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Smartphone-Apokalypse "Mein Handy nimmt mich überhaupt nicht mehr ernst"

Frau schaut auf Smartphone
© SFIO CRACHO / Shutterstock
Die Technik und ich: keine Freundschaft fürs Leben – aber vielleicht ist ein Waffenstillstand möglich.
Ildikó von Kürthy

Mein Handy nimmt mich überhaupt nicht mehr ernst. Es ist mir über den Kopf gewachsen und schaut nun mitleidig und vorwurfsvoll auf mich herab. Es fühlt sich von mir unterfordert, ebenso wie der Fernseher, der Computer und die allzu vielseitig einsetzbare Küchenmaschine.

Die anklagende Überheblichkeit der Dinge, die mich umgeben, macht mich nervös, ich habe das Gefühl, ihnen zunehmend hilflos ausgeliefert zu sein. Dem Flaschenöffner, dem Staubsauger und zur Not auch noch dem Holzkohlegrill begegne ich auf Augenhöhe. Wobei mich neulich ein sehr moderner Dosenöffner in meine Schranken gewiesen hat. Aber wo künstliche Intelligenz, Algorithmen und Roboter im Spiel sind, wird mir zunehmend bang. Damit bin ich natürlich mal wieder nicht die Einzige.

"Rund um das Thema herrscht viel Unwissen, Verwirrung und Angst. Wir hören KI und denken an den Terminator", sagt die Ingenieurin Kenza Ait Si Abbou, deren Buch "Keine Panik, ist nur Technik" jetzt erschienen ist. Sie sagt "KI" statt "künstliche Intelligenz" – und das klingt wie ein vertrauter Spitzname, den nur enge Freundinnen verwenden dürfen. Definitiv nicht mein Freundeskreis.

"Menschen haben Angst vor allem, was neu ist", sagt sie. "Dagegen hilft nur Aufklärung. Man muss sich auseinandersetzen und verstehen wollen. Es ist in Ordnung, sich langsam heranzutasten, aber man sollte sich genau fragen: Was will ich von meinem Handy und von meinem Computer? Wie kann ich die Technik nutzen, ohne mich von ihr ausnutzen zu lassen?"

Das klingt kompliziert und macht mir ja schon gleich ganz schlechte Laune. Technische Geräte sollen mein Leben vereinfachen und mir ergebene Untertanen sein – aber mit jeder zweifelhaften App, die einer meiner Söhne runterladen will, bekomme ich ein neues Problem und das Gefühl, in einen Hinterhalt gelockt worden zu sein.

"Die digitale Bildung in Schulen muss verstärkt werden", fordert Kenza Ait Si Abbou. "Die Hersteller werden unsere Kinder nicht vor ihren Spielen schützen. Das müssen die Eltern und die Lehrer tun. Es geht darum, Grund­lagen zu kennen, Zusammenhänge zu erkennen und Verantwortung zu übernehmen. Es wird in unserem Leben keine Phase mehr geben, in der wir aufhören dürften zu lernen. Wir werden uns nicht zurücklehnen können – denn vieles, was wir jetzt noch für selbstverständlich halten, wird es schon bald analog nicht mehr geben. Und auch in der digitalen Welt gilt: Es gibt nichts gratis. Wenn man für ein Produkt nicht zahlt, ist man selbst das Produkt. Berührungsängste führen zu Unwissenheit. Und die kann sich niemand leisten. Digital Detox mag wie eine Fastenkur für ein paar Tage wohltuend sein – aber nicht als grundlegende Lebensform."

Die KI und die IT werden nie meine engsten Freundinnen sein, und Big Data ist mir eine Nummer zu groß – aber von meinem Handy werde ich mir in Zukunft nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen.

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BRIGITTE 17/2020

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