. Wir können jederzeit unterschiedliche Freund:innen für unterschiedliche Seiten von uns haben, doch meistens wird es eine Seite geben – und eine:n Freund:in –, die zu einer bestimmten Zeit in unserem Leben den größten Raum einnimmt. 

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler:innen sich auf junge Erwachsene konzentriert und sie zu ihren bestehenden Freundschaften befragt. Der Katalog enthielt unter anderem Fragen wie:

  • Was bedeutet Freundschaft für dich?
  • Was bedeutet dir dein:e beste:r Freund:in?
  • Beeinflusst deine Freundschaft deine Lebensgewohnheiten?
  • Hat sich deine Wahrnehmung von Freundschaft mit der Zeit verändert?
  • Was teilst du mit deinen besten Freund:innen?
  • Streitest du mit deinen besten Freund:innen? Worüber streitet ihr? Wie löst ihr Konflikte?

(Sich diese Fragen selbst einmal zu stellen, ist übrigens nicht uninteressant.) Basierend auf den Antworten haben die Forschenden folgende fünf Kernbereiche von Freundschaften identifiziert und dabei Schlüsselelemente ausgemacht, die die einzelnen Bereiche enthalten, wenn es sich bei der betreffenden Beziehung um eine starke Freundschaft handelt.

Verhaltensebene

Auf der Verhaltens- oder Erlebnisebene verzeichneten die Wissenschaftler:innen als wichtige Bestandteile einer Freundschaft unter anderem den Austausch von Gefühlen und Gedanken sowie gemeinsame Aktivitäten. Schöne Momente miteinander zu verbringen, gehöre ebenso zu einer Freundschaft wie einander zu unterstützen, sei es finanziell, emotional oder sozial. Außerdem zeichne eine Freundschaft aus, dass wir uns selbst zugunsten der anderen Person zurücknehmen und dass beide Seiten ihre Grenzen wahren können.

Kognitive Ebene

Für die kognitive Ebene nennen die Wissenschaftler:innen als Kernelemente gegenseitiges Vertrauen und ein Gefühl von Sicherheit. Freund:innen harmonierten miteinander und ergänzten sich gegenseitig. Beide beziehungsweise alle Beteiligten verspürten ein Interesse beziehungsweise Entschlossenheit, die Freundschaft zu erhalten, und empfänden füreinander Respekt, Sorge und Achtsamkeit.

Gefühlsebene

Für die Gefühlsebene führen die Forschenden als entscheidende Punkte eine emotionale Bindung an sowie das Gefühl, dass die:der Freund:in unser Leben erfüllt und bereichert. Die Vorstellung, sie wäre nicht mehr da, würde Angst und Trauer auslösen, ohne die Person würde uns etwas Wichtiges fehlen.

Strukturelle Eigenschaften

Als strukturelle Eigenschaften einer Freundschaft identifizierten die Wissenschaftler:innen im Rahmen ihrer Befragung als wichtige Bestandteile Transparenz und Aufrichtigkeit, Ähnlichkeiten, aber gleichzeitig die Bereitschaft, Unterschiede und Besonderheiten aneinander zu schätzen sowie Gefühle und Verhalten der anderen Person zu erwidern. 

Entwicklungsebene (insbesondere bei jungen Erwachsenen)

Zu der Entwicklungsebene, die gerade für jüngere Erwachsene eine große Rolle spielt, aber ebenso später im Leben wichtig sein kann, zählen die Forschenden Punkte wie dazu beitragen, dass die andere Person wachsen und sich finden kann, sich von Idealen und Perfektionsstreben abkehren und einen Menschen mit Fehlern und Schwächen akzeptieren und sich in wandelnde Lebensumstände einfinden – etwa durch den Beginn einer Partnerschaft oder die Gründung einer Familie.

Lässt sich Freundschaft wissenschaftlich beschreiben?

Es kann spannend und aufschlussreich sein und vor allem Spaß machen, über die eigenen Freundschaften anhand dieser fünf Bereiche nachzudenken und die einzelnen Merkmale mehr oder weniger darin wiederzufinden. Doch wie könnte die Zusammenfassung einer Befragung mehrerer Menschen jemals einer einzigen, individuellen Freundschaft gerecht werden und sie beschreiben? Wie könnte sie erfassen oder erklären, wie sehr und warum wir mit unserer Freundin mitleiden, wenn es ihr schlecht geht? Wieso wir hundertprozentig wissen, dass wir uns verstehen, selbst wenn wir uns Jahre nicht gesprochen haben? Wie leicht es ist, einer:m Freund:in zu verzeihen, weil wir nicht einen Gedanken daran verschwenden würden, dass er:sie uns absichtlich verletzen könnte? Freundschaften sind interessante Beziehungsformen, über die Wissenschaftler:innen sicherlich noch sehr viel herausfinden, lernen und uns weitergeben können. Doch was uns unsere Freundschaften bedeuten – und wen wir zu unserem Five Star Weekend einladen würden – können wir am besten selbst beantworten.

Verwendete Quellen: psychologytoday.com, researchgate.net

sus Brigitte

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