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Kuscheln mit einer völlig Fremden???? Ich hab's ausprobiert 😳

Kuscheltherapie: Zwei Frauen halten sich an den Hände
© Mariia Korneeva / Shutterstock
Mit einer fremden Person kuscheln? Für viele wohl eine ziemlich unangenehme Vorstellung! Auch für unsere Autorin – bis sie es einfach mal ausprobiert hat ...

Was ich von Fremden halte? Abstand!!!

Ich liiiebe Kuscheln und Berührung – allerdings nur von sehr wenigen, ganz besonderen Menschen! Was fremde Leute angeht, bekenne ich mich ganz klar dazu, lieber zu stehen, als mich in der U-Bahn neben jemanden zu setzen. Auch Menschenmengen ertrage umso besser, je mehr Wein ich vorher getrunken habe!

Eine Kuscheltherapie zu besuchen, bei der ich mich von einer Fremden berühren lasse, ist also eigentlich nichts, wonach ich mich schon lange sehne. Andererseits habe ich gerade niemanden zu Hause, der mit mir kuschelt, kriege jeden Nachmittag die Krise, weil's draußen schon wieder dunkel ist (nachdem es den ganzen Tag gar nicht richtig hell war ...🙄), und habe mir sowieso vorgenommen, öfter meine Komfortzone zu verlassen. Also warum nicht mal eine Kuschelpraxis besuchen und auf einen Kraft spendenden Oxytocin-Schub hoffen? So viel sei an dieser Stelle schon mal verraten: Ich bin FROH, dass ich's gemacht habe!

Kuscheln macht glücklich – sagt die Wissenschaft

Dass Kuscheln und menschliche Nähe Glücksgefühle in uns wachrufen, ist tatsächlich erwiesen. Neben dem Botenstoff Oxytocin, der beruhigend auf uns wirkt und z. B. Stress und Ängste weniger dramatisch erscheinen lässt, steigt durch Streicheleinheiten auch unser Serotonin-Spiegel und wir fühlen uns (mindestens) so glücklich wie nach einer Kugel Schoko-Eis. Gleichzeitig wird unsere Atmung flacher und unser Herz schlägt ruhiger – klare Anzeichen dafür, dass wir uns wohl und sicher fühlen. Primaten wie Schimpansen kuscheln deshalb mindesten anderthalb Stunden am Tag. AAABER: Kann ich die positiven Effekte des Kuschelns auch mit einer völlig Fremden erleben ...? 🤨

Es roch nach Gemütlichkeit

Die Atmosphäre in der Kuschelpraxis, die ich besucht habe (in Hamburg Altona), wirkte direkt beim Reinkommen super entspannend und einladend auf mich! Schöne, gemütliche Räumlichkeiten, ein dezenter, aber sehr angenehmer Geruch, der mir sofort auffiel – definitiv ein schöner Ort, um dort die Mittagspause zu verbringen oder abends einen Tee zu trinken. 

Ähnlich positiv war mein erster Eindruck von Alexandra, meiner Kuscheltherapeutin. Jogginghose, dafür aber keine Schuhe an, herzliches, aber zugleich total unaufdringliches Lächeln – könnte ich mich in Gegenwart so einer sympathischen Frau jemals unwohl fühlen ...? (Spoiler: Oh ja!!!)

Kuscheltherapie: Kuscheltherapeutin Alexandra auf dem Sofa
© Susanne Schumann / Privat

Nicht lang schnacken – erster Versuch

Nachdem ich mich ebenfalls meiner Schuhe entledigen durfte, unterhielten Alexandra und ich uns kurz und ich unterschrieb eine Einverständniserklärung, in der unter anderem die Art der Berührung näher ausgeführt wurde (angezogen, nicht zur sexuellen Erregung etc.). Dann ging's auch schon los: Ab aufs Sofa! Da ich auf sie nicht schüchtern wirkte, schlug mir Alexandra direkt eine recht intime Position vor:

  • Sie mit ausgestreckten und leicht gespreizten Beinen mit dem Rücken in die Sofaecke gelehnt, ich zwischen ihren Beinen, mich wiederum an sie anlehnend.

Ich hab's probiert – und fand es suuuuper unangenehm! Ich konnte mich nicht entspannt an sie lehnen, dachte die ganze Zeit "wenn sie nicht da säße, wäre es ganz okay" und am schlimmsten war für mich, ihre Atmung zu spüren (aber sie zu bitten, die einzustellen, erschien mir irgendwie nicht richtig). Ich war nach ein paar Sekunden drauf und dran, die Sitzung abzubrechen. Doch Alexandra kam mir zuvor. Sie hatte gemerkt, dass ich mich unwohl fühlte, und schlug mir eine andere Position vor. Puuuuuh ...

Anzeichen, dass du dich selbst nicht liebst: Eine junge Frau versteckt sich unter ihrem Pulli

Zweiter Versuch – und doch noch mal schnacken ...

