Anzeige

Oskar Holzberg Der Schmerz, der die Liebe so intensiv macht

Oskar Holzberg: "Love hurts"
© Antonioguillem
In der Kolumne unseres Paartherapeuten Oskar Holzberg dreht sich alles um typische Liebesweisheiten und ihren Wahrheitsgehalt, er seziert Sprichwörter, Songtexte und berühmte Zitate. Diesmal: "Love hurts" – Boudleaux Bryant, Komponist und Texter.

Wenn Liebe nicht wehtut, ist es dann Liebe?

"Love Hurts". Ein Song, gesungen von Roy Orbinson, Nazareth, Cher, Rod Stewart, Joan Jett und vielen anderen. Wir hören ihn in "Toy Story" und "Mad Max", ein globales Versicherungsunternehmen wirbt damit. Das Lied spricht uns offenbar an. Denn dass es eine Schattenseite der Liebe gibt, ist uns schmerzhaft bewusst.

Finger weg von der Liebe?

Die meisten von uns kennen Liebeskummer. Doch es ist nicht allein der Schmerz der unerwiderten Liebe, den wir mit der Liebe in unser Leben lassen. Eifersucht, emotionale Abhängigkeit, quälende Verlustängste, sie schmerzen nicht nur, sie können sich zum Wahn steigern, zu Depressionen führen. Kriminelle Loverboys nutzen die Liebesblindheit junger Frauen aus, um sie in die Prostitution zu zwingen. Sogenannte Romance-Scammer bringen ihre Internet-Geliebten um ihr Erspartes. Affären, Stalking, Suizide, Femizide. Love hurts. Denn Liebesbeziehungen reißen die alten Wunden unserer kindlichen Liebe zu unseren Eltern wieder auf.

Sollten wir also bei aller Liebe vielleicht doch lieber die Finger von der Liebe lassen? Tatsächlich machen manche schmerzhaft von der Liebe Enttäuschte jahrelang einen Bogen um romantische Beziehungen. Love hurts, weil unsere Liebesgefühle tief und intensiv in uns angelegt sind. Als Menschen überleben wir, weil wir Bindungen leben können. Sobald wir uns auf eine Bindung einlassen, jubelt unser gesamter Organismus. Lösen wir sie, bestraft er uns mit schmerzhaften Entzugssymptomen. "Love hurts" ist der Preis, den wir für unsere wundervolle Beziehungsfähigkeit zahlen.

Die Soziologin Eva Illouz glaubt, dass wir heute in der Liebe noch größere Schmerzen erleiden als frühere Generationen. Denn unter den Romantikern des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts war Liebesleid eine Auszeichnung und bewies Feinfühligkeit. Die Qualen der Liebe galten als unumgänglich und notwendig. Heute erleben wir sie als persönliches Versagen. Vollgesogen mit den medialen Bildern glücklicher Paare geraten wir in das Gefühl, alle Welt lebe Liebesglück. Nur wir nicht, und Martina (oder wie immer unsere unglückliche beste Freundin heißt). Außerdem halten wir uns für unseres eigenen Glückes Schmied. Wem kein Liebesglück gegönnt ist, dem geht das auf den Selbstwert.

Der Schmerz als Zeichen für die Bedeutung der Liebe im Leben

Love hurts. Und zwar jeden Tag, an dem wir uns unverstanden, kritisiert, abgelehnt, auf Distanz zu unserem Partner, unserer Partnerin fühlen. In denen wir daran zweifeln, geliebt zu werden oder zu lieben. An denen wir uns mühselig wieder aneinander annähern. Versuchen uns zu versöhnen, zu verzeihen und uns nach den guten Zeiten sehnen, in denen unsere Liebe frisch, unkompliziert und alles versprechend war. Unsere romantischen Vorstellungen und die überwältigende Verliebtheit sind wunderschön. Wir möchten sie niemals missen. Aber sie sind nicht alltagstauglich. Sobald die unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche von Liebespartnern aufeinanderprallen, sagen uns die Schmerzen der Liebe, worum wir uns kümmern müssen.

Love hurts, weil wir ohne die schmerzhaften Seiten der Liebe nicht liebes-, nicht beziehungsfähig wären. So wie unser Körper ohne Schmerz nicht lebensfähig wäre. Wenn unsere Liebe wehtut, spricht daraus die Bedeutung der Liebe für unser Leben. Das könnte uns mutiger machen zu lieben. Denn es sagt uns auch, dass der Schmerz vergehen kann. Und nicht bleiben wird, weil mit uns etwas nicht stimmt. Love hurts: Es liegt im Wesen der Liebe begründet.

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel