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Bequem ist nicht gleich gut Anzeichen, dass deine Komfortzone toxisch ist

Psychologie: Eine Frau in einem Raum am Fenster
© olly / Adobe Stock
In unserer Komfortzone fühlen wir uns wohl und sicher, doch das heißt nicht unbedingt, dass sie gesund und gut für uns ist. Unsere Autorin hat sich mit dem Thema Komfortzone auseinandergesetzt und überlegt, was dafür sprechen kann, dass wir uns in einer toxischen Komfortzone eingerichtet haben.

Der Boden ist Lava – aber weil wir uns an unsere verbrannten Füße gewöhnt haben, merken wir es gar nicht mehr. 

Vor Kurzem habe ich das Buch "Snowflake" gelesen von Louise Nealon, einer jungen irischen Autorin. Ein paar Passagen habe ich mir angestrichen, unter anderem eine, in der ein Charakter folgende Sätze sagt: "I actually like hating myself. It's my comfort zone." ("Tatsächlich mag ich es, mich zu hassen. Es ist meine Komfortzone.") Bei der fiktiven Person, von der diese Äußerung stammt, handelt es sich um eine junge Frau, die an einer angesehenen Uni in Dublin Jahrgangsbeste ist. Ansonsten fällt sie nicht großartig auf, außer vielleicht dadurch, dass sie beinahe beneidenswert stilsicher und cool ist und eine gute Freundin. Wie perfektionistisch sie ist und wie sehr sie darunter leidet, merkt ihr niemand auf den ersten, zweiten oder gar dritten Blick an. Dass sie sich nur dann eine Daseinsberechtigung einräumt, wenn sie Topleistungen abliefert, bewahrt sie sich als stillen Glaubenssatz, der unbeachtet in all ihre Entscheidungen und Handlungen einfließt.

Selbsthass als Komfortzone

Worauf ich eigentlich hinaus möchte: Selbsthass als Komfortzone. Ich glaube, das ist gar nicht so fiktiv – und gar nicht so selten. Wir können uns daran gewöhnen, uns zu hassen. Es kann uns Sicherheit bieten, davon überzeugt zu sein, dass wir uns Liebe, Respekt und Nachsicht verdienen müssen, indem wir mindestens unaufgefordert potenzielle Erwartungen erfüllen, die jemand an uns stellen könnte. Ich möchte jetzt nicht mit der Alarmglocke läuten und schreien, dass wir uns alle unbedingt selbst lieben müssen, weil wir sonst unser Leben verschwenden, unsere Eltern nicht ehren und zu schwerstem Leid verdammt sind. Immerhin kann Selbsthass dazu führen, dass wir uns anstrengen, uns um andere Menschen bemühen und lernen, Integrale zu berechnen. Doch zugleich wird er tendenziell zur Folge haben, dass wir uns verwehren, was uns guttut. Was wir uns wünschen, was wir brauchen, was uns Freude bringt. Und das, vermute ich, ist nicht gesund. Oder erstrebenswert.

Wie kann unsere Komfortzone toxisch sein?

Mit dem Begriff Komfortzone bezeichnen wir meines Wissens das individuelle Set an Gewohnheiten, Denk- und Verhaltensmustern, Glaubenssätzen, Handlungen und ähnlichem, das Menschen für sich etabliert haben, mit dem sie sich sicher, wohl und vertraut fühlen. Bestandteile unserer Komfortzone können zum Beispiel sein, was und wie viel wir essen, wie viel wir wiegen, welche Kleidung wir tragen, wie wir uns schminken und die Haare frisieren, wohin und mit wem wir ausgehen, welchen Beruf wir ausüben oder wie wir uns selbst bewerten, zu uns stehen und welche Erwartungen wir an uns stellen, Stichwort Selbsthass. Was innerhalb unserer Komfortzone liegt, ist uns bekannt, birgt keine Risiken, funktioniert, macht uns keine Angst. Was außerhalb liegt, können wir nicht einschätzen, es fordert und stresst uns. Doch da ist ein Haken: Nicht alles, woran wir gewöhnt sind, womit wir vertraut sind und was für uns irgendwie funktioniert, ist wirklich gesund für uns. Nur weil ich an mein Untergewicht gewöhnt bin, muss es nicht mein Idealgewicht sein, um glücklich, entspannt und mit stabilen Knochen zu leben. Nur weil ich meinen Job beherrsche, muss er nicht die Tätigkeit sein, die mich langfristig zufrieden macht. 

