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Liking Gap Warum wir fälschlicherweise glauben, dass andere uns nicht mögen

Liking Gap: Warum du glaubst, dass andere dich nicht mögen
Was denken die bloß von mir?
© zeljkodan / Shutterstock
Eigentlich war das eine nette Begegnung eben, aber du glaubst trotzdem, dass der andere dich doof fand? Willkommen im Club: Mit dem "Liking Gap" bist du nicht allein.

Der Abend gestern hat Spaß gemacht. Aber warum beschleicht mich dann das Gefühl, nicht genügt zu haben? Hätte ich mir die eine Bemerkung besser sparen sollen? War ich zu still oder sogar abweisend? Habe ich zu viel getrunken?

Viele von uns befürchten nach einer Begegnung, dass der andere das Treffen mit uns öde fand oder dass wir Dinge gesagt haben, die wir besser nicht ausgesprochen hätten – und unser Gegenüber einfach nur zu höflich war, um den Abend abzubrechen und sich spannenderen Beschäftigungen oder Menschen zuzuwenden. 

Liking Gap bedeutet: Wir schätzen das Urteil der anderen als zu negativ ein

Für dieses unschöne Gefühl gibt es im Englischen einen Begriff: "Liking Gap", vielleicht am treffendsten übersetzt mit "Sympathie-Lücke." Sie benennt die Differenz zwischen unserer Einschätzung, wie sympathisch uns jemand findet, und dem, was unser Gegenüber tatsächlich von uns denkt. Wissenschaftler:innen haben in einer Studie herausgefunden, dass die allermeisten von uns unterschätzen, wie positiv sie wahrgenommen werden.

Ungünstig sind dabei nicht nur die unnötigen Grübeleien, sondern auch, dass solche Selbstzweifel unsere weitere Beziehung mit der anderen Person belasten können. Um uns vor im Nachhinein als negativ empfundenen Begegnungen zu schützen, neigen wir dazu, uns zurückzuziehen statt uns dem anderen weiter zu öffnen.

Niemand ist so kritisch mit uns wie wir selbst

Viele von uns nehmen fälschlicherweise an, dass sie von ihren Mitmenschen ständig unter die Lupe genommen und bewertet werden. Mal wieder zu laut und an der falschen Stelle gelacht? Pickel am Kinn, Bad Hair Day, Speckrolle überm Hosenbund? Besonders Frauen kennen solche selbstkritischen Gedanken nur zu gut.

Die gute Nachricht ist: Andere Menschen empfinden das meist anders. Sie beurteilen uns in der Regel gar nicht und machen sich insgesamt weniger Gedanken über uns, als wir annehmen. Und wenn doch: Kaum jemand geht so hart ins Gericht mit uns wie wir selbst.

Die Gründe für das Liking Gap

Die Gründe für den Liking Gap sind vielfältig und komplex: eine Gesellschaft, die Selbstoptimierung fordert, dazu die Selbstwahrnehmung und -inszenierung als Objekt, wie sie sich in unserer Selfie-Kultur manifestiert, fehlendes Selbstvertrauen oder die immer noch starren Normen, wie man als Frau, Vorgesetzter, Kollegin, Freundin oder Mutter zu sein hat.

Vielleicht aber wurzelt das Liking Gap auch in grauer Vorzeit. Schon vor gut 100 Jahren schrieb der Harvard-Psychologe William James, dass es mal für unser Überleben notwendig war, das Gegenüber einschätzen zu können. Als soziale Wesen sind wir fundamental abhängig vom Urteil der anderen, denn wir sind darauf angewiesen, andere auf unserer Seite zu haben. Zu einer Gruppe dazuzugehören, sicherte einst das Überleben, ausgestoßen zu werden, bedeutete den Tod. Im Zweifel ist es da sicherer, den anderen als Feind zu sehen denn irrtümlicherweise als Freund. 

Schon als Baby üben wir daher unaufhörlich, die Mimik anderer Menschen zu lesen und die Auswirkungen zu deuten, die unser Verhalten auf sie hat. In nur 40 Millisekunden erkennen wir, ob der andere uns wohlgesonnen ist, schreibt die Psychologin Terri Apter in Psychology Today, die zum Liking Gap geforscht hat: "Gleichzeitig verarbeiten wir Informationen über den Eindruck, den wir hinterlassen."

Auch sie hat in ihrer Arbeit festgestellt, dass Menschen das Urteil der anderen systematisch unterschätzen. Im Umkehrschluss heißt das: Wir können uns locker machen, denn unser Urteilsvermögen ist begrenzt. Die anderen finden uns oft sympathischer als wir denken.

Quellen: Psychology Today, Vice, Wikipedia, Researchgate

Brigitte

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