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Narzissten So gehst du am besten mit ihnen um

Narzissten: Frau auf der Straße
© Olga Moreira / Shutterstock
Narzissten sind unangenehme Menschen, weil sie extreme Egoisten sind. Und sie werden scheinbar immer mehr. Der Psychiater und Autor Dr. Pablo Hagemeyer ist selbst einer. Deswegen weiß er auch, wie man im Job und in der Beziehung ihre Fallen umgeht.

Sie bezeichnen sich selbst als "Arschloch". Was ist denn so übel an Ihnen?
DR. PABLO HAGEMEYER: 
Ich habe mich gebessert (lacht). Typisch für mich war, dass ich gern andere Leute für mich habe arbeiten lassen. Ob es darum ging, Unangenehmes im Büro zu erledigen oder zu Hause die Spülmaschine auszuräumen. Das kam in meiner Ehe nicht so gut an. Damit verfehlte ich häufig mein Ziel, angenommen zu werden.

Wie ist Ihnen der Wandel gelungen?
Man muss ihn wollen - und seine eigenen sensiblen Stellen und Inkompetenzen verstehen. In einer Therapie lernt man das. Oder, wie ich, in einer Selbstanalyse, in der therapeutischen Ausbildung. Aber Narzissmus ist ja auch nicht durch und durch schlecht.

Was ist denn daran positiv?
Jeder, der auf einem hohen Posten sitzt, hat das durch Narzissmus geschafft. Die guten Seiten sind: Leidenschaft, Selbstmotivation, die Umsetzung auch wahnwitziger Ideen. Solange das nicht auf Kosten anderer geht, ist dagegen nichts zu sagen. Das kann nur leicht kippen.

Wer sich einen narzisstischen Menschen vorstellt, hat meist einen selbstverliebten Mann vor Augen. Was ist mit weiblichen Narzissten?
Die gibt es natürlich auch. Aber bei Frauen kommt diese Persönlichkeitsstörung nur zu ca. 4,8 Prozent vor, bei Männern zu 7,7 Prozent. Narzisstinnen sieht man vermehrt im Finanzwesen oder in Reality-Shows. Insgesamt ist weiblicher Narzissmus wenig erforscht, denn die Betroffenen "arbeiten" oft nicht so offensichtlich wie Männer.

Das Thema boomt momentan ja geradezu. Es gibt etliche Bücher und Podcasts dazu, regelmäßig hört man von Frauen, dass sie auf einen Narzissten reingefallen sind ...
Der Narzissmus-Boom ist in den Sozialmedien extrem, ob der immer psychopathisch ist, glaube ich nicht. Insgesamt hat es auch immer etwas mit den Frauen zu tun, ob sie selbst co-narzisstisch oder emotional instabil waren, wenn sie zum Opfer geworden sind. Oder umgekehrt mit den Männern, die sich in eine Narzisstin verlieben. Was bei allen gleich ist bei der Partnerwahl: Sie brauchen ein passendes Gegenstück.

Welche Menschen gehören denn ins Raster des Narzissten bzw. der Narzisstin?
Typische Opfer neigen dazu, sich dem Partner oder der Partnerin nahezu in euphorischer Selbstnarkose zu unterwerfen, sie haben perfekte, übertriebene Ansprüche an sich selbst und den Partner, sind irrwitzig harmoniesüchtig und versuchen immer, gut dazustehen und anderen oberflächlich-freundlich zu begegnen. Wer sich da wiedererkennt, sollte sich am Anfang einer neuen Beziehung untypisch zu seinen Schemata verhaltne. Dann zieht der pathologische Narzisst, der sonst diese Illusion anfeuert, gelangweilt weiter.

Was heißt das konkret?
Wer sich zum Beispiel normalerweise sehr um einen Partner kümmert, sollte dann bewusst Dinge für sich machen und abgrenzen. Einfach als Test. Wenn eine Frau sich gut um sich kümmert, wird sie für Narzissten sehr schnell unattraktiv.

Klingt logisch. Trotzdem denke ich gerade daran, wie sehr Opfer immer von der Anfangsphase mit einem Narzissten geschwärmt haben. Da regnet es Liebe.
Ja, das Umschwärmen eines Narzissten wirkt magnetisch. Man kann das ja durchaus genießen. Aber dann ist die Frage: Kommen die eigenen Bedürfnisse auch zum Zug? Wenn nicht, sollten die Alarmglocken schrillen.

Und wie ergeht es umgekehrt Männern, die an eine narzisstische Frau geraten?
Grundsätzlich ticken beide Geschlechter nach demselben Muster: der Sucht nach Anerkennung. Zunächst zeigen auch Frauen das überbordende, positive Echo, das "Mann" hören will, überhöhen seine tollen Qualitäten, um im weiteren Verlauf der Beziehung mehr und mehr in der ausbeutenden Position zu stehen und ihre egozentrischen Ziele durchzusetzen. Das Wirkungsfeld narzisstischer Frauen ist leider auch die Familie, sie "missbrauchen" demnach nicht nur den Partner, sondern auch ihre Kinder emotional.

