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Megatrend Manifestation Träumst du noch oder manifestierst du schon?

Silhouette einer Frau, die auf einem Stein steht, umgeben von Sternen und der Milchstraße am Nachthimmel
© den-belitsky / Adobe Stock
Ob Traumjob oder große Liebe – das Aussprechen und Visualisieren unserer Wünsche soll helfen, dass sie wahr werden. Manifestation ist der neue Megatrend. BRIGITTE-Autorin Monika Dittombée geht der Sache auf den Grund.

Meine Freundin Bea hat es schon vor zehn Jahren getan: "Ich bin ein Geldmagnet", war der Satz, den sie mindestens einmal am Tag laut ausgesprochen hat. Nach einigen Wochen bekam sie eine Führungsposition in den Niederlanden angeboten, verbunden mit einem sechsstelligen Jahresgehalt. Bisher habe ich das für Zufall gehalten, aber seit einer Weile höre ich von immer mehr Freundinnen, dass sie manifestieren. So hat Anna zum Beispiel über viele Wochen jeden Tag eine Kerze angezündet und sich ihren Ex zurückgewünscht: "Johann und ich sind wieder zusammen." Monate später rief er an, schlug ein Date vor. Doch da war Anna schon neu verliebt.

Was ist das eigentlich, dieses Manifestieren?

Ich wundere mich und lese nach. Manifestieren meint, Glaubenssätze, sogenannte Affirmationen, immer wieder auszusprechen, als wären sie bereits eingetroffen. Denn dann werde das Erwünschte Wirklichkeit werden. Der Satz sollte dabei möglichst kurz und konkret sein. Wer vom eigenen Buch träumt, kann zum Beispiel sagen: "Ich freue mich, dass mein Roman so viele Menschen glücklich macht."

Manifestieren trendet, vor allem in den sozialen Medien. Videos mit dem Hashtag #manifestation auf Tiktok wurden über elf Milliarden Mal abgerufen. Auch viele "Life Coaches" haben sich auf Manifestation spezialisiert, mit Onlinekursen oder Auftritten vor Tausenden Menschen. Als "Spiritueller Coach und Visionärin" bezeichnet sich etwa Laura Malina Seiler. Sie ist auf allen Kanälen aktiv: 418.580 Instagram-Follower, Bücher, eine App und der "Podcast für moderne Spiritualität: happy, holy & confident" und erreicht mit einfachen Messages wie "Erkenne das Wunder, das du bist" Massen. Klingt hübsch, zündet nur nicht bei mir. Im Video, das ich mir von ihr anschaue, trägt sie einen Hut und klimpert auf einer Gitarre. Dazu kichert sie viel und betreibt reichlich Selbstmarketing: Man soll abonnieren, sich registrieren für den nächsten Event, denn die Plätze sind – na klar – begrenzt. Ihre "111 Affirmationen für deine Manifestationspower" soll ich täglich hören, auch unter der Dusche. Nach zwei Minuten klicke ich weg. Das ist mir zu wenig Substanz, zu sehr "Lebenshilfe light", zu penetrante Verkaufsveranstaltung.

Das eigene Glück in der Hand haben

Doch der Gedanke, sich das Leben schön zu malen und stets in Verbindung mit meinem "höheren Selbst" zu sein – wo auch immer sich das gerade aufhält – besitzt Charme. Der Manifestationsboom zeigt, dass es eine Menge Menschen zu geben scheint, die auf Anpassung, Leistungsdruck und hierarchische Strukturen keine Lust mehr haben, sondern lieber ihre Individualität entdecken, sich als Schöpfer des eigenen Daseins fühlen wollen. Eine Sehnsucht, die angesichts großer Krisen verständlich scheint. Wenn man schon das Weltgeschehen nicht beeinflussen kann, wirkt die Rückbesinnung auf das eigene Ich tröstlich. Das Zukunftsinstitut von Matthias Horx sieht die Achtsamkeitsbewegung als Antwort auf Digitalisierung, Globalisierung und die zunehmende Schnelligkeit des modernen Lebens. Einer der Megatrends für 2024 laut Horx: Individualisierung.

