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Psychologie 3 Situationen, in denen es sinnvoller sein kann, zu verlernen als zu lernen

Psychologie: 3 Situationen, in denen Verlernen besser ist als Lernen
© qunica.com / Adobe Stock
Ob wir wollen oder nicht, wir lernen ein Leben lang dazu und das ist grundsätzlich eher von Vorteil als ein Problem. Manchmal ist es allerdings wichtig, etwas zu verlernen – so schwer es oft ist.

Von Klein auf lernen wir: Wir nehmen Informationen auf, ziehen daraus Schlüsse, entwickeln darauf basierend Fähigkeiten, die wir trainieren, verbessern und in vielen Fällen zu Gewohnheiten ausbauen, sodass sie uns irgendwann kaum noch Mühe kosten – und wir Kapazitäten frei haben, um etwas Neues zu lernen. Ob laufen, unsere Muttersprache, das kleine Einmaleins, die Daten des Zweiten Weltkrieges, wie wir uns die Schuhe zubinden oder ein Käse-Omelette zubereiten, nichts, was wir können und wie selbstverständlich tun, war von vornherein da. Es ist nur da, weil wir es irgendwann gelernt haben.

Lernen ist für uns etwas Natürliches und fällt uns relativ leicht – besonders wenn unsererseits ein wie auch immer geartetes Interesse an dem Lerngegenstand besteht. Verlernen hingegen kann eine große Herausforderung sein, insbesondere bei lange und viel geübten Fähigkeiten, in denen wir so versiert sind und die wir so oft nutzen, dass wir sie gar nicht mehr als erlerntes Verhalten wahrnehmen. Manchmal ist es allerdings hilfreich oder sogar notwendig, etwas zu verlernen. Zum Beispiel in folgenden Situationen.

3 Situationen, in denen es besser sein kann zu verlernen als zu lernen

1. Die äußeren Umstände deines Lebens haben sich geändert.

Ob ein Jobwechsel, der Umzug in eine andere Stadt oder Nachbarschaft, eine neue Beziehung oder veränderte körperliche Voraussetzungen im Zuge des natürlichen Altersverschleißes, wenn sich unsere Lebensverhältnisse ändern, hat das meistens zur Folge, dass wir nicht nur Neues erlernen müssen, um uns anzupassen, sondern auch Erlerntes loslassen – Gewohntes verlernen. Gehörte es etwa in meinen Zwanzigern zu meinem Tagesablauf dazu, dass ich jeden Morgen wie selbstverständlich zur Entspannung zehn Kilometer joggen gehe, mag es in den Vierzigern plötzlich losgehen, dass dieses Verhalten zu Verletzungen führt, weil mein Körper weniger belastbar ist. Wenn nicht schon vorher mit dem Berufseinstieg der Job dazwischenkommt, der mir nicht genug Zeit für meine Gewohnheit lässt. Wohne ich nach einem Umzug in einer Wohnung, deren Küchenfenster zur Straße hinausgeht, kann es sinnvoll sein, dass ich mir abgewöhne – verlerne – morgens als Erstes nackt zur Kaffeemaschine zu schlurfen, um mir Kaffee zu kochen.

2. Deine Gewohnheiten lassen dir keinen Spielraum für Flexibilität.

Wenn wir beobachten, dass wir von unserem erlernten und gewohnten Verhalten nur sehr schwer oder gar nicht abweichen können, obwohl wir es wollen oder es uns das Leben zumindest manchmal leichter machen würde, ist das meist ein klares Signal dafür, dass es uns guttäte, es wenigstens ein Stück weit zu verlernen. 

3. Deine Gewohnheiten nützen dir nicht mehr in der Weise, wie sie es einmal taten.

Wer auch nur die geringste Ahnung von oder Erfahrung mit einer Sucht hat, kennt folgendes Phänomen sicherlich: Die Wirkung, die der Suchtgegenstand am Anfang und in der frühen Phase hat, wird mit der Zeit schwächer und schwächer. Das gilt nicht nur für Alkohol oder andere Drogen, für die der Körper bei regelmäßigem Konsum eine höhere Verträglichkeit entwickelt. Auch Essgestörte oder Menschen, die sich selbst verletzen, erleben oft, dass ihr Verhalten mit der Zeit immer weniger die Funktion erfüllt, die es einmal erfüllte – zum Beispiel ein Gefühl von Kontrolle vermitteln oder beruhigen oder ein Erfolgserlebnis bringen.

Ähnliches kann auch für Gewohnheiten gelten, die wir keiner Sucht zuordnen. Zum Beispiel im sozialen Bereich. So mag etwa ein Mensch, der in der Schulzeit gelernt hat, dass er als Klassenclown zu jeder Party eingeladen wird und bei allen beliebt ist, in seinem Erwachsenenleben plötzlich feststellen, dass ihn niemand ernst nimmt und er mit seinem Verhalten auf Ablehnung und Ausgrenzung stößt. Meistens ignorieren wir die Anzeichen, dass eine unserer Gewohnheiten ausgedient hat, sehr lange, ehe wir zur Einsicht finden. Doch spätestens dann wird es höchste Zeit, mit dem Verlernen anzufangen.

Verlernen: So geht's

Wenn es nicht gerade um eine Fremdsprache geht, die wir nie benutzen, oder um den Code eines jahrelang unangetasteten Schlosses, kann uns das Verlernen deutlich schwerer fallen als das Lernen. Um etwas zu verlernen, müssen wir uns zunächst einmal bewusst sein, dass wir es überhaupt tun – was bei vielen Gewohnheiten nicht selbstverständlich ist. Anschließend, und das ist der vielleicht schwerste Teil, müssen wir es gezielt lassen. Jedes Mal, wenn unser Gehirn das erlernte und gewohnte Verhalten aktivieren möchte, müssen wir das erkennen und gegensteuern. Eine Hilfe kann dabei sein, stattdessen etwas anderes zu tun: Eine Verhaltensweise durch eine andere zu ersetzen, gelingt uns meist leichter, als sie einfach aufzugeben. Doch auch wenn uns das Verlernen von Gewohnheiten mitunter Mühe und Zeit kostet, oft zahlt es sich langfristig aus, darin zu investieren. Denn damit wir uns im Leben weiterentwickeln können, müssen wir nicht immer nur lernen – sondern manchmal etwas verlernen.

Verwendete Quellen: psychologytoday.com, Niels Birbaumer: Dein Gehirn weiß mehr, als du denkst

sus Brigitte

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