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Ja, das gibt es auch! Wie du gesunden Narzissmus erkennst – und wieso er dir guttut

Positiver Narzissmus: Frau im Spiegel
"Wenn man von gesundem Narzissmus spricht, meint man damit die positiven Eigenschaften und Aspekte des Narzissmus."
© Demencial Studies / Adobe Stock
Bei Narzissmus denken wenige an etwas Positives. Dabei gibt es ihn, den gesunden Narzissmus – und er ist überlebenswichtig.

Narzissmus gehört sicherlich zu jenen Diagnosen, die mit am häufigsten von Menschen genutzt werden, um unangenehme Persönlichkeiten in ihrem Umfeld mit einem Wort zu beschreiben. Eine Freundin redet beim Lunch nur über sich und ihre Probleme? Was für eine Narzisstin! Der Chef traut niemandem über den Weg, ist an Arroganz kaum zu überbieten und meint, dass jedes seiner Worte in Gold aufzuwiegen sei? Wow, was für ein eindeutiger Narzisst!

Dabei gibt es nicht unbedingt nur den einen Typ von Narzisst:innen – sowieso wird von Psycholog:innen zwischen Narzissmus und narzisstischer Persönlichkeitsstörung unterschieden. Und diese Entscheidung ist ungemein wichtig, schließlich sind wir alle Narzisst:innen – nur eben auf einem Spektrum, wie es sich bei den meisten Persönlichkeitsmerkmalen verhält.

In Maßen ist Narzissmus sogar gut für uns. Überlebenswichtig, könnte man sogar sagen. 

Der Unterschied zwischen Narzissmus und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung

Wer unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leidet, weist laut des "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders" (DSM-5) ein "durchdringendes Muster von Größenwahn" vor, möchte bewundert werden und hat ein fehlendes Empathievermögen. Mögliche Symptome können in vielen Kontexten auftreten und zeigen sich unter anderem durch:

  • Ein grandioses Selbstbewusstsein, bei dem Leistungen und Talente übertrieben dargestellt werden.
  • Weiterhin erwartet die Person als überlegen anerkannt zu werden, ohne entsprechende Leistungen vollbracht zu haben.
  • Der feste Glaube, etwas "Besonderes" und Einzigartiges zu sein und nur von anderen "besonderen" Menschen/Institutionen verstanden zu werden.
  • Das Verlangen nach übermäßiger Bewunderung, die Erwartung, bevorzugt behandelt zu werden.
  • Zwischenmenschlich ausbeutend, es werden beispielsweise andere Menschen ausgenutzt, um die eigenen Ziele zu erreichen.
  • Neid und Missgunst zu beiden Seiten: Wer eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, beneidet andere Menschen und ist davon überzeugt, dass andere ihn:sie beneiden.

Dem gegenüber steht Narzissmus, ein Gefühl der Selbstüberschätzung und eine Persönlichkeitseigenschaft, mit der die meisten Menschen bis zu einem gewissen Grad leben. Ein Ende des Spektrums, auf dem sich die Menschen bewegen, ist der "gesunde Narzissmus", was ein positives Selbstverständnis meint, das oft mit allgemeinem Wohlbefinden in Verbindung gebracht würde, erklärt Psychologin Dr. Kristi K. Phillips im Gespräch mit "PsychCentral".

"Menschen mit einem gesunden Selbstbild können ein hohes Selbstgefühl mit prosozialen Verhaltensweisen in Einklang bringen, die eine wechselseitige Beziehungsdynamik begünstigen", so die Psychologin. Das meint: Gesunder Narzissmus kann dazu führen, dass man im Miteinander mit anderen Menschen weniger Reibungspunkte hat und das Gegenüber respektiert und auf Augenhöhe betrachtet – was jeder Beziehung guttut.

Auf dem anderen Ende des Spektrums befindet sich eine Form von Narzissmus, die sich negativ darauf auswirkt, wie man sich selbst und die Welt um sich herum betrachtet. Stetige Reibungen und Konflikte mit anderen Menschen und ein ungesundes Selbstbild können dazu führen, dass sich aus dieser Form von Narzissmus eine Persönlichkeitsstörung entwickelt. Doch das eine – also die klinische Diagnose – und das andere sind voneinander zu trennen.

