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Psychologie Wie du aus deinen Fehlern lernen kannst – und warum das nicht immer leicht ist

Psychologie: Eine Frau mit einem wegfliegenden Schirm
© Cristina Conti / Adobe Stock
Aus Fehlern zu lernen, ist oft weniger leicht, als viele Menschen denken. Was uns daran hindern kann und wie wir diese Hindernisse überwinden, liest du hier.

Einer der schönen und tröstlichen Aspekte von Fehlern ist die Tatsache, dass wir aus ihnen lernen können. All unsere Erfahrungen prägen uns, die schmerzhaften und emotionalen ganz besonders. Im Idealfall machen sie uns klüger, kompetenter, erfolgreicher und glücklicher. Von selbst tritt dieser Idealfall allerdings nicht ein, zumindest nicht immer. 

Forschende der University of Chicago haben untersucht, wie wir am besten aus Fehlern lernen und was uns dabei oft im Weg steht. Die größten Hindernisse und wie wir sie umgehen.

4 Gründe, warum wir oft weniger aus Fehlern lernen, als wir könnten

1. Unser Ego

In den seltensten Fällen bleiben wir cool und gelassen, wenn etwas nicht so klappt, wie es sollte. Stattdessen werden wir emotional: Wir ärgern uns, sind enttäuscht und frustriert, werden wütend auf uns selbst. Wir fühlen uns schlecht. Oft äußern sich diese Gefühle in destruktiven Gedanken, zum Beispiel "ich bin einfach zu dumm", "ich kann gar nichts", "ich bin ein Versager", oder Reaktionen, zum Beispiel nach einem kleinen Rückschritt alles aufgeben. Das allein kostet mentale Energie, die uns an anderer Stelle fehlt – etwa zur Fehleranalyse.

Außerdem steht dieses "wir fühlen uns schlecht" im Konflikt mit einem unserer grundlegendsten Ziele: Uns gut fühlen und mit uns selbst zufrieden sein. Fehler greifen unser Ego an, kratzen an unserem Selbstwert, und wecken deshalb den Impuls in uns, uns von ihnen zu distanzieren und sie schnellstmöglich zu vergessen. Wenn wir das aber tun, können wir nur wenig daraus lernen.

Überwinden können wir dieses Hindernis, indem wir unser Ego entweder etwas aus der Angelegenheit herausziehen oder es stärken. Es herauszuziehen kann so aussehen, dass wir nicht die "Ich"-Form verwenden, wenn wir die Ereignisse für uns rekapitulieren, sondern unseren Namen: Statt "Ich habe zu viel Wein getrunken" sagen wir "Heidi hat zu viel Wein getrunken". Das kann dabei helfen, die Gründe, Konsequenzen und alternative Verhaltensweisen neutraler und nüchterner zu betrachten. 

Unser Ego stärken können wir beispielsweise, indem wir uns unsere Erfolge und Fähigkeiten vor Augen führen. Wir könnten uns etwa an einen Abend erinnern, an dem wir nur ein Glas Wein getrunken haben, eine super Zeit hatten und uns am nächsten Tag fit und ausgeschlafen fühlten. Ein anderer Weg zur Stärkung des Egos kann sein, unsere Fehler zu nutzen, um andere Menschen davor zu bewahren: Wenn wir ihnen davon erzählen und berichten, was wir gelernt haben, kann uns das nicht nur eine gewisse Distanz zu unserem Erlebnis schenken, sondern obendrein auch noch ein positives Gefühl von Autorität und Selbstwert.

2. Kognitive Barrieren

Eine kognitive Barriere, die uns beim Lernen aus unseren Fehlern im Weg stehen kann, ist die Tatsache, dass wir überrascht sind, weil wir mit einem anderen Ausgang gerechnet haben. Was wir nicht erwarten, fällt uns gedanklich oft schwerer zu akzeptieren als das, was wir für wahrscheinlich oder als gegeben annehmen. Außerdem müssen wir nach einem Fehler analysieren, was genau der Grund für unser Scheitern war, und uns eine neue Strategie überlegen, mit der wir besser fahren. Das ist sehr viel aufwendiger, als aus einem Erfolg zu lernen: Da müssen wir schließlich nur wiederholen, was wir schon einmal getan haben. 

