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Krebsfrüherkennuung Wie personalisierte Prävention Leben rettet

Arzttermin
© bongkarn / Adobe Stock
Immer öfter lässt sich Krebs erfolgreich behandeln. Vor allem wenn er rechtzeitig entdeckt wird. Doch längst nicht alle gehen zur Früherkennung. Was braucht es wirklich für eine bessere Prävention?

Zumindest zum Mammografie-Screening werden bald mehr Frauen gehen. Allerdings nur weil für das Screening ab 1. Juli eine höhere Altersgrenze gilt. Insgesamt aber sind wir in Deutschland Vorsorgemuffel: Mehr als die Hälfte war noch nie beim Hautkrebs-Screening, lediglich 50,4 Prozent folgen der Einladung zur Röntgenuntersuchung der Brust und nur jede fünfte Frau nutzt den Stuhltest zur Darmkrebsvorsorge.

Dabei können viele Tumorarten inzwischen besser und/oder schonender behandelt werden als noch vor fünf oder zehn Jahren. "Der Knackpunkt dafür aber ist das frühe Erkennen", sagt Dr. Ursula Will vom Nationalen Krebspräventionszentrum in Heidelberg.

Wichtigster Faktor, um Menschen zur Früherkennung zu motivieren: Aufklärung. Dass es dort viel Luft nach oben gibt, zeigt eine Studie zum Hautkrebs-Screening: 35 Prozent derjenigen, die noch nie teilgenommen hatten, nannten als Grund, gar nichts davon zu wissen. Besonders weit ist diesbezüglich das Mammografie-Screening, zu dem jede per Post einen Termin nach Hause bekommt. Auch zur Früherkennung von Darm- und Gebärmutterhalskrebs wird mit Info-Broschüren eingeladen. "Es gibt aber Länder, die es noch ein bisschen cleverer machen", so Medizinerin Will. "In Holland wird der Stuhltest direkt nach Hause geschickt, inklusive eines frankierten Rückumschlags. Wenn der nicht zurückkommt, gibt es eine Erinnerung, und falls der Test tatsächlich positiv ausfällt, kriegen die Betroffenen direkt einen Termin zur Darmspiegelung in der Nähe. Und zwar kurzfristig und nicht erst in einem halben Jahr wie bei uns." Das führe im Nachbarland zu Teilnahmeraten von gut 70 Prozent.

Personalisierte Prävention kann Leben retten

Auch für Dr. Jutta Hübner, Professorin für Integrative Onkologie am Uniklinikum Jena, ist Aufklärung die Basis. "Allerdings bin ich nicht ganz damit einverstanden, den Erfolg von Vorsorge an der Teilnahme zu messen", sagt die Ärztin. "Wir müssen vor allem das Wissen und die bewusste Entscheidung fördern. Es gibt spannende Forschung aus den Kommunikationswissenschaften, dass diejenigen, die gut aufgeklärt sind über Vor- und Nachteile von Früherkennung, eben nicht automatisch häufiger gehen, sondern teilweise sogar weniger." Vom Mammografie-Screening wisse man zum Beispiel, dass es bezogen auf 1000 Frauen, die regelmäßig teilnehmen, zwei bis sechs Leben rette. Das beziehe sich allerdings auf den Durchschnitt und mache keinen Unterschied zwischen Risikogruppen, also etwa Menschen, die rauchen, regelmäßig Alkohol trinken, sich wenig bewegen oder übergewichtig sind, und solchen, die gesundheitsbewusst leben. "Wenn ich jetzt zur zweiten Gruppe gehöre, liegt der Wert wahrscheinlich unter eins. Im Vergleich zu anderen Frauen ist mein Vorteil vermutlich relativ gering. Das Todesrisiko sinkt kaum. Die Frage, was man bezogen auf das eigene Risikoprofil persönlich von einer Untersuchung hat, halte ich für berechtigt. Wenn jemand gut informiert nicht hingeht, finde ich das völlig okay."

Das Ziel ist also nicht unbedingt ein Früherkennungsprogramm für alle, sondern eine Individualisierung. "Die personalisierte Prävention ist das, wo wir hinwollen", sagt Ursula Will. An der Präventionsambulanz, deren medizinische Leitung sie ist, laufen gerade Studien, die individuelle Risikofaktoren berücksichtigen. Etwa eine zur Niedrigdosis-Computertomografie, um Lungenkrebs zu erkennen. "Diese Untersuchung bringt eine gewisse Strahlenbelastung mit sich. Es wäre also nicht richtig, sie bei jedem zu machen, denn die Gefahr besteht, dass dadurch wiederum eine Tumorerkrankung ausgelöst werden könnte. Bei starken Rauchern oder Ex-Rauchern sieht das ganz anders aus. Sie haben ein so viel höheres Risiko für Lungenkrebs, dass der Nutzen des CTs den möglichen Schaden überwiegt."

