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Pack die Wanderschuhe ein Autorin verrät: Warum Pilgern zurecht im Trend ist

Melanie Wolfers: Etappe des Jakobsweges
© Jose Arcos Aguilar / Shutterstock
Pilgern ist ein Mega-Trend, selbst bei Menschen, die mit Religion wenig zu tun haben. Die Ordensfrau und Autorin Melanie Wolfers erklärt, was daran so reizvoll ist.

Leise klingelt es neben meinem Kopf. Es ist 4.50 Uhr. Ich krieche aus meinem Schlafsack, suche im Dunkeln meine Flöte und wecke die Pilgergruppe mit Musik. Still machen wir uns zurecht, essen eine Kleinigkeit und schultern unsere Rucksäcke. Die kommende Stunde gehört jeder und jedem ganz persönlich: Im Schweigen wandern wir in den anbrechenden Tag hinein. Seit 15 Jahren pilgere ich jährlich mit jungen Erwachsenen durch die umbrischen Berge nach Assisi. Pilgern boomt seit Langem, die Zahl derjenigen, die sich auf den Weg machen, wächst stetig. So trafen 2019 knapp 350000 Pilgerinnen und Pilger allein in Santiago de Compostela ein, dem Zielort des über - aus beliebten Jakobswegs.

Die verschiedenen Pilger-Typen

Aber wer ist da eigentlich unterwegs? Und warum? Der Hagener Sozialforscher Christian Kurrat beschreibt verschiedene "Pilger-Typen": Da gibt es zum Beispiel den "Bilanzierer", der nach einem runden Geburtstag wie dem 50sten auf sein bisheriges Leben zurückschauen möchte. Die "Auszeitnehmerin", die eine Pause vom Hamsterrad will. Oder den "Übergangspilger", der vor dem Beginn eines neuen Lebensabschnitts steht – etwa dem Eintritt ins Rentenalter – und sich über die Möglichkeiten des Kommenden klarer werden möchte. Aber sie alle wollen sich aus dem normalen Rhythmus ausklinken – meist, um sich selbst mehr zu finden oder um aus der Distanz heraus klarer zu sehen. Das lange Wandern wirkt sich nicht nur auf das körperliche, sondern auch auf das seelische Wohlbefinden positiv aus. Denn unser Körper vermag vieles zu verarbeiten, was die Seele belastet. Im Gehen lösen sich Blockaden, Ziele kommen wieder in Blick. Wenn sich Gedanken und Gefühle zu einem festen Knäuel verknotet haben, schafft das Gehen äußeren und inneren Raum. Das Schauen in die Ferne oder in das tief gelegene Tal weitet den Blick. Sorgen können sich relativieren und neue Perspektiven eröffnen. Kurz gesagt: Pilgern bringt uns körperlich und seelisch wahrhaft über den Berg.

Mit sich wieder ins Reine kommen

Hinzu kommt: Das Schritttempo bringt uns am dichtesten an die Welt heran. Beim Gehen kann unser Gehirn mit den Füßen Schritt halten. Wir spüren den Wind auf der Haut, riechen den Duft von wildem Thymian, hören den Gesang der Nachtigall… Die Natur hilft zu spüren, was es heißt, lebendig zu sein. Und weckt die Ahnung: Ich bin verbunden mit einem großen Ganzen. Wer meint, beim Pilgern jeden Tag zu Hause anrufen oder diverse Bilder posten zu müssen, verpasst die Chance, sich für eine gewisse Zeit aus den alltäglichen Bindungen zu lösen und wirklich Neues zu erfahren. Daher steht in meiner Packanleitung fürs Assisi-Pilgern: Lass dein Handy ausgeschaltet. Apropos Packen: Viele erleichtern ihr Gepäck im Laufe der ersten Tage, weil sie merken, dass sie manches gar nicht benötigen. Beim Pilgern lässt sich erfahren, wie wenig man letztlich braucht und damit wirklich zufrieden ist. Und so, wie im Rucksack nur Platz für die wichtigsten Dinge ist, wächst unterwegs die Aufmerksamkeit für das Wesentliche: Was bewegt mich? Wohin zieht es mich? Was schleppe ich mit mir herum? Was will ich zurücklassen? Was aber sicher ist: Nach dem Pilgern nehmen alle einen Rucksack voll reicher Erfahrungen mit in den Alltag. Wenn ich, nach Hause zurückgekehrt, in den Spiegel schaue, habe ich persönlich oft den Eindruck: Ich bin mir selbst ein Stückchen ähnlicher geworden. Und ich habe wieder Ausdauer – fürs Wandern und fürs Leben.

Lust auf weitere Lebensthemen?

Der neue Podcast von Bestseller-Autorin Melanie Wolfers heißt: "Ganz schön mutig". Für alle, die das Leben leben wollen, das zu ihnen passt: mutig, selbstbewusst, engagiert. Unter www.melaniewolfers.de/podcast.

Brigitte

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