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"Ich bin gut so, wie ich bin" Sätze, die nur echte Glückspilze glauben können

Kommunikation: Eine Frau vor einem Regenbogen
© M S/peopleimages.com / Adobe Stock
Unsere Überzeugungen, Glaubenssätze und Weltsicht hängen in hohem Maße davon ab, was wir erleben und erlebt haben – insbesondere in unserer frühen Lebensphase. Folgende Überzeugungen sind nach Meinung unserer Autorin typisch für Menschen, die viele positive Erfahrungen machen konnten.

Kürzlich habe ich ein Buch gelesen – "We Begin at the End" von Chris Whitaker –, in dem ich mir unter anderem folgende Passage angestrichen habe, es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Dialog. 

  • "What you've been through," he said. "It isn't fair." 
  • "You sound like a child. The notion of fair." She closed her eyes. 

("Was du durchgemacht hast", sagte er, "Es ist nicht fair." "Du klingst wie ein Kind. Das Konzept fair." Sie schloss ihre Augen.)

Bei den Sprechenden handelt es sich um zwei Kinder beziehungsweise Jugendliche im Alter von etwa 14 Jahren, Thomas Noble und Duchess Radley. Thomas ist mit einer leichten Behinderung und einer gebrechlichen Statur geboren, er ist Außenseiter in der Schule und hat Eltern, die ihn lieben und sich um ihn kümmern. Princess kennt ihren Vater nicht und ist mit einer Mutter aufgewachsen, auf die sie niemals zählen konnte. Und ihr passiert ziemlich viel Mist.

Angestrichen habe ich mir die Stelle, weil mir in dem Moment, als ich sie las, besonders eindrücklich eingeleuchtet hat, dass, wie wir die Welt sehen, was wir vom Leben erwarten und woran wir glauben, unter anderem davon abhängt, was uns widerfährt. Was wir, insbesondere in unserer Kindheit und Jugend, erleben.

Das ist zugegebenermaßen nichts Neues. Weder für Eltern, die sich mit Erziehung auseinandersetzen und sich bemühen, liebevoll auf ihre Kinder einzugehen. Noch für Erwachsene, die Traumata oder sonstige Arten von Erfahrungen aufarbeiten. Trotzdem scheint mir, dass in der alltäglichen Kommunikation und im Umgang miteinander oft unberücksichtigt bleibt, wie sehr unsere Lebensgeschichte – die wiederum eine Fortsetzung einer längeren Geschichte ist, die vor unserer Geburt begonnen hat – unsere Persönlichkeit, unsere Glaubenssätze, unsere Chancen prägt. Denn würde es stärker berücksichtigt, bin ich sicher, dass seltener und weniger leichtfertig Aussagen wie "alles eine Frage der Einstellung" oder "du musst nur daran glauben" fielen. Gewiss können wir interpretieren und uns Dinge zurechtlegen und wir haben eine gewisse Handhabe über unsere Vorstellungswelt, unsere subjektive Realität. Doch einige (Wunsch-)Vorstellungen sind schwer aufrecht zu erhalten, wenn die Erfahrung sie wieder und wieder widerlegt.

Sätze, die nur echte Glückspilze glauben können

Das Leben ist fair

Wer religiös ist, kann recht unproblematisch an eine höhere Gerechtigkeit glauben und damit vieles, was auf der Welt geschieht, als fair einordnen. Alle anderen müssen schon ausgesprochen großes Glück haben, um niemals zu empfinden, dass das Leben unfair sein kann. Einige Menschen werden benachteiligt geboren, andere richten Schäden an, ohne dafür bestraft zu werden, wieder andere bekommen nicht den Lohn, der ihnen zusteht. Ich kann den Wunsch und das Streben nach Gerechtigkeit nachvollziehen, teile den Wunsch und möchte mich an dem Streben danach beteiligen. Doch ausgehend davon, was ich unter Gerechtigkeit verstehe, halte ich es für schwer, an eine gerechte Welt zu glauben.

Ich bin gut so, wie ich bin

Ich kann mich täuschen, aber ich würde tippen, das Interesse an einem Austausch zu Themen wie Body Positivity, Selbstakzeptanz oder gar Selbstliebe wäre geringer, wenn alle Menschen mit sich zufrieden wären und glauben würden, dass sie so, wie sie sind, super sind. Die allermeisten Menschen sind zwar absolut super, doch mein Eindruck ist, viele wissen beziehungsweise glauben es nicht. Weil viele immer wieder erleben, dass sie mehr leisten, weniger stören, sich geschmeidiger einfügen sollen. Dass sie nicht bedingungslos geliebt und akzeptiert werden, wenn sie einfach nur sie sind. Vielleicht können sich sehr kluge, starke, unabhängige oder besondere Menschen davon überzeugen, sich selbst zu mögen. Oder es ist jenen vorbehalten, die ein ganz bestimmtes Glück haben.

Andere Menschen wollen mein Bestes

Ich persönlich habe ein positives Menschenbild, bin gutgläubig und schenke anderen Personen schnell Vertrauen, weil ich viel Liebe in meinem Leben erfahren habe und mir noch nie jemand richtig wehgetan hat. Das schätze ich als großes Glück. Allerdings weiß ich, dass andere Menschen im Zweifel nicht mein Bestes wollen – sondern ihr Bestes. Oder das Beste für ihre Kinder, Freunde oder Schwestern. Menschen sind zwar empathisch, grundlegend kooperativ und in der Regel nicht daran interessiert, ihren Artgenossen gezielt zu schaden. Doch oft genug tun sie es trotzdem. Aus Selbstsorge, Gier oder sonstigen Gründen. Ich mag ein außerordentlicher Glückspilz sein, aber glauben, dass mir immer alle Menschen Gutes wollen (könnten), kann ich nicht ganz. 

Brigitte

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