Was kann die andere Seite tun: Wie wird mein narzisstischer Partner oder meine narzisstische Partnerin verträglicher?
Die oberste Regel heißt Abgrenzung. Narzisst*innen haben ein Problem mit Empathie, deshalb muss man klare Linien setzen. Wer sich immer wieder einspannen lässt, auch wenn es nur kleine Ding sind, lässt sich missbrauchen.

Was wäre die beste Ansage?
Narzisstische Menschen spüren nur ganz eindeutige Sätze. Wenn man denen niederschwellig sagt: "Das finde ich doof so", hören die das gar nicht oder fühlen sich angegriffen. Man muss der oder dem anderen direkt in die Augen gucken und sagen: "Du bist toll", denn Kritik sollte man immer in Lob verpacken, und dann: "Aber dieses Verhalten an dir lehne ich leider ab!" Danach muss er oder sie diese Ablehnung konsequent spüren. Narzisstinnen und Narzissten sollte man sich wie ein elfjähriges Kind vorstellen und auch so mit ihnen reden. Er wird Sie dann entweder verlassen oder lernt dazu.

Und mit der narzisstischen Chefin? Rede ich mit der auch wie mit einem Kind?
Im Stressfall: Auch die Chefin immer erst mal loben, das beruhigt alle Narzissten. Dann sollte man sie aber bei einer schlechten Entscheidung auf die Konsequenzen hinweisen, weil die dafür keinen Blick hat. Ein Satz wie: "Wenn wir es so machen, wie Sie vorschlagen, und es schiefgeht, wird es auch negativ auf Sie zurückfallen." Das kleine Wörtchen "auch" ist entscheidend. Man nimmt die Chefin mit in die Verantwortung, die sie als Narzisstin vermeidet. Das weckt sie aus dem narzisstischen Autopiloten.

Ziehen Narzisst*innen im Job nicht immer ihr Ding durch?
Das sind die pathologischen Fälle, die sich nie ändern. Diese Leute bauen fortlaufend Bockmist. Das ist ja auch an Narzissten in der Öffentlichkeit zu beobachten. Donald Trump etwa ist ja psychopathisch-narzisstisch und hat damit die größte Finanz- und Gesundheitskatastrophe im eigenen Land produziert. Der empfängt Signale von außen nicht, sondern hält sich für den Größten und kann und will nicht aus der Selbstbestätigungsspirale aussteigen.

Wie wird man eigentlich zum Narzissten?
Das ist kompliziert. Erstens wird das Temperament vererbt. Zweitens ist es umso wichtiger, in welchem Umfeld und wie Bezugspersonen einen prägen. Eine herzlose Mutter und ein leistungseinfordernder Vater, eine Familie, die weder Liebe noch Sicherheit gibt, kombiniert mit einem nach außen geführten Leben, sind die besten Voraussetzungen für Narzissmus. Ein warmherziges, emphatisches und im besten Sinne menschliches Umfeld ist die beste Prophylaxe.

Als Therapeut versuchen Sie, narzisstischen Menschen ihre grässliche Fratze zu zeigen, wie Sie sagen. Was heißt das?
Ich sage meinen narzisstischen Klienten - und ja, es sind eben fast ausschließlich Männer - , was sie nicht können. Natürlich nicht in der ersten Stunde und auf charmante Art. Die Spaltung dieser Menschen zum authentischen Selbst ist sehr groß. Erst braucht es da Selbstempathie-Übungen, ich frustriere sie milde, aber nachhaltig. Dann arbeite ich alle ab, die Eltern, die Ehefrau, den Chef, die Kinder, denn für Narzissten sind immer die anderen die Bösen. Wenn man von allen die Schuld entkräftet hat, kommt man zum Patienten und der eigenen Verantwortung im Leben.

Führt das zu einer Persönlichkeitsveränderung?
Etwas Scheiße bleibt immer hängen. Aber sie werden demütiger. Wenn Narzissten ihre menschliche Seite entdecken, ist das sehr rührend. Da weinen auch mal Vorstände und harte Kerle.

Dass die überhaupt zu Ihnen kommen ...
Das passiert oft in der Midlife-Crisis oder wenn durch Rückschläge ihr Super-Ego zusammenkracht. Die haben dann Symptome einer Depression, Angststörung oder Burn-out. Toxische Führungskräfte treffen auch unethische oder unwirtschaftliche Entscheidungen, nur um nicht klein beizugeben. Scheitern ist keine Option. Aber damit scheitern sie erst recht.

Dr. Pablo Hagemeyer, 50, ist Fach­arzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Weilheim/Ober­bayern. „Gestatten, ich bin ein Arschloch“, sein Buch über Narzissten (256 S., 13 Euro, Eden), wurde ein Bestseller.

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