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Mental Health Matters Manuel Cortez und sein Leben mit der Angst

Manuel Cortez
© Linda Saal
Zittern, Ohnmachtsanfälle, Blackouts: Schauspieler Manuel Cortez erklärt bei "Mental Health Matters", wie kräftezehrend eine Angststörung sein kann. +++ TW: Im Interview wird das Thema Angststörung behandelt. +++
"Ich habe sozusagen einen Krieg gegen mich geführt", erzählt Manuel Cortez, 41, im "Mental Health Matters"-Interview. Mit diesem Satz beschreibt er seinen jahrelangen Leidensweg. Im Alter von circa 24 Jahren wurde der durch "Verliebt in Berlin" bekannt gewordene Schauspieler zum ersten Mal mit seiner Angststörung konfrontiert:
"Es passierte an einem Abend, bevor ich für Dreharbeiten nach Ibiza fliegen musste. [...] Ich ging auf Toilette und von der einen auf die andere Sekunde bekam ich ein ganz komisches, unruhiges Gefühl in mir. Alles fühlte sich so unwirklich an [...]. Alles war plötzlich so fremd."
Wie Manuel dann seine erste Panikattacke erlebte, wieso das Ende von "Verliebt in Berlin" ein Schlüsselerlebnis war und wieso die Teilnahme an "Let's Dance" sich wie ein Folterlauf anfühlte, erzählt er im Interview.

Manuel Cortez spricht offen über seine Angststörung

GALA: Wie hat sich dieses Angstgefühl körperlich geäußert?
Manuel Cortez: Ich hatte Herzrasen, mir wurde schwindelig und ich wurde nervös. Ich wollte meinen Puls fühlen und habe meinen schnellen Herzschlag gespürt. Dann wurde ich noch nervöser und mir wurde schlecht. Meine Hände wurden eiskalt, ich fing am ganzen Körper an zu zittern. Das war meine erste Panikattacke.

Ich konnte mit dieser Angst, die aus dem Nichts kam, nicht umgehen, weil ich dieses Gefühl nicht kannte und war extrem verunsichert. Mit diesem Erlebnis fing die Angst an, mich ständig zu begleiten.

Hatten Sie immer dieselben körperlichen Symptome?
Ja, meistens schon. An folgenden Frühwarnsignalen habe ich gemerkt, dass die Angst wiederkommt: kribbelnde, taube Hände; einen Tunnelblick, bei dem man merkt, dass die Realität und die Wahrnehmung sich einschränken; Herzrasen, Kurzatmigkeit und Nervosität; ein sich ausbreitendes Druckgefühl auf der Brust.

In schlimmen Fällen – die hatte ich aber auch nur drei- bis viermal – habe ich Lähmungen der Gliedmaßen und Ohnmachtsanfälle erlebt.

Wie hat sich die Angsterkrankung damals auf Ihren Beruf ausgewirkt?
Ich hatte totale Angst, dass die Leute am Set merken, was mit mir nicht stimmt. Da kommt der ganze Druck zusammen: Du willst, dass keiner mitbekommt, wie schlecht es dir geht. Du hast Angst, dass du den Job verlierst – gerade als Schauspieler. Wenn du krank bist, kann halt der ganze Film platzen. Und ich wollte nicht, dass sich das in der Branche rumspricht und ich dadurch keine Rollen mehr bekomme. Das war ein ständiger Kreislauf, der die Angst immer größer werden ließ.

Haben Sie sich vor den anderen für Ihre Angst geschämt?

Ich wollte erst nicht, dass andere von der Erkrankung erfahren, weil ich mein Bild in der Gesellschaft nicht zerstören wollte.

Ich hatte Angst, als verrückt zu gelten, hatte aber auch selbst Angst, verrückt zu werden – bevor ich wusste, dass ich an einer Angststörung leide. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, in der psychisches Leiden als verpönt gilt. Wir müssen auf hohem Niveau funktionieren, leisten und präsentieren. Wenn wir das nicht können, sind wir Mangelware. Heute gibt es zwar immer mehr, die über ihr psychisches Leiden sprechen, doch da stehen wir leider immer noch ganz am Anfang.