Dieses Hindernis können wir überwinden, indem wir die kognitiven Ressourcen erhöhen, die wir in die Aufarbeitung unserer Fehler stecken, also: Mehr Zeit nehmen. Außerdem kann es sinnvoll sein, etwas Zeit verstreichen zu lassen, ehe wir noch einmal zurückblicken und die Angelegenheit mit mehr Abstand und weniger Emotion betrachten. Die bereits genannte Strategie, das Ego ein bisschen herauszunehmen, kann ebenfalls Ressourcen freisetzen.

3. Gewisse Persönlichkeitsmerkmale

Manche Menschen tun sich aufgrund ihrer Persönlichkeit ein wenig schwerer damit als andere, konstruktiv mit ihren Fehlern umzugehen. Neurotische Charakterzüge führen beispielsweise tendenziell dazu, dass wir nach einem Scheitern in erster Linie Angst verspüren, bei einem erneuten Versuch wieder zu scheitern. Wir werden dann zwar aus unserem Fehler lernen, allerdings nicht, wie wir ihn beim nächsten Anlauf vermeiden, sondern dass wir lieber keinen weiteren Anlauf unternehmen. Risikofreudige, optimistische Menschen motiviert dagegen meist die Hoffnung auf Erfolg dazu, nach einem gescheiterten Versuch einen zweiten zu starten – allerdings kann ihr Optimismus dazu führen, dass sie übermütig werden, bei der Fehleranalyse gewisse Details übersehen oder herunterspielen und nahezu den gleichen Fehler ein zweites Mal machen.

Um dieses Hindernis zu überwinden, ist es zunächst einmal wichtig, dass wir uns selbst einigermaßen kennen und einschätzen können. Darüber hinaus hilft es, mit anderen Menschen zu sprechen, um ihre Perspektive zu hören und dadurch unsere eigene Interpretation relativieren zu können. 

4. Kulturelle Barrieren

Befinden wir uns in einem Umfeld, in dem Fehler in erster Linie als Schwäche und Übel betrachtet werden, in dem niemand offen darüber spricht und Schuld und Verantwortung eher von einer Person zur anderen geschoben werden, wird das unweigerlich dazu führen, dass auch wir Schwierigkeiten haben, Fehler als Lernquelle und wertvolle Erfahrung wahrzunehmen. 

Die beste Chance, dieses Hindernis zu überwinden, haben wir, wenn wir unser Umfeld wechseln können – zumindest für einen gewissen Teil unseres Lebens. Herrscht etwa in der Gesellschaft, von der wir ein Teil sind, oder in dem Unternehmen, in dem wir arbeiten, eine destruktive, schambesetzte Fehlerkultur, brauchen wir dringend ein privates Umfeld, in dem wir und andere Fehler machen, verzeihen und daraus lernen dürfen. 

Auch wenn sie sich nicht gut anfühlen und oftmals unangenehme Folgen haben: Fehler sind an sich nichts Schlechtes. Es sind Erfahrungen, mit denen wir nicht gerechnet und die wir uns nicht gewünscht haben. Fehler sind Abweichungen von unserem Ideal und unseren Erwartungen. Aber wer sagt eigentlich, dass unser Ideal und unsere Erwartungen wirklich besser und richtiger waren? Wer kann mit Sicherheit wissen, dass unsere Fehler nicht genau das sind, was wir machen sollen? Wenn wir uns weniger darauf versteifen, in unserem Leben einen ganz bestimmten Plan zu verwirklichen, und dafür mehr darauf einlassen, dass wir uns ausprobieren dürfen, wird es uns leichter fallen, Fehler zu machen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Gelingt uns das hingegen nicht – ist das sehr wahrscheinlich auch kein Drama.

sus Brigitte

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