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Ergreifende Worte: So fühlt sich Mobbing an

Ergreifende Worte: So fühlt sich Mobbing an
© Billion Photos / Shutterstock
Bloggerin und Autorin Frau Kopf beschreibt auf Facebook ihre Jugend voller Feindseligkeit - und findet trotz Schmerz Zeit für Güte.

"Hallo, ich bin es."

Mit diesen Worten beginnt der Facebook-Post, in dem die Berliner Autorin Frau Kopf mit ihrer Jugend abrechnet, und mit den Menschen, die ihr damals das Leben zur Hölle machten. In schonungsloser Ehrlichkeit beschreibt sie die täglichen Demütigungen, die Angst vor jedem neuen Tag und die Selbstzweifel, ob sie es nicht vielleicht verdient, so gehasst zu werden.

Es sind Worte, die unter die Haut gehen - vor allem, weil Frau Kopf schnell klarstellt, dass sie mit diesem Kapitel ihres Lebens ihren Frieden gefunden hat und auch den Tätern von früher nichts Böses wünscht.

Bewundernswerte Leistung: Den Schmerz in Kraft und Optimismus verwandeln

Denn wichtiger als der Blick zurück ist die Erkenntnis, dass diese schwere Zeit jetzt vorüber ist - und dass Jugendliche es heute, wo das Mobbing nicht auf dem Schulhof aufhört, sondern im Internet endlos fortgesetzt wird, noch unendlich viel schwerer haben.

Ihre große Botschaft an alle, die heute unter Hass und Ablehung zu kämpfen haben: Es liegt nicht an dir, alle anderen haben Unrecht. Und: Die Zukunft wird besser, als du es dir jetzt vorstellen kannst!

Cybermobbing unter Jugendlichen: Du bist Opfer oder Täter, aber selten unbeteiligt

Bereits vor zwei Jahren wurde durch eine Studie belegt, dass jeder dritte Schüler Erfahrungen mit Mobbing im Internet gemacht hat. Oft werden die Opfer an anderer Stelle selbst zu Tätern - anders als beim Mobbing auf dem Schulhof, wo die Rollen von Angreifern und Opfern stets fest definiert sind. Die Betroffenen sind oft noch Jahre später von den Drohungen, Beleidigungen und Demütigungen traumatisiert.

Umso wichtiger ist es, den Mobbing-Opfern zu vermitteln, dass ihre Zukunft unermesslich viel besser sein wird, in nur wenigen Jahren. Dieser wunderbare Text von Frau Kopf hat zumindest schon vielen Menschen neuen Mut gemacht - und sogar eine aufrichtige Entschuldigung von einem früheren Täter gibt es.

Noch mehr lesenswerte Texte gibt es übrigens auch auf ihrer Facebook-Seite und ihrem Buch "Kopf Schweine Sterben".

"Hallo, ich bin es" - der komplette Text von Frau Kopf

Hallo, ich bin es. Ich bin die, die man früher hässliche Sau nannte. Ich bin die, die man auf dem Schulhof mit Essensresten bewarf, der man Kaugummi ins Haar klebte, die man bespuckte, mit brennenden Zigaretten bewarf und der man stets das Bein stellte.

"Die, der man den Tod wünschte ... "

Ich bin die, die Angst davor hatte in den Schulbus zu steigen. Die, die Angst vor jedem neuen Tag hatte. Die, die heute noch manchmal glaubt, dass Menschen, wenn sie herzlich lachen, den verachtenswerten und hässlichen Clown in mir erkennen. Die, der man den Tod wünschte, der man applaudierte, wenn sie fiel oder weinte. Ich bin die, der man Schmähtexte widmete, die man auf dem Schulweg verprügelte und die man zwang auf Knien um Gnade zu winseln.

Die, die weiß, was Mobbing bedeutet, auch wenn es damals "Hänseln" hieß.

"Ich bin die, die den Tätern nicht einmal mehr böse sein kann."

Ich bin die, die den Tätern nicht einmal mehr böse sein kann, ebenso nicht den Beobachtern und denen, die versagt haben. Nicht dem ignoranten Lehrer, nicht den unwissenden Eltern und eben nicht den Kindern, die ein Feindbild brauchten um gemeinsam Kraft zu empfinden.

Ich bin die, die hofft, dass den Kindern derer, die so etwas antaten, niemals so etwas erleben müssen. Ich bin die, die kleine, traurig anmutende Kinder in den Arm nehmen will, um ihnen zu sagen, dass alle bösen Zungen da draußen sich irren. Und das tun sie. Nach wie vor und immer lauter.

"Du wirst groß und stark"

Heute weine ich nicht mehr um mich, ich bin groß geworden und manchmal sogar ein bisschen stark und ich hatte das große Glück, dass der Dämon Internet, noch nicht um sich biss. Müsste ich diesen steinigen Weg heute gehen, wäre ich wohl vollends zerbrochen. Wie schaffen das die zarten Seelen in diesen Tagen? Ich weiß es nicht. Ich hoffe nur und weiß um den Irrtum derer, die dir und dir und dir sagen wollen, du wärst falsch, zu anders, zu hässlich, zu dick, zu dünn, zu groß oder zu klein. Sie irren! Und du? Du wirst groß und stark, wenn du es nicht schon lange Zeit bist. Du wirst es besser wissen und sensibel für jene sein, die Feingefühl und Sicherheit benötigen. Du wirst wachsen.

In diesem Sinne, keine Furcht vor neuen Tagen, schützende Hände, starke Herzen, ab und an taube Ohren, denkende Köpfe und die Hoffnung, dass der Mensch seine Stärke woanders finden mag, als im Schmerz verteilen.

heh

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