Hat die Angst Ihr Leben eingeschränkt?
Viele Betroffene versuchen ja, angstauslösende Situationen zu meiden und ihr Leben um die Angst herumzubauen. Ich nicht. Ich war zum Glück immer jemand, der sich in Angstmomenten nicht hat einschränken lassen – aufgrund meiner Wut, meines Trotzes und meines Mutes, den ich Gott sei Dank besitze. Dennoch musste ich mich permanent dem Konflikt mit meiner Angst stellen.

2006 spielt Manuel Cortez an der Seite von Alexandra Neldel (Mitte) in der Sat.1-Telenoveal "Verliebt in Berlin" den crazy Werbe-Profi "Rokko Kowalski".
2006 spielt Manuel Cortez an der Seite von Alexandra Neldel (Mitte) in der Sat.1-Telenoveal "Verliebt in Berlin" den crazy Werbe-Profi "Rokko Kowalski".
© imago images

Nach "Verliebt in Berlin" hatte Manuel ein Burn-out

Und die Angst wurde durch die ständige Konfrontation nicht kleiner?
Nein und genau das hat mich auch extrem viel Kraft gekostet. Problematisch war: Ich bin nicht den Ursachen und Auslösern meiner Angst auf den Grund gegangen, sondern habe mich einfach nur gegen meine Angst gestellt.

Ich habe sozusagen einen Krieg gegen mich geführt. Doch ein solcher Zustand ist nicht die Lösung des Problems. Dadurch bin ich nach Jahren irgendwann an einen körperlichen Endpunkt angekommen, an dem ich keine Kraft mehr hatte.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, an dem Sie gemerkt haben, dass Sie so nicht weiterleben können – vielleicht Ihr Burn-out direkt nach "Verliebt in Berlin"?
Ja, das war eines der Schlüsselerlebnisse. Ich habe in Etappen Dinge über mich und meine Themen gelernt, von Angstattacke zu Angstattacke – das war ein langer Weg. Was mir anfangs am meisten geholfen hat, war zu erkennen, dass ich "nur" Angst hatte. So konnte ich besser einordnen, was mit mir los war und ich wusste, dass die Angst mir eigentlich nichts tun kann.

Wann haben Sie sich professionelle Hilfe geholt?
Erst nach vielen Jahren. Ich habe Therapien ausprobiert, die mir aber nur geholfen haben, mit den körperlichen Symptomen wie Kurzatmigkeit oder Nervosität besser umzugehen. Ich konnte dadurch Panikattacken früher erkennen. Das war eine große Hilfe, aber ich war weit entfernt davon, geheilt zu sein; denn die Therapien sind nicht dem Auslöser meiner Ängste auf den Grund gegangen.

"Let's Dance": "Ab der zweiten Show war die Teilnahme für mich ein Folterlauf."

Nachdem Sie mit Ihren Symptomen gelernt haben, besser umzugehen, hatten Sie während Ihrer "Let's Dance"-Teilnahme 2013 einen Rückfall. Plötzlich war die Angst wieder da.
Ja, als "Let's Dance" anfing, habe ich gedacht, meine Angst im Griff zu haben. Das war aber eine Illusion. Wenn du an dieser Show teilnimmst, wirst du als Kandidat öffentlich bewertet und manchmal auch gedemütigt. Du stehst vor der Jury, hast alles gegeben, doch aus dem Show-Effekt heraus kriegst du ziemlich heftige Kritik.

Was hat diese Art der Bewertung mit Ihnen gemacht?

Du stehst da vor einem Millionenpublikum und musst dir anhören, wie kacke Du bist.

Das hat in mir meine gesamten Trigger ausgelöst, die wiederum verantwortlich sind für meine Angststörung. Ab der zweiten Show war die Teilnahme für mich ein Folterlauf. Ich wusste zu Beginn jeder Sendung nicht, ob ich das überstehe oder ein Blackout oder eine Panikattacke bekomme.

Manuel Cortez und Melissa Ortiz-Gomez haben beim RTL "Let's Dance"-Finale 2013 gewonnen.
Manuel Cortez und Melissa Ortiz-Gomez haben beim RTL "Let's Dance"-Finale 2013 gewonnen.
© Getty Images

Dennoch habe ich mich von Sendung zu Sendung immer mehr von diesen Ängsten befreien können, und zwar mithilfe von Hypnose. Am Ende habe ich sogar gewonnen, aber das war ein unglaublicher Kraftaufwand.

