„Mama, wie lange noch?“ Nichts war früher schlimmer, als eine nicht enden wollende Autofahrt. Nach zwei Stunde hatte man alle Süßigkeiten aufgegessen, sich mit den Geschwistern so gestritten, dass keiner mehr miteinander reden wollte, im Kopf drei Mal Stadt-Land-Fluss von A bis Z durchgespielt – und war immer noch nicht am Ziel. Laaaaaaangweilig war das. Und man konnte nichts dagegen tun! Höchstens noch aus dem Fenster starren. Und wenn es gut lief, schlief man irgendwann ein. Das war die Erlösung.
Risse an der Decke zählen
Heute kennen wir den Zustand der Langeweile gar nicht mehr. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal nichts mit mir anzufangen wusste. Wann die Zeit so zäh schien, wie ein viel zu lang gekautes Kaugummi. Wir haben immer etwas zu tun. Und wenn nicht, dann denken wir daran, was wir als nächstes tun sollten. Statt die Risse an der Decke zu zählen, schreiben wir im Kopf To-Do-Listen. Und wenn wir die fertig haben, schreiben wir WhatsApps, Emails und Statusbenachrichtigungen. Dank unseres Smartphones müssen wir uns nie mehr mit uns selbst beschäftigen. Haben selbst auf dem Weg zur Arbeit oder beim Warten auf den Zug immer etwas, womit wir die Leere in unserem Kopf zustopfen können.
Voll der Luxus
Langeweile ist ein Luxus geworden, den wir uns nicht leisten können oder wollen. Dabei ist Langweile etwas Gutes. Neurowissenschaftler haben herausgefunden, dass sich im Gehirn ein Netzwerk entzündet, wenn wir uns langweilen. Wenn wir nicht bewusst an etwas denken, unser Kopf im Ruhezustand ist, steigert das sogar noch unsere Kreativität, weil unser Kopf ganz unterbewusst die verschiedensten Ideen miteinander verknüpft. Ziemlich gut, oder? Außerdem belegen Forschungsergebnisse, dass Nichtstun unsere Konzentrationsfähigkeit steigert und Stress reduziert. Und das wiederum wirkt sich positiv auf unseren Schlaf und unsere Psyche aus.
Langeweile ist also keine Zeitverschwendung. Sie ist ein Geschenk, das wir uns häufiger mal selber machen sollten. Deswegen werde ich das nächste Mal, wenn ich auf dem Sofa liege, einfach mal, genau, nichts tun! Und das solange, bis aus mir ausbricht: „Boah, ist das laaaangweilig!“