Ein solches strategisches Vorgehen macht allerdings Aufklärung und Zeit für Gespräche noch wichtiger. Sonst könnte die Früherkennung für Risikogruppen sogar nach hinten losgehen: "Es gibt Beobachtungen, dass die Raucherrate gerade bei denjenigen höher geblieben ist, die zum Lungenkrebs-Screening gegangen sind", so Jutta Hübner. "Wenn jemand gesagt bekommt, dass kein Lungenkrebs da ist, denkt er vielleicht: Dann kann ich ja fünf Jahre weiterrauchen. Dabei müsste es eigentlich nicht heißen ‚Glückwunsch, Sie haben nichts‘, sondern ‚Sie haben noch nichts‘. Und dann braucht es echte Unterstützung, das Rauchen möglichst einzustellen."

Was bedeutet Prävention und Früherkennung?

Prävention bedeutet nämlich deutlich mehr, als regelmäßig bestimmte Untersuchungen wahrzunehmen. Und das nicht nur, weil es nur für wenige Tumorarten Methoden zur Früherkennung gibt. "Maximal zehn Prozent der Krebserkrankungen haben eine genetische Ursache. Diese herauszufiltern und vielleicht engmaschiger zu untersuchen, ist wichtig", sagt Ursula Will. Bei den allermeisten Tumoren wisse man bis heute nicht, warum sie entstehen. "Aber immerhin 40 Prozent sind auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen, und da müssen wir ran."

Statt einer Präventionskultur – Menschen kümmern sich um ihre Gesundheit, auch wenn es ihnen gut geht – gebe es bisher in Deutschland vor allem eine Reparaturmedizin. Um dies zu ändern, baut Ursula Will derzeit mit ihrem Team in Heidelberg die Präventionsambulanz des Nationalen Krebspräventionszentrums auf, ein weltweit einzigartiges Modellprojekt, getragen vom Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe.

"Es wird eine Anlaufstelle für Gesunde, also auch attraktiver gestaltet als eine klassische Arztpraxis, sodass man gern kommt", so Ursula Will. "Wir informieren, machen eine Risikoanalyse und geben darauf aufbauend eine individuelle Präventionsempfehlung. Wir wollen die Menschen an die Hand nehmen und im Rahmen von Studien konkrete, innovative Angebote machen, um Verhaltensänderungen hin zu einem gesunden Lebensstil zu initiieren und zu verstetigen sowie neue Früherkennungsmöglichkeiten zu testen. Es geht um Gesundheitskompetenz, aber auch darum, dass das Wissen im Alltag umgesetzt wird, denn daran scheitert es ja oft." Langfristiges Ziel ist, dieses Ambulanzmodell an weiteren Standorten zu etablieren.

Natürlich gibt es noch einen weiteren Weg aus dem Vorsorge-Dilemma: neue und einfachere Methoden, die Krebs ohne Strahlen- oder andere Risiken sehr früh aufspüren. Die HanseMerkur bietet eine "Krebs Scan"-Versicherung mit einem Bluttest; Fachleute wie Jutta Hübner kritisieren aber, dass der Nutzen nicht wissenschaftlich erwiesen ist. "Vielleicht wird es irgendwann seriöse Verfahren geben, aber derzeit sind wir noch sehr weit davon entfernt", so Hübner, "und dann muss ja noch bewiesen werden, dass das frühere Erkennen auch wirklich mehr Leben rettet und nicht nur die Therapie verlängert." Zur Mammografie sei darüber Jahre diskutiert worden. "Bis diese Daten vorliegen, dauert es mindestens zehn Jahre." Es macht also noch eine ganze Weile Sinn, auf die Früherkennungs- und Präventionsmethoden zu setzen, deren Nutzen erwiesen ist.

Früherkennung für Frauen

Empfohlen und von der Kasse gezahlt werden:

Hautkrebs: ab 35 alle zwei Jahre, manche Kassen zahlen schon früher.

Gebärmutterhalskrebs: ab 20 jährlich Untersuchung der Genitalen und Zellabstrich. Ab 35 alle drei Jahre Abstrich und HPV-Test. Hinweis: Gebärmutterhalskrebs und anderen HPV-bedingten Krebsarten kann durch eine Impfung vorgebeugt werden (empfohlen ab 9).

Brustkrebs: ab 30 jährliche Tastuntersuchung, von 50 bis 69 (ab 1. Juli 75) Mammografie alle zwei Jahre. Selbstanmeldung für Frauen von 70 bis 75: mammo-programm.de.

Darmkrebs: von 50 bis 54 jährlich Test auf verstecktes Blut im Stuhl, von 55 bis 75 alle zwei Jahre. Oder: Darmspiegelung ab 55 zweimal im Abstand von mindestens zehn Jahren. Die Darmspiegelung ist eine "echte" Vorsorge, die Krebs verhindern kann.

Brigitte

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