Welche Trigger waren das, die Ihre Angststörung und Panikattacken ausgelöst haben?

Die Ablehnung durch meinen Vater war ein großes Thema und auch die Respektlosigkeit

– also von anderen von oben herab behandelt zu werden; von anderen ausgelacht und ausgegrenzt zu werden und von anderen vermittelt zu bekommen, weniger Wert zu sein. Verlust war ein weiteres großes Thema; alleine dazustehen, niemanden trauen zu können. Auch meine Legasthenie zählte dazu. Durch sie hatte ich immer große Schwierigkeiten in der Schule; ich war immer der Außenseiter; ich habe immer zu einem bestimmten System nicht gepasst.

Durch Hypnose hat Manuel die Auslöser seiner Angst erkannt

Durch die Hypnose haben Sie diese Trigger erkannt. Was haben Sie noch gelernt?
Ich habe gelernt, dass weder der Mensch, der vor mir steht, noch die Situation an sich die wirklichen Angstauslöser sind. Beides erinnert mich nur an meine Erfahrungen, meine Traumata aus der Kindheit und Jugend, die wiederum meine Ängste auslösen. Diese Trigger aufzuarbeiten, habe ich mir später auch beruflich auf die Fahne geschrieben.

Nun haben Sie eine eigene Praxis namens "Freigeist Hypnose". Wie wird dort Menschen geholfen?
In die Praxis kommen Klient*innen mit emotionalen Defiziten und Disharmonien. Hier können Pakete gebucht werden. Begonnen wird mit einem Analysecoaching im Umfang von zehn bis 20 Stunden – je nach Klient*in. Das ist eine klassische Coaching-Einheit mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen, bestehend aus Achtsamkeits-, Meditationsübungen, Ursachenforschung und den Fragen: Wo komme ich her? Welche frühkindlichen Prägungen habe ich? Welche Auslöser aus der Vergangenheit bringen mich dazu, heute so emotional zu reagieren?

Manuel Cortez hat eine professionelle Hypnoseausbildung absolviert. In seiner Praxis "Freigeist Hypnose" bietet er Coachings und hypnotische Sitzungen für Klient*innen mit emotionalen Defiziten an.
Manuel Cortez hat eine professionelle Hypnoseausbildung absolviert. In seiner Praxis "Freigeist Hypnose" bietet er Coachings und hypnotische Sitzungen für Klient*innen mit emotionalen Defiziten an.
© privat

Daraus wird ein Fahrplan, also eine Motion-Mindmap erstellt, mit der es ins 1-zu-1-Gespräch geht. Hier wird in hypnotischen Sitzungen genau auf die Wunden und Konflikt-Erfahrungen eingegangen, die für die emotionalen Disharmonien verantwortlich sind.

Wie geht es Ihnen heute mit ihrer Angst?
Nach meinem 17-jährigen Erfahrungsweg kann ich sagen: Sehr gut! Klar gibt es Tage, an denen ich mich nicht gut fühle, an denen alte Muster meiner Angst hochkommen, aber ich hatte schon seit langer Zeit keine Panikattacke mehr. Seit vielen Jahren lebe ich bereits ohne diese körperlichen Symptome.

Doch frei von Angst werde ich nie sein, das ist keiner. Angst gehört zum Leben dazu.

Ich kenne aber mittlerweile meine Trigger und habe gelernt, mit ihnen umzugehen und die Angst als meinen Verbündeten zu sehen und nicht als meinen Feind.

Hilfe bei Angststörungen

Erkennen Sie bei sich Anzeichen einer Angststörung? Bei der kostenlosen Online-Beratung der Deutschen Angst-Hilfe e.V. wird Ihnen schnell und anonym geholfen. Weiterführende Informationen zur Erkrankung und Selbsthilfegruppen finden Sie auf der Stiftungswebsite.

Verwendete Quelle:eigenes Interview

Dieser Artikel ist ursprünglich auf GALA.de erschienen.

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