Anzeige

Geburtstagsgefühle Zum Geburtstag wünsche ich mir…

Frau feiert Geburtstag
© Jacob Lund / Adobe Stock
Es ist ein bisschen kindisch, seinen Geburtstag wichtig zu nehmen. Aber: Man tut allen anderen damit einen Gefallen.

In Kürze endet mein Geburtstagsquartal, also falls du mir noch gratulieren willst, wäre jetzt noch Gelegenheit. Ich bin vor einer Weile dazu übergegangen, meine Geburtstagsfreude so weit wie möglich in die Länge zu ziehen: In den Wochen davor freue ich mich sehr aktiv und bewusst auf meinen Geburtstag, den Tag selber verbringe ich mit so vielen lieben Menschen wie möglich und hinterher bemühe ich mich, das schöne Geburtstagsgefühl so lange wie möglich als Nachfreude zu konservieren. Ich bin allerdings wirklich niemandem böse, nicht mal meinen engsten Freund:innen, wenn sie meinen Geburtstag einfach vergessen, in dieser Hinsicht bin ich ein sehr vernünftiges, erwachsenes Geburtstagskind. Ich habe keine Erwartungen an andere. Ich feiere mich und freue mich über alle, die mitmachen, nehme aber niemandem übel, meinen Geburtstag nicht ganz so wichtig zu nehmen, wie ich es tue.

Ehrlicherweise ist das auch schwierig, denn ich nehme meinen Geburtstag absurd wichtig. Ich feiere an diesem Tag, dass ich geboren, noch am Leben und wieder ein Jahr älter geworden bin. Es kommt einem so selbstverständlich vor, aber es ist ja doch ein verdammtes Privileg, also: hoch die Tassen. Außerdem habe ich sonst nicht die Neigung, mich selbst besonders ernst oder wichtig zu nehmen, aber an diesem einen Tag im Jahr lass ich wirklich alle anerzogenen Hemmungen fahren.

Ich weiß, es gilt als uncool und es ist ein bisschen peinlich, sich als Erwachsene aufzuführen, als hätte man für einen Tag die Bestimmerkrone aus dem Kindergarten auf. Oder Geschenke und Geburtstagskarten gierig noch im Hausflur auf dem Weg vom Briefkasten zurück in die Wohnung aufzureißen oder sich dann irgendwie doch über vorformulierte Facebook-Glückwünsche von lang vergessenen Grundschulbekanntschaften zu freuen. Aber ich tue all diese Dinge und mein Umfeld hat sich mittlerweile daran gewöhnt und belächelt milde und großzügig meinen Spleen.

Geburtstag: Eine Möglichkeit, seinen Liebsten zu sagen, wie gern man sie hat

Allerdings gehe ich meinen Freund:innