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Lucky-Girl-Syndrome Ist mit dem TikTok-Trend das Glück zum Greifen nah?

glückliche junge Frau mit Surfbrett unter dem Arm
© PhotoBook / Adobe Stock
Auf Tik-Tok macht ein neuer Trend die Runde. Viele User:innen manifestieren jetzt ihr Traumleben und nennen den Vorgang Lucky-Girl-Syndrome. Funktioniert das wirklich?

New year, new me. Der Jahresbeginn ist in der Regel gefüllt mit Vorsätzen und dem Versprechen, das eigene Leben grundlegend zu ändern. Obwohl es nie verkehrt sein kann, sich im Leben Ziele zu setzen, können Neujahrsvorsätze manchmal nach hinten losgehen. Statt des gewünschten, verbesserten Lebensgefühls verspüren wir ein persönliches Versagen, wenn wir die Vorsätze im ohnehin schon stressigen Alltag nicht umsetzen können. Wie wäre es alternativ mit der Absicht, die Dinge einfach mal langsam angehen zu lassen? Vielleicht ist aber auch das Lucky-Girl-Syndrome, welches gerade auf TikTok viral geht, die Lösung …

Was ist das Lucky-Girl-Syndrome?

"Hört zu, was ich jetzt sage, denn das wird euer verdammtes Leben verändern. […] Ich halte mich wirklich für einen der glücklichsten Menschen, den ich kenne", sagt die TikTokerin Laura Galebe Mitte Dezember in einem ihrer Videos. Sie ist die Pionierin der aktuellen Lucky-Girl-Syndrome-Bewegung auf der Video-Plattform. Ihr Video wurde schon fast vier Millionen mal angesehen (Stand: 05.01.2023). Aber was genau ist ein "Lucky Girl"?

Das Lucky-Girl-Syndrome ist ein Manifestationstool und ein kompletter Bewusstseinswandel. Es ist der Glaube, dass du der glücklichste Mensch der Welt bist. Dass dir viele Gelegenheiten einfach in den Schoß fallen, weil du so viel Glück hast. Und dass sich am Ende immer alles zum Guten wenden wird. Klingt schon fast toxisch positiv, oder?

Mittlerweile sind viele weitere TikTok-Nutzerinnen auf den Zug aufgesprungen und berichten ebenfalls von positiven Erfahrungen. Wie die TikTok-Nutzerin "@skzzolno" in einem Video berichtet, wurde mit ihrer Affirmation "Alles wird gut für mich", wirklich alles gut – von der bevorzugten Unterbringung im Studentenwohnheim bis hin zum Bestehen von Studienfächern. Kann das wirklich funktionieren oder werden wir bloß an der Nase herumgeführt?

Wie funktioniert das Lucky-Girl-Syndrome?

Das Lucky-Girl-Syndrome basiert auf dem Gesetz der Annahme. Die meisten Menschen glauben, dass sie erst dann glücklich sind, wenn sie ihre Ziele erreicht und ihre Wünsche erfüllt haben. Das Gesetz der Annahme verfolgt den umgekehrten Ansatz – es besagt, dass sich unsere Ziele und Wünsche manifestieren werden, wenn wir so handeln und uns so fühlen, als ob sie bereits erreicht worden wären. Einfacher gesagt: Das, was wir für wahr halten, wird auch tatsächlich eintreten. Begründer des Ganzen ist der amerikanische Mystiker Neville Goddard. Schon Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigte er sich mit dieser Theorie und beteuerte in seinem Buch "Your Faith is Your Fortune“: "Ändere deine Vorstellung von dir selbst und du wirst automatisch die Welt, in der du lebst, verändern. Versuche nicht, die Menschen zu ändern; sie sind nur Boten, die dir sagen, wer du bist. Werte dich selbst auf, und du wirst die Veränderung bemerken."

Das Lucky-Girl-Syndrome und die Wissenschaft

Kann unsere Selbstwahrnehmung wirklich die Art und Weise beeinflussen, wie wir durchs Leben gehen? Oder ist das alles nur Hokuspokus? Was sagt die Wissenschaft dazu? Ganz abwegig ist das Gesetz der Annahme nicht. Jeder Mensch hat das sogenannte retikuläre Aktivierungssystem (RAS). Während wir täglich mit vielen Informationen bombardiert werden, filtert das RAS unnötige Informationen heraus, damit sich das Gehirn auf die Dinge fokussieren kann, die für uns wichtig sind. Dazu zählen Gefahren, aber auch uns bereits bekannte Dinge. Beschäftigen wir uns zum Beispiel mit dem Thema Schwangerschaft, sehen wir häufiger schwangere Frauen auf der Straße. Und wenn wir ein neues Wort lernen, sehen und hören wir dies plötzlich auch überall. Ähnlich verhält es sich mit dem Glück. Gaukeln wir uns vor, ein Glückspilz zu sein, wird unser Gehirn aktiv nach Signalen suchen, die uns beweisen, dass wir es wirklich sind. 