Position zwei war die Version für Schüchterne:

  • Ich saß mit ausgestreckten Beinen auf der Couch, Alexandra auf dem Boden neben mir und hielt meine Hand.
Kuscheltherapie: Die ausgestreckten Beine der Autorin auf der Couch
© Susanne Schumann / Privat

Gute Position, um sich doch noch ein bisschen zu unterhalten. Alexandra ist ca. 40, kann gut auf sich selbst aufpassen und kuschelt privat mit ihrem Mann oder ihren Kindern (wobei ihre Teenie-Tochter manchmal sehr kratzbürstig ist). Ihre Klienten, sagt sie, sind generell sehr unterschiedliche Menschen, die mit ganz verschiedenen Bedürfnissen zu ihr kommen.

  • Manche sind sehr gestresst und müssen im Alltag ständig stark wirken. Sie sehnen sich nach einem Moment, in dem sie Schwäche zeigen dürfen und sie jemand hält. 
  • Andere wiederum sind schon sehr lange alleinund glauben, gar nicht mehr beziehungsfähig und in der Lage zu sein, jemand anderen an sich ran zu lassen – oder eine Frau in den Arm zu nehmen. 
  • Und einige, die in die Kuschelpraxis kommen, haben auch Depressionen oder Traumata, die sie bewältigen müssen. Für sie sind die Sitzungen bei Alexandra meist eine Ergänzung zu einer Therapie.

All diese Menschen schaffen es, sich von Alexandra berühren zu lassen und sich hinterher besser zu fühlen. Und ich kann ihr wirklich nur meine Hand reichen ...? Nö!

Zurück in die Kindheit: Versuch Drei

Alexandra hatte in unserer Unterhaltung eine Position erwähnt, die mich irgendwie ansprach:

  • Der Kopf des Klienten auf ihrem Schoß, Klient in Embryo-Stellung auf dem Sofa.

So (nur ohne Alexandra) schlafe ich auch immer, wenn's sehr kalt ist – konnte also vielleicht klappen. Damit es für mich gemütlicher war, legten wir noch eine zusammengefaltete Decke auf ihre Beine, und dann, als ich mich hingelegt hatte, war er plötzlich da: Der Moment, in dem ich (vermutlich) das Oxytocin spürte!

Auf einmal war alles gut. Alexandra fragte mich, ob sie meine Haare streicheln darf, ich sagte, gerne, und von da an war alles noch besser. Ich fühlte mich einfach nur wohl. Genauer gesagt, habe ich mich gefühlt wie früher, wenn ich als Kind nicht einschlafen konnte und meine Mutter mir zur Beruhigung den Kopf gestreichelt hat. Auf Alexandras Schoß war ich plötzlich wieder acht. Ich musste mich um nichts kümmern, niemand erwartete etwas von mir und ich hatte keine einzige Sorge.

Als der Wecker klingelte, konnte ich nicht glauben, dass ich eine halbe Stunde so gelegen hatte – es war mir vorgekommen wie zwei bis drei Minuten.

Mein Fazit

Mittlerweile bin ich längst nicht mehr acht und es nervt mich wieder extrem, dass es draußen ständig dunkel ist. Auch in der U-Bahn halte ich weiterhin Sicherheitsabstand. Einen neuen Menschen hat die Kuschelsitzung aus mir also (zum Glück) schon mal nicht gemacht. Gebracht hat sie mir trotzdem etwas, und zwar gar nicht mal so wenig! 

Zum Beispiel weiß ich nun, was mir helfen könnte, wenn mir alles zu viel wird: Mich jemandem öffnen, dem ich vertraue, und diese Person ganz direkt bitten, mich in den Arm zu nehmen (und möglichst auch meinen Kopf zu streicheln). Habe ich, ehrlich gesagt, so noch nie gemacht … 

Außerdem habe ich wieder mal festgestellt, dass es sich immer lohnt, die eigene Komfortzone zu verlassen. Klar geben uns unsere Tabus und Grenzen im Kopf ein Stück weit Sicherheit und Stabilität. Doch viel zu oft hindern sie uns auch daran, etwas zu erleben, was uns gut tut und glücklich macht (mich jedenfalls).

Aus meiner Sicht und nach meiner Erfahrung mit Alexandra spricht jedenfalls nichts dagegen, in eine Kuschelpraxis zu gehen und sich eine Portion menschliche Wärme und Oxytocin abzuholen – vor allem, wenn aus dem persönlichen Umfeld gerade niemand zur Verfügung steht. Sicher wird so ein Schritt viele Menschen (genau wie mich) Überwindung kosten. Doch letztendlich zählt, was wir brauchen und fühlen, und nicht, wie wir etwas bewerten, das wir noch nie erlebt haben. Schließlich sind unsere Werte und Urteile größtenteils anerzogen und gesellschaftlich genormt – und was uns glücklich macht, ist und bleibt nun mal individuell. 

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