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"Der ändert sich doch nie!" Neurobiologe erklärt: Die Persönlichkeit ist wandelbar – ein Leben lang

Verschiedene Gesichter (Illustration)
© Boss / Adobe Stock
Die Persönlichkeit ist nicht in Stein gemeißelt, erklärt Neurobiologe Dr. Marcus Täuber. Warum es trotzdem nicht leichtfällt, sich zu ändern.

Wenn es um die Persönlichkeit geht, wird gerne das Model der sogenannten "Big Five" herangezogen – im Lexikon der Psychologie definiert als "Ansatz zur umfassenden Beschreibung der menschlichen Persönlichkeit". 

Während die Persönlichkeit zumindest in unserer Kindheit noch als wandel- und formbar betrachtet wird, scheint sich mit dem Erwachsenenalter eines Menschen für alle Welt der Konsens festzusetzen, dass es das nun war mit der Entwicklung ("Das kriegst du nicht mehr aus dem raus, der war schon immer so."). Dieser Mensch bleibt jetzt für alle Zeiten erzkonservativ, temperamentvoll, egoistisch … Die Liste ist lang, die Akzeptanz dieses vermeintlichen Fakts scheinbar endlos. "So ist es halt mit dem Onkel Heinrich, der war schon immer ziemlich rassistisch."

Auch das Lexikon der Psychologie von Dorsch beschreibt die Persönlichkeit als etwas "überdauerndes" – liest man dann aber weiter, wird dieses Wort noch ein wenig differenzierter erläutert: Gemeint ist mitnichten, dass bestimmte – zumeist weniger angenehme – Eigenschaften einer Person für alle Zeiten in Stein gemeißelt sind. Stattdessen würde sich "überdauernd" vielmehr auf "Zeiträume von wenigen Wochen oder Monaten" in dieser Definition beziehen. Spannend. Viel spannender war unser Gespräch mit Marcus Täuber, Autor und Doktor der Neurobiologie zu dem Thema. 

Als Mitarbeiter des Instituts für mentale Erfolgsstrategien hat der Wissenschaftler eine sehr differenzierte Sicht auf das Thema Persönlichkeit und erklärt: Unsere individuellen Eigenschaften sind sehr wohl wandelbar – und das ein Leben lang. Allerdings brauch es hierfür vor allem eins: eigenen Antrieb.

Warum die "Big Five" ihrem Ziel nicht gerecht werden

Die "Big Five"-Persönlichkeitsfaktoren entstanden aus dem Wunsch heraus, Persönlichkeitsmerkmale in Worten zu beschreiben. Simpel zusammengefasst wurden sämtliche Eigenschaftswörter aus Lexika unterschiedlicher Sprachen herangezogen und auf wenige Begriffe reduziert. Hieraus entstanden die folgenden Faktoren: 

  • Neurotizismus: Der Hang zur emotionalen Labilität, Ängstlichkeit und Traurigkeit
  • Extraversion: Die Neigung dazu, gesellig und optimistisch zu sein, gegenteilig zur Introversion, der Neigung zur Zurückhaltung
  • Offenheit: Hiermit ist unter anderem das Interesse an neuen Erfahrungen und Wissbegierde gemeint
  • Verträglichkeit: Der Faktor beschreibt, wie nachgiebig und kooperationsbereit eine Person ist
  • Gewissenhaftigkeit: Beschreibt Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, eine hohe Disziplin und Leistungsbereitschaft

Ziel war es auch bei diesen Begrifflichkeiten, möglichst keine Überlappung der Bereiche zu haben. "Und Problem Nummer eins: Sie sind überlappend", sagt Dr. Täuber. So würden Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit gut zusammenpassen, denn es sei nicht selten, dass eine ängstliche, übervorsichtige Person auch besonders genau und gewissenhaft agiere, weil sie keine Fehler machen möchte. Das zweite Problem: Es seien sehr grobe, allgemein gehaltene Formulierungen. "Die Persönlichkeit ist beispielsweise auch situationsabhängig, was hier nicht abgebildet ist", so Täuber weiter. Das sei ein wenig so, als würde man untersuchen wollen, ob ein Porsche oder ein VW Käfer auf zehn Meter schneller fährt – "da kommt auch nicht viel raus". 

Würde man sich die Persönlichkeit hingegen über mehrere Jahrzehnte anschauen, "dann sieht man, dass sich die Menschen sehr wohl verändern, aber anders als gedacht". Denn entgegen der vorherrschenden Meinung seien es nicht etwa einschlägige Ereignisse, wie ein Todesfall, eine Trennung oder ein Lottogewinn, die die Persönlichkeit verändern. So etwas geschehe in kleinen Schritten, ganz nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein".

Was Persönlichkeit eigentlich ist – und was es braucht, um sie zu ändern

"Aus neurobiologischer Sicht besteht die Persönlichkeit zu großen Teilen aus Gewohnheiten im Denken, im emotionalen Reagieren und Handeln", so Täuber. Und genauso wie Automatismen wie Rauchen, Naschen und Klavierspielen erworben werden können, sei es auch möglich, die Persönlichkeit zu trainieren, erklärt der Wissenschaftler weiter. 

Doch wenn dem so ist und wir alle weit mehr Kontrolle über unsere Persönlichkeit haben, als viele von uns annehmen – warum fällt es uns dann so schwer, sie zu ändern? Zum einen, erklärt Dr. Täuber, weil wir unsere Persönlichkeit als etwas Authentisches wahrnehmen. "Dabei ist das, was 'unsere' Persönlichkeit ausmacht, sehr stark von anderen geprägt: Durch die Erziehung in den ersten Lebensjahren, durch Lehrpersonal, durch die Inputs, die wir bekommen, wie unseren Peers und den Medien."

Wir würden zu 80 Prozent durch Imitation lernen – und das Gelernte als Teil von uns sehen, weil es in Fleisch und Blut übergangen ist. "Aber das heißt ja nicht, dass es von mir frei gewählt wurde und dass ich auch so tatsächlich sein muss, wenn ich es nicht möchte", sagt der Autor. Und hierin liegt auch die Krux: "Die Frage ist ja dann: Wer möchte ich eigentlich sein?" Und wer zu dem Ergebnis kommen würde, er:sie wäre eigentlich lieber selbstbewusster, kann beruhigt sein: "Das ist etwas, woran man arbeiten kann."

Hierin liegt auch der Kern: Zunächst muss man selbst diese Veränderung wollen. Sicherlich, wir erhalten Feedback von außen und das kann zum Überdenken führen ("Mein Temperament führt oft zum Streit mit meiner Eheperson, vielleicht ist das etwas, woran ich arbeiten sollte?"), doch letzten Endes steht und fällt jede Persönlichkeitsveränderung mit einer entscheidenden Frage: Was möchte ich?

Verwendete Quellen: spektrum.de, dorsch.hogrefe.com

csc Brigitte

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