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Laut Studie Intelligenz ist nicht starr – so kann sich dein IQ im Laufe deines Lebens verändern

Psychologie: Ein Baum mit Blättern und Zweigen
© Robert Kneschke / Adobe Stock
Intelligenz ist angeboren und bleibt ein Leben lang stabil? Irrtum. Umweltfaktoren und Lebensweise können sich nachweislich auf unsere kognitiven Fähigkeiten auswirken. Das bestätigen nun unter anderem die Ergebnisse einer Metastudie von Forschenden aus Trier.

Intelligenz gilt als einer der stabileren Aspekte unserer Persönlichkeit und im Vergleich zu anderen Faktoren wie unserer Lieblingsspeise oder bei einigen Menschen der Kinder- oder Berufswunsch mag sie das durchaus sein. Allerdings ist unsere geistige Leistungsfähigkeit lediglich in ähnlicher Weise angeboren und vorbestimmt wie die Breite unserer Schultern: Durch Training und Arbeit an unserer Körperhaltung können wir eine Maximalbreite erreichen, indem wir uns hängen und unsere Muskeln verkümmern lassen, schrumpft unsere Schulterbreite, wird jedoch ein bestimmtes Minimum nicht unterschreiten. 

Das, was stabil ist, ist also eher ein Bereich, in dem unser Intelligenzquotient liegt, und der kann je nach Individuum und Teilgebiet der kognitiven Leistungsfähigkeit verhältnismäßig groß sein. 

Metaanalyse aus 205 Einzelstudien

Wie Forschende der Universität Trier nun im Rahmen einer Metaanalyse belegen konnten, scheint insbesondere bei Kindern der Wert, der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einem IQ-Test ergibt, nur bedingt aussagekräftig zu sein. Das heißt zum Beispiel: Wenn bei einer Person einmal im Alter von fünf oder sechs Jahren eine sogenannte Minderbegabung gemessen wird, bedeutet das nicht, dass diese Person als erwachsener Mensch unterdurchschnittlich intelligent sein muss. Das Gleiche gilt für die sogenannte Hochbegabung: Hochbegabte Kinder müssen keine hochbegabten Erwachsenen werden, besonders wenn diese vermeintliche Hochbegabung sehr früh bemerkt und nur einmal geprüft wurde. Erst ab einem Alter von in der Regel frühestens sieben Jahren könnten IQ-Tests bei Kindern Werte liefern, bei denen zumindest für einen gewissen Zeitraum mit Stabilität zu rechnen sei.

Bei heranwachsenden und erwachsenen Menschen pendle sich zufolge der Analyse das Intelligenzniveau üblicherweise in einem überschaubareren Bereich ein und weise geringere Schwankungen auf. Ein wahrscheinlicher Grund für diese einkehrende Stabilität sei aus Sicht der Forschenden, dass die Beanspruchung unseres Gehirns im Erwachsenenalter mit unserer Ankunft in einem Beruf und einer Spezialisierung auf bestimmte Anforderungen und Tätigkeiten konstanter und vorhersehbarer ist als im Kindesalter, währenddessen wir nahezu jeden Tag Neues erleben und lernen und sich unser Gehirn einigermaßen frei entwickeln kann – beispielsweise dahingehend, ob es zuerst die motorischen Fähigkeiten unseres Organismus verfeinert oder die sprachlichen (wobei gewiss stets Zusammenhänge bestehen). Nicht alle Kinder(gehirne) entwickeln sich nach exakt demselben Schema. Selbst wenn wir aus Statistiken und Studien durchschnittliche Entwicklungen und Geschwindigkeiten ableiten können: Der Durchschnitt ist ein theoretisches Konstrukt, das in der Wirklichkeit nicht existiert.

Für die Metaanalyse nutzten die Forschenden aus Trier Daten von mehr als 87.000 Personen, die aus 205 verschiedenen Langzeitstudien stammten. In ihren Ergebnissen sehen sie vor allem einen weiteren Beleg für die mittlerweile anerkannte Annahme, dass Intelligenz nicht als unveränderliches, genetisch bedingtes Merkmal zu betrachten sei, sondern sich individuell entwickeln könne und von der Umwelt und Lebensweise beeinflusst werde.

Intelligenz fördern oder nicht?

In der öffentlichen Diskussion dominiert meist eine recht eindimensionale Sicht auf das Thema Intelligenz: Hochintelligente Kinder, die mit zwölf Jahren ihren Harvard-Abschluss machen, lösen Staunen und Faszination aus. Eltern und Nicht-Eltern interessieren sich für Übungen und Maßnahmen, mit denen sie die kognitive Leistungsfähigkeit ihrer Kinder oder ihre eigene fördern, trainieren und ausbauen können. Intelligenz gilt als etwas Erstrebenswertes, intelligente Menschen gelten tendenziell als überlegen. Was dabei oft in Vergessenheit gerät, ist, dass ein hoher IQ kein Selbstzweck ist: Ein menschliches Individuum hat nicht viel davon, wenn es komplizierte Zahlenreihen vervollständigen oder aus ähnlichen Begriffen einen aus der Reihe fallenden identifizieren kann, zugleich jedoch keinen Wunsch verspürt zu leben, sich einsam fühlt oder kein Interesse an anderen Menschen aufbringen kann.

Intelligenz ist lediglich eine von vielen Eigenschaften, die uns als Menschen ausmachen und die in erster Linie unserem Überleben und Leben dienen soll. Ein überdurchschnittlich intelligenter Mensch ist genauso wenig automatisch überlegen wie ein unterdurchschnittlich intelligenter Mensch unterlegen ist, und es ist keineswegs selbstverständlich, dass es immer im Interesse einer jeden Person ist, all ihre intellektuellen Potenziale auszuschöpfen und zu fördern. In unserem Interesse ist, dass wir mit dem, was uns insgesamt ausmacht – aufgrund von Genen, Umwelteinflüssen und Co. –, unser Leben führen können und möchten. Konzentrieren wir uns auf einen Wert aus einem standardisierten IQ-Test, verringern wir erheblich unsere Chance, dass uns das gelingt.

Verwendete Quellen: researchgate.net, The Stability of Cognitive Abilities: A Meta-Analytic Review of Longitudinal Studies

sus Brigitte

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