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Präkrastinations-Falle Ich jage To-dos, um sie abzuhaken

Präkrastination: Frau rennt
© deagreez / Adobe Stock
Die Prokrastination hat ihre Bühne gehabt. Die Präkrastination arbeitet dafür lieber backstage – und zwar auf Hochtouren.

Unermüdlich schütte ich To-dos wie Wasser auf meine Mühlen. Steht das Mahlwerk kurz still, springen E-Mails und Chats hilfsbereit ein. Nur die Befriedigung, wenn eine Aufgabe geschafft, eine Nachrichtenanzeige auf Null ist, die bleibt aus. Schließlich wartet direkt die nächste Liste, fleißig aufgefüllt von mir selbst.

Ich habe immer etwas zu tun. Damit bin ich nicht alleine. In der Reaktion darauf scheinen sich die Geister jedoch zu scheiden. Während manche To-dos liebend gern aufschieben, erledigen andere sie am besten sofort. Beide trennt ein Vokal: Gehörst du zu O oder Ä? Prokrastinierst du noch oder präkrastinierst du schon?

Falls du Präkrastination noch nie gehört hast, mag das daran liegen, dass der Begriff relativ neu ist. Er wurde erst 2014 vom Psychologen David A. Rosenbaum an der Pennsylvania University geprägt. Die Bedeutung dürfte hingegen schon länger bekannt sein: Präkrastination beschreibt den Drang, etwas sofort zu erledigen.

Sobald eine Aufgabe auf der Liste erscheint, muss sie abgehakt werden. Ist sie abgehakt, geht man direkt zur nächsten über. Was nach einer lobenswerten Tugend klingt, hat seine Tücken: Kann ein To-do schlichtweg nicht gleich erledigt werden, sorgt das bei Menschen, die sonst stets präkrastinieren, für permanenten Stress.

Gleichzeitig geht Arbeit bekanntermaßen dahin, wo sie gemacht wird – je schneller erledigt, desto mehr rückt nach. Trifft der Drang dann noch auf die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft und die ständige Erreichbarkeit, ist man ganz schnell verloren. Oder nur noch damit beschäftigt, Nachrichten zu beantworten.

Wieso Präkrastination uns nicht schneller zum Ziel bringt

Präkrastination zeigt sich übrigens nicht nur im Beruf. Im Gegenteil: Meiner Erfahrung nach lässt es sich im Job gar nicht so gut präkrastinieren wie privat, es sei denn, man arbeitet vollkommen alleine. Schließlich hängen viele Aufgaben schlichtweg von anderen Teammitgliedern ab – oder von den Mühlen des Unternehmens, die gerne mal langsamer laufen als die eigenen. Im Privatleben hingegen habe ich die Alleinherrschaft über meine To-do-Liste, was dazu führt, dass ich mich leichter in ihr verliere, sei es die Einkaufs-, Geschenke- oder Bei-Freund:innen-melden-Liste.

So gesehen hat Präkrastination sicherlich auch etwas mit dem Wunsch nach Kontrolle zu tun. Erledigen wir unsere Aufgaben sofort, sind wir ihnen mächtig. Und schaffen uns selbst kleine Erfolgsmomente, wenn wir Dinge streichen können. Die Angewohnheit tut also sehr viel für unser Gefühl von Selbstwirksamkeit. Das kann sich kurzfristig gut anfühlen. Langfristig handelt es sich um eine Illusion: Wir haken ständig To-dos ab, im Glauben, danach entspannen zu dürfen. Dabei machen wir uns von einem Zettel abhängig, einer Liste, von der wir verzweifelt eine Erlaubnis für Entspannung erbitten. Geben können wir sie uns nur selbst.

Wer so richtig im Präkrastinations-Strudel steckt, wird vom echten Leben abgetrieben: Schließlich besteht das glücklicherweise nicht nur aus Arbeit, sondern auch aus Momenten des Innehaltens, Genießens, Seins. Ab auf die To-do-Liste mit den Dreien.

Brigitte

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