Wir kennen dieses Phänomen auch vom sogenannten Beuteschema: Nur weil wir uns immer wieder in den gleichen Typ Mensch verlieben, muss dieser Typ nicht der am besten geeignete für unsere Wunschbeziehung sein.

Anzeichen, dass die eigene Komfortzone toxisch ist

Die Frage ist nun, woran wir überhaupt merken könnten, dass unsere Komfortzone uns schadet, beziehungsweise Elemente von ihr das tun – schließlich fühlen wir uns damit sicher und wohl und erhalten sie deshalb, wie sie ist. Klar: Ultimativ werden wir in einer wirklich toxischen Komfortzone wahrscheinlich an einen Punkt stoßen, an dem an der Einsicht kein Weg mehr vorbeiführt. Die Diagnose einer Krankheit vielleicht. Oder das persönliche Erleben. Möglicherweise müssen wir diesen ultimativen Punkt sogar erreichen, um etwas verändern zu wollen. Doch wenn wir aufmerksam sind und ehrlich mit uns selbst, können wir eventuell schon vorher abbiegen, zumal das manchmal leichter sein kann. 

Hier sind ein paar Signale, die aus meiner Erfahrung und Beobachtung Hinweise auf eine toxische Komfortzone sein können.

Kein Platz für Menschen, die du liebst

Wenn wir allein in unserer Komfortzone sind, niemanden hineinlassen und sie mit niemandem teilen können, ist das auf jeden Fall verdächtig. Menschen sind soziale Wesen, bedürfen Gesellschaft und Liebe und leben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen (zum Beispiel laut der "Harvard Study of Adult Development") gesünder und länger, wenn sie tiefe soziale Bindungen pflegen. Müssen wir regelmäßig darauf verzichten, Zeit mit Menschen zu verbringen, die wir lieben, um in unserer Komfortzone zu bleiben, tut diese uns womöglich nicht gut.

Scham und Verheimlichung

Viele Menschen schämen sich zugegebenermaßen für Dinge, für die sie sich nicht schämen müssten – zum Beispiel dafür, dass ihr Körper Stuhl produziert, oder sie nicht wissen, wie man Cappuccino schreibt. Wenn uns aber unsere Lebensführung peinlich ist und wir das Gefühl haben, selbst vor Menschen, denen wir vertrauen, verheimlichen zu müssen, was unseren Alltag bestimmt, steckt eventuell etwas dahinter, und es könnte ein Anlass sein nachzudenken. 

Anstrengung und Aufwand

Kostet es uns zunehmend Kraft oder organisatorischen Aufwand, unsere Komfortzone zu bewahren, wie sie ist, sind wir vielleicht hinausgewachsen oder sie war einfach nie nachhaltig. Eine Veränderung wird zwar kaum weniger Energie kosten – und noch dazu Überwindung –, doch zu umgehen wird sie vermutlich nicht für alle Zeiten sein.

Wiederkehrende Probleme

Wenn wir immer wieder vor den gleichen Schwierigkeiten stehen – gesundheitliche Beschwerden, Konflikte, Misserfolge –, liegen sie vielleicht darin begründet, wie wir unseren Weg gestalten, und nicht an unserer Route. Vielleicht lohnt es sich, unsere Komfortzone zu hinterfragen und umzustrukturieren. 

Brigitte

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