Narzissmus auf der gesunden Seite des Spektrums

Während der Begriff des "Narzissmus" gesellschaftlich negativ behangen ist, gibt es das Konzept des gesunden Narzissmus bereits länger. Bereits Sigmund Freud etablierte den Begriff des "primären Narzissmus" und meinte damit die früheste Form des Narzissmus, in der die Libido des Säuglings auf den eigenen Körper und dessen Befriedigung und nicht auf die Umwelt oder Objekte gerichtet ist. In diesem Kontext meint "Libido" nicht etwa sexuelle Energie, sondern den Lebenstrieb im Allgemeinen. Narzissmus in seiner primären Form ist im Säuglingsalter laut Freud also überlebenswichtig. 

Der österreichische Arzt und Psychoanalytiker Paul Federn führte in den 1930ern dann den Begriff des "gesunden Narzissmus" ein und beschrieb ihn in seinen Veröffentlichungen "Narzissmus in der Struktur des Ichs" und "Das Ich als Subjekt und Objekt im Narzissmus" als ein angemessenes Gefühl der Selbstliebe. Und nicht zuletzt Psychoanalytiker Heinz Kohut etablierte "normalen Narzissmus" als Teil des Reifungsprozesses beim Menschen. Seiner Ansicht nach konnten Kinder, deren Bedürfnisse befriedigt wurden, ein gesundes Selbstwertgefühl und -vertrauen entwickeln.

Was gesunden Narzissmus ausmacht

Gesunder Narzissmus: Frau mit Herz in der Hand
Wer nach den eigenen Interessen handelt, ist nicht zwingend ein:e Narzisst:in.
© Demencial Studies / Adobe Stock

Wer nach den eigenen Interessen handelt, ist nicht zwingend ein:e Narzisst:in – und hat schon gar keine Persönlichkeitsstörung. Gesellschaftlich wird dieses Verhalten zwar eher dem (negativ behafteten) Narzissmus zugeschrieben, dabei müsse allerdings eher darauf geachtet werden, ob das egoistische Verhalten als durchdacht oder böswillig beschrieben werden kann, sagt Psychologe Ernesto Lira de la Rosa im Gespräch mit "PsychCentral". Unter Umständen handelt es sich hierbei nämlich eher um gesunden Narzissmus, den man unter anderen an den folgenden Merkmalen erkennen kann:

  • Positives Selbstbild
  • Hohes Selbstwertgefühl
  • Ausreichenendes Selbstvertrauen
  • Akzeptables Maß an Selbstherrlichkeit

Wichtig ist aber: "Gesunder Narzissmus" ist kein klinischer Begriff, der im DSM-5 zu finden ist und auch Pschologe Lira de la Rosa stellt klar: "Wenn man von gesundem Narzissmus spricht, meint man damit möglicherweise die positiven Eigenschaften und Aspekte des Narzissmus." Und hierzu kann unter anderem Gehören, dass der Mensch in der Lage ist, gesunde Grenzen zu ziehen, selbstbewusst in Kommunikationen zu gehen, eine positive Einstellung zu sich selbst hat und Stolz auf die eigenen Fähigkeiten und Errungenschaften ist. 

Für viele Menschen ist es immer noch einfacher, in Selbsthass zu zergehen, anstatt sich der Selbstliebe zuzuwenden – gerade solche Menschen können mehr als eine Prise des "gesunden Narzissmus" gebrauchen, den Blick abwenden von vermeintlichen Makeln und Fehlern und ihn auf die Dinge richten, die uns so wundervoll machen. Denn die hat jeder Mensch vorzuweisen.

Verwendete Quellen: wellandgood.com, psychcentral.com, pep-web.org, msdmanual.com, psychdb.com, www.sas.upenn.edu, dictionary.apa.org, journals.sagepub.com, psycnet.apa.org

csc Brigitte

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