Wie bekommt man das Lucky-Girl-Syndrome?

Wie wendet man das Gesetz der Annahme im Alltag an? Dafür gibt es unterschiedliche Methoden. TikTokerin Laura Galebe empfiehlt das "Skripting“, also das Aufschreiben unserer Manifestation. Sie rät ihren Zuschauer:innen, ein leeres Notizheft zu nehmen und darüber zu schreiben, wie das Jahr 2023 verlaufen ist. Da das Jahr erst begonnen hat, schreibt man es also so, als ob es bereits passiert wäre. Das Ziel ist es, in allem sehr spezifisch zu sein. Egal ob Karriere, Gesundheit, Geld oder Beziehungen. Laut Galebe sollen wir allumfassend über unsere Erfahrungen schreiben. Darüber nachdenken, was passiert ist, wie wir uns gefühlt haben und wie glücklich wir sind, es erreicht zu haben.

Eine andere Methode ist das Wiederholen von Affirmationen. Darauf schwört die TikTokerin "@skzzolno". Mehrere Wochen wiederholten sie und ihre beste Freundin die Affirmation "Alles wird gut für mich" und "Ich habe so viel Glück“. Beide behaupten, dass sie daraufhin mit zufälligem Glück überschwemmt wurden.

Sicher kann es nicht verkehrt sein, positive Affirmationen zu verinnerlichen. Ob sich aber augenblicklich alles zum Besseren verändert, sei dahingestellt. Unsere Gedanken erschaffen unsere Realität, das ist richtig. Trotzdem benötigt unser Unterbewusstsein mindestens einen Monat, um neue Nervenbahnen zu erschaffen und alte, negative Gedankenmuster loszuwerden. Komplett davon befreit sind wir dann übrigens immer noch nicht. Damit das alles funktioniert, müssen wir uns dessen würdig fühlen. Wir dürfen nicht daran zweifeln, dass uns gute Dinge passieren werden. Dass wir das Glück wirklich verdienen. Dafür bedarf es an Selbstvertrauen. 

Kritik am Lucky-Girl Syndrome

Die Mentalität klingt tatsächlich nachvollziehbar. Aber ist das Lucky-Girl-Syndrome wirklich so Erfolg versprechend, wie es auf TikTok den Anschein erweckt? Sicher hat unsere Selbstwahrnehmung einen großen Einfluss darauf, wie wir durchs Leben gehen. Aber welche Rolle spielen Privilegien dabei? Die meisten Personen, die auf der Video-Plattform das Lucky-Girl-Syndrome feiern, sind weiß, dünn und konventionell attraktiv. Ist Glück wirklich nur mit dem Zufall verbunden? Und nicht etwa mit Anstrengungen, Herkunft, Aussehen, Gesundheit, Reichtum oder anderen Privilegien? Aufgrund von Behinderung, Abstammung und sozioökonomischem Hintergrund können es sich manche Menschen nicht leisten, sich auf Glück zu verlassen, um über die Runden zu kommen. Vielen Personen bleibt wegen ihres Namens oder ihrer Herkunft ein angemessener Wohnraum verwehrt. Es ist erwiesen, dass attraktive Menschen für kompetenter gehalten werden. Ihnen werden außerdem positive Vorurteile in Bezug auf Fleiß, Sympathie und Erfolg zugewiesen. Während sich Personen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, immer und immer wieder neu beweisen müssen. Ohne eine ordentliche Portion Selbstvertrauen ist das kaum zu bewältigen.

Das Gesetz der Annahme ist sicher mächtig. Trotzdem sollten wir nicht die gesellschaftlichen Hürden (oder Helfer) vergessen. Positive Gedanken sind nicht der einzige Grund dafür, dass es uns gut geht. Wenn wir das glauben, landen wir erneut in der Endlos-Spirale unserer Leistungsgesellschaft, die uns eintrichtern will, dass wir uns nicht ausreichend angestrengt haben. Dass wir nicht positiv genug waren. Dass wir schlicht und einfach selbst Schuld an unserer Misere sind. 

Um das Lucky-Girl-Syndrome zu bekommen, benötigen wir nicht nur lebensbejahende Gedanken oder ein Manifestationstagebuch. Das Glück entsteht zusätzlich aus Selbstvertrauen. Und manche Menschen müssen für dieses Selbstvertrauen härter arbeiten als andere.

Verwendete Quellen: TikTok; sciencedirect.com; dailydish.co.uk; "Your Faith Is Your Fortune" von Neville Goddard; nlplabor.ch

Brigitte

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