Da passen Sätze wie "Wir sind Schöpfer unserer eigenen Realität" doch sehr gut zum Zeitgeist. Der stammt aus dem Bestseller "The Secret" der australischen Autorin Rhonda Byrne. Darin will sie das Geheimnis des Glücks entdeckt haben: nämlich dass wir alles manifestieren können, was wir wollen. Durch das "Gesetz der Resonanz" könnten wir durch unsere Energie der guten Gedanken konkrete positive Dinge in unser Leben hineinholen.

Wie weit reicht der eigene Einfluss wirklich?

Mal davon abgesehen, dass mir das schon ein bisschen nach Esoterik klingt, setzt hier auch die Kritik ein, der Riss. Im Umkehrschluss würde das ja bedeuten, dass du selbst schuld bist, wenn der Kinderwunsch sich nicht erfüllt, der Traumjob an jemand anderen geht oder du eine schwere Krankheit bekommst. Zu negativ gedacht, zu wenig manifestiert? An dieser Stelle bin ich raus.

Ich nehme einen neuen Anlauf, der deutlich seriöser klingt: Dr. James R. Doty ist Professor für Neurochirurgie an der Universität Stanford und hat gerade ein Buch verfasst, wie gesprochene Affirmationen und Visualisierungen tatsächlich unser Unterbewusstsein verändern (siehe nächste Seite). James Doty betont die Neuroplastizität des Gehirns, das sich ein Leben lang in Struktur und Funktion verändern kann – durch Erfahrung, Intention, durch Wiederholung und positive Gefühle. Manifestieren sieht er als aktiven Vorgang, in dem kleine Schritte zum Ziel führen. Klingt gut, ist aber mit Aufwand verbunden, da unser Hirn es möglichst bequem haben will, um Energie zu sparen. Es blockiert Reize und filtert die meisten unserer Eindrücke bewusst aus: "Ungefähr zehn Millionen Datenbits an Informationen dringen sekündlich auf unseren Geist ein – das entspricht in etwa der Menge von zehn Spielfilmen in HD-Qualität. Allerdings kann unser Geist nur etwa fünfzig Bits pro Sekunde bewusst verarbeiten", schreibt Doty.

Unser Gehirn mit der Erfüllung unserer Wünsche vertraut machen

Ein massiver Teil der Bandbreite unseres Hirns steht unserem Bewusstsein gar nicht zur Verfügung. Infolge dieser riesigen Verarbeitungslücke sei unser Hirn eher auf Unaufmerksamkeit und Untätigkeit als auf Aufmerksamkeit und Wahlmöglichkeiten programmiert. "Ähnlich wie ein Stubenhocker mit festgefahrenen Gewohnheiten, der stöhnt und es sich lieber auf der Couch bequem macht, statt auf eine Party zu gehen, widersetzt sich unser Gehirn neuen Erfahrungen, die es dazu zwingen könnten, seine komplexen Verschaltungen zu ändern", erklärt der Neurowissenschaftler.

Mit Blick auf die Manifestation heißt das: Wenn unser Hirn nicht ausreichend mit unserem Wunsch vertraut ist und dessen Erfüllung eine komplett neue Erfahrung bedeutet, wird es diesen Wunsch automatisch zurückweisen, weil die neue Information zu viel Energie verbraucht. Doty benutzt das Bild des Eisberges. Nur zehn Prozent unserer Wahrnehmung erfolgt bewusst und im Wachzustand – das ist der Teil des Eisbergs über dem Wasser –, während das Unterbewusste und Unbewusste die übrigen 90 Prozent umfassen, die unterhalb der Wasseroberfläche versteckt liegen.

