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If-Firmationen Was ist der Schlüssel für mehr Leichtigkeit im Leben?

Frau lacht
© C Malambo/peopleimages.com / Adobe Stock
If-Sätze kennen wir aus dem Englischunterricht. Aber schon mal von "If-Firmationen" gehört? Psychologin und Podcasterin Franca Cerutti sagt: Sie sind der Schlüssel zu mehr Leichtigkeit.

BRIGITTE: Es gibt Menschen, die vom Leben schwer gebeutelt sind und trotzdem optimistisch und sonnig bleiben – und die, denen es objektiv gut geht, die aber trotzdem immer ein Haar in der Suppe finden. Wird uns Leichtigkeit in die Wiege gelegt?

FRANCA CERUTTI: Wie ängstlich oder mutig, misstrauisch oder vertrauensvoll wir auf die Welt zugehen, ist, wie viele Persönlichkeitsmerkmale, eine Mischung aus angeboren und anerzogen. Eine liebevolle Erziehung kann eine schwierige Anlage ausgleichen. Aber auch wenn das nicht passiert, können wir später im Leben noch eine optimistische Grundhaltung trainieren, und unsere Resilienz, also unsere Widerstandskraft bei Herausforderungen und Rückschlägen.

Wie geht das, wenn ich vielleicht schon immer ein ängstlicher und misstrauischer Mensch war und meine Umwelt das bestärkt hat?

Es geht immer um die Frage, wie ich in mir das Gefühl erzeugen kann: Jetzt und hier ist gerade alles gut, auch wenn die Welt im Ganzen es nicht ist. Dafür sind alle Tätigkeiten geeignet, die zu einem Flow-Gefühl führen – ob ich etwas Kreatives mache, etwas Handwerkliches, oder mir bewusst schöne Naturerlebnisse schaffe. Und es geht um Selbstwirksamkeit: Wer sich als handlungsfähig erlebt, nicht als Spielball des Schicksals, geht auch leichtfüßiger durchs Leben.

Viele versuchen, sich Leichtigkeit von außen zu holen: Wellnesswochenende, Feierabenddrink, Bingewatching. Tut gut, aber häufig hält das gute Gefühl danach nicht lange an. Warum eigentlich?

Wir sind gesellschaftlich darauf gepolt, Entspannung mit Konsum gleichzusetzen. Das ist die praktischste Möglichkeit, aber nicht die beste. Denn sie macht uns abhängig von Außenreizen, lässt uns verlernen, in uns reinzuschauen und zu fragen: Was bereitet mir denn wirklich Freude? Wann kann ich Zeit um mich herum vergessen, bei was kann ich völlig im Tun aufgehen?

Die Antwort auf diese Frage fällt vielleicht nicht jedem Menschen ganz leicht.

Stimmt. Nicht nur, weil wir so in der Konsumschleife festhängen, auch weil wir so stark orientiert sind am Funktionieren. So gewohnt, von unserer To-do-Liste als Erstes das wegzustreichen, was nicht unbedingt notwendig ist. Inspirationen für Lebenslust liegen oft in der eigenen Kindheit. Wir können uns fragen: Was hat mich da begeistert? War ich der Wildfang, immer draußen unterwegs, in einer großen Kindergruppe? Habe ich eher stundenlang gelesen oder gemalt? Wie kann ich mir diese Energiequellen zurückholen?

Aber ist es nicht eher das Neue, das Abenteuerliche, Ungewohnte, das uns positive Power gibt?

Sowohl als auch. Und manchmal inspiriert es, die eigenen Grenzen auszutesten. Das muss gar nichts Spektakuläres sein. Eine meiner Patientinnen, eine Frau mit einer Angststörung, hat sich vorgenommen, mit dem Deutschlandticket regelmäßig in eine unbekannte Stadt zu fahren. Abends schaut sie sich die Fotos an: Da war ich, da habe ich mich zurechtgefunden, das ist mir aufgefallen. So ein Hochgefühl kann keine Streaming-Plattform leisten. Denn unser Gehirn erinnert nur Dinge, die mit Emotionalität verbunden sind, im Guten wie im Schlechten. Für die negativen Momente im Leben müssen wir nichts tun, die kommen von selbst. Aber für die Haben-Seite müssen wir tätig werden.

Kann der Wunsch nach Unbeschwertheit eigentlich auch auf paradoxe Weise ins Gegenteil umschlagen, wenn er zu sozialem Druck führt? Also: die ganzen schönen Bilder auf Social Media, auf denen Menschen alles gleichzeitig ganz gelassen wuppen, Job, Sport, Styling, Familie …

In dem Wort Gelassenheit steckt das Wort "lassen", nicht "noch mehr tun". Klar kann es Druck machen, wenn ich glaube, ich muss jeden Morgen auch noch die Gurkenscheiben für die Brotbox meines Kindes mit dem Ausstecherchen in Form bringen. Ich kann nur dazu raten, auf Social Media allen Konten zu entfolgen, die zu Vergleichsstress führen. Denn das ist bemerkenswert schlecht für die psychische Stabilität. Stattdessen sollten wir offener darüber reden, was alles misslingt. Ohne dass es ein Drama wäre! Perfektionismus ist eine tolle Sache, wenn es um eine Wurzelbehandlung geht oder die Nasa eine Weltraummission plant – sonst ist es ein lebensfeindliches Konzept.

Eher pessimistische Zeitgenoss:innen haben wieder eine andere Methode und sagen: Ich erwarte einfach gar nichts vom Leben, dann kann ich auch nicht enttäuscht werden.

Das ist ein Trugschluss. Klar, wenn ich umgekehrt annehme, dass die Welt fair ist und jede:r mein Bestes will, dann muss ich auf die Nase fallen. Daran ist aber nicht die große böse Welt schuld, sondern meine Erwartung, die zu hoch war. Aber umgekehrt immer mit dem Schlimmsten zu rechnen, ist ebenfalls schädlich. Denn die Forschung zeigt klar: Mit einem negativen Mindset in Beziehungen und Kontakte hineinzugehen, führt zu selbsterfüllenden Prophezeiungen. Ein Paradebeispiel ist Eifersucht: Wer nur die schlimmsten Erwartungen an den Partner oder die Partnerin hat, strahlt das auch aus, stellt die entsprechenden Fragen, reagiert mit Kontrolle und Misstrauen. Das schlägt andere in die Flucht.

Kann man sich denn umgekehrt auf Leichtigkeit konditionieren – etwa mit positiven Affirmationen zu Erfolg, Glück und Liebe?

Das sehe ich eher zwiespältig, und auch in meiner Praxis erlebe ich Menschen, die sagen: Sorry, ich kann mir zehn Mal im Spiegel zulächeln und sagen, "Alles ist gut", aber ich glaub’s mir halt nicht. Aber, jetzt kommt’s: Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass es eine vielversprechende Alternative zur Affirmation gibt. Nämlich die "If-Firmation".

Die … was?

Das ist ein Wortspiel mit dem englischen "if", also "falls" oder "wenn". Die Idee ist, eine Affirmation zu einem "If-Satz" umzuformulieren, damit sie nicht von den inneren kritischen Stimmen geschreddert wird. Man steht also nicht vorm Spiegel und sagt: "Das wird alles super", sondern sagt: "Was, wenn es super wird?" Nicht "Ich kann alles schaffen", sondern "Was, wenn ich alles in mir habe, um es zu schaffen?" Eine ausgezeichnete Haltung, viel besser als diese vorformulierten Kalendersprüche. Weil sie einen Möglichkeitsraum eröffnet, der sich tatsächlich ganz leicht anfühlen kann.

Brigitte

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