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Gespaltene Reue Fehler, die sich immer wieder lohnen

Fehler, die sich immer wieder lohnen
© luismolinero / Adobe Stock
War es ein Fehler, wenn wir es wieder tun würden? Und wieder? Und wieder? Kann auf jeden Fall sein. Zumindest gibt es sie, diese Fehler, die sich zu wiederholen lohnen.

Es können mir noch so viele Menschen einreden, dass Fehler gut sind und ich daraus lerne. Ich möchte trotzdem keine machen. Ich finde es unheimlich anstrengend, mich zu ärgern. Zudem ist es meistens sehr mühsam, meine Fehler zu verstehen und eine differenziertere Erklärung zu finden, als die, die mir in der Regel auf Anhieb einfällt: dass ich zu dumm, zu unfähig, zu schwach bin. Vielleicht geht es nur mir so, doch meiner Meinung nach können Fehler eine krasse Bewährungsprobe für das Selbstvertrauen sein.

Aber okay. Ich muss keine Fehler machen wollen, um zu versuchen, sie nicht als Zeugnis meiner Unzulänglichkeit zu sehen. Ich kann mich bemühen, Fehler zu vermeiden, und sie dennoch als Erfahrungen betrachten, die mich zu einem klügeren, kompetenteren, womöglich stärkeren Menschen werden lassen. Denn da mache ich mir nichts vor: Ich werde noch viele Fehler in meinem Leben begehen. Wobei dieses anschließende daraus Wachsen natürlich auch kein Selbstläufer ist. Doch das ist wieder ein Thema für sich.

Was ich mich im Zusammenhang mit Fehlern ansonsten manchmal frage: Woran machen wir eigentlich fest, dass eine Entscheidung – und die damit einhergehende Erfahrung – ein Fehler war? Daran, dass sich Konsequenzen für uns ergeben, die uns wehtun oder etwas kosten, das wir ungerne investieren, sei es Kraft, Geld oder Zeit? Daran, dass wir bei der nächsten vergleichbaren Situation anders handeln wollen? Daran, dass wir uns ärgern? Dass wir uns schämen oder Reue empfinden? Was wir fühlen, hängt allerdings wieder von unserer Sichtweise und Einschätzung ab. Gar nicht so einfach. Sicher gibt es unterschiedliche Kriterien, um etwas als Fehler zu klassifizieren, und es müssen nicht immer alle erfüllt sein. Davon abgesehen mag es unterschiedliche Auffassungen geben: Was eine Person als Fehler betrachtet, muss nicht jeder Mensch als solchen empfinden. Aber irgendwie wissen oder begreifen wir, wenn wir einen Fehler gemacht haben. Ich mag zu dumm sein, um manche Fehler zu vermeiden – doch ich bin nicht zu dumm, sie zu erkennen. Immerhin.

Eine Sonderkategorie im weiten Feld der Fehler sind für mich Fehler, die zwar einerseits klare Fehler sind – weil sie wehtun, ein Teil von mir sich wünscht, dass ich sie nicht gemacht hätte und ich mich definitiv ärgere. Die aber andererseits mein Leben lebenswerter und schöner machen und irgendetwas an sich haben, dass ich sie sogar gerne wiederhole. Drei Beispiele.

3 Fehler, die sich immer wieder lohnen

Den Absprung verpassen

Der Spruch "man soll gehen, wenn's am schönsten ist" hält sich nicht umsonst in unserer Kultur. Es ist ziemlich ideal, eine Party zu verlassen, ehe die Stimmung kippt, man selbst zu müde ist oder die Nachbarn mit einer Beschwerde ein unwürdiges Finale veranlassen. Der eine letzte Absacker ist fast immer ein Fehler, der sich am nächsten Tag mit Kopfschmerzen und Übelkeit rächt. Zugleich hat es aber meistens etwas Schönes, den Absprung zu verpassen und zu übertreiben. Es zeigt, dass wir etwas erleben dürfen, von dem wir nicht wollen, dass es endet. Von dem wir uns nicht losreißen können und möchten, bis es wirklich vorbei ist und das Ende sich nicht weiter hinauszögern lässt. Ich bin auf jeden Fall immer froh, wenn ich es schaffe, rechtzeitig zu gehen oder zu stoppen. Aber ich bin genauso dankbar für all die Male, bei denen es mir nicht gelingt.

Einen klugen Rat ignorieren

Es ist praktisch und von Vorteil, wenn wir von anderen Menschen lernen und von ihrer Klugheit profitieren können. Aber manchmal, glaube ich, geht das einfach nicht. Manchmal müssen wir unsere eigenen Erfahrungen sammeln, müssen unserer Intuition folgen, müssen Fehler begehen, obwohl uns ein kluger Rat davor bewahrt hätte. Zumindest gilt das für mich. Ich kann eine Sache, von der mir mein Gefühl sagt, dass ich sie ausprobieren möchte, nicht abhaken und ruhen lassen, nur weil mir eine andere Person sagt, ich solle sie vergessen. Wenn ich mich zu A hingezogen fühle, kann ich mich nicht für B entscheiden, nur weil jemand anders weiß, dass B besser ist. Von der Klugheit anderer Menschen zu profitieren, ist toll. Doch in einigen Fällen erscheint es mir wertvoller und wichtig, selbst klüger zu werden.

Reden, ohne nachzudenken

Etwas zu sagen, ohne die möglichen Auswirkungen zu bedenken, kann in vielerlei Hinsicht nach hinten losgehen – und tut es meistens in irgendeiner Weise. Wir können dabei andere Menschen verletzen, etwas von uns selbst preisgeben, das wir lieber für uns behalten hätten, einen Streit entfachen, dumm dastehen und, und, und. Doch ganz gleich, mit welcher Art Konsequenzen wir uns hinterher herumzuschlagen haben: Wir waren ehrlich. Wir waren wir selbst. Wir haben etwas von uns gezeigt. Ich schäme mich und bedauere meistens, wenn mir etwas ungefiltert und unbedacht herausrutscht, das ich hinterher gerne zurücknehmen oder relativieren möchte. Aber gleichzeitig fühle ich mich erleichtert. Und kann es nur bedingt bereuen.

Brigitte

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