Im Flow das Unterbewusstsein besser steuern

Wie können wir dieses monströse Schattenkabinett nutzen, um unser Leben zu verbessern? Indem wir Rituale, Meditationen und Visualisierungsübungen regelmäßig wiederholen, gelangen wir in einen Flow-Zustand, in dem wir unser Unterbewusstsein füttern können. "Die Versenkung in unsere innere Vision ist der Zustand, der uns an die Kreativität anschließt und unsere Intention in unserem Unterbewusstsein klarer aufscheinen lässt. Die Magie dabei: Während wir unseren normalen Alltag bestreiten und nicht ständig über unsere Wünsche nachdenken, verarbeitet unser Unterbewusstsein diese weiterhin." Wenn wir also dem Unterbewusstsein beibringen, nach Verbindung, Freude, Erfüllung und Erfolg Ausschau zu halten, werden wir auch immer mehr Möglichkeiten entdecken, diese positiven Gefühle in der Realität zu erleben.

Auch Bea ist sich sicher, dass nicht allein der Satz vom Geldmagnet ihr geholfen habe. Die Affirmation habe dazu geführt, dass sie sich überhaupt mit dem Thema Geld intensiver beschäftigt hat. Sie hat ihre innere Haltung dazu durchleuchtet und eine positive Sicht auf Fülle und Wohlstand entwickelt. Wie und wo kann man sparen oder investieren? Welche Rücklagen sind nötig? Wo werden die höchsten Zinsen geboten? "Ich habe aktiv mit meiner Manifestation zusammengearbeitet", so Bea.

Was mich angeht: Ein richtiges Manifestationsobjekt habe ich noch nicht. Eher ein diffuses Wunsch-Bild einer neuen Wohnumgebung: wieder nah am Strand, jedoch städtischer und trotzdem ruhig, mit Blick ins Grüne und in einer stillen Straße. Dafür müssen aber erst noch 99 andere Dinge geschehen. Doch ich habe angefangen, diese Vorstellung noch bunter zu malen. Das allein gefällt mir – und ich bin gespannt, was noch alles daraus wird.

Neugierig geworden? So geht's

Zu jeder Übung gehören eine ungestörte Umgebung, eine lockere Sitzhaltung, entspannte Muskeln mit Konzentration auf die Atmung. James Doty empfiehlt außerdem, jeden Wunsch auf einem Zettel sichtbar zu platzieren, etwa am Kühlschrank oder im Auto.

Fokussiere deinen Geist

Gibt es eine simple Aktivität, die du gern in deinem Alltag einbauen möchtest? Etwa ein Spaziergang nach dem Aufstehen. Diese neue Gewohnheit sollte visualisiert werden, sodass man sich selbst zuschaut und sich das Gefühl vorstellt, wie man sich danach fühlen wird, etwa erfrischt und stolz. So werden alle Prozesse eingebunden, die mit dem Verankern einer Intention im Hirn zu tun haben.

Verstehe, was du wirklich willst

Was bedeutet Erfolg für Sie? Konzentrieren Sie sich dabei nicht nur auf ein Bild, sondern lassen Sie den Geist ein paar Minuten frei schweifen. Sehen Sie sich selbst als erfolgreichen Menschen und was dies für Sie umfasst. Erleben Sie Ihren Erfolg mit allen Sinnen: Wie sieht er aus? Wie fühlt er sich an? Wie klingt oder schmeckt er?

Beseitige die Hindernisse in deinem Geist

Rufe dir eine Situation ins Gedächtnis, in der du dich umsorgt und geschätzt gefühlt hast. Erlaube diesen positiven Gefühlen, dass sie dein Erleben vollständig durchdringen. Nun lasse behutsam einige negative Glaubenssätze zu. Beobachte sie in deinem Geist, ohne sie zu bewerten. Schreibe für jeden negativen Glaubenssatz nun dessen Gegenteil auf, etwa: "Ich bin es wert." Versuche, dir klar vorzustellen: Wie wird es sein, wenn du dies erreicht hast?

Zum Weiterlesen: James R. Doty: "Mind Magic. Wie du dein bestes Leben manifestierst – neurowissenschaftlich erklärt" (336 S., 24 Euro, O.W. Barth)

Monika Dittombée wundert sich, warum manche Life-Coaches trotz einfacher Botschaften so erfolgreich sind. Manifestation ist schließlich viel mehr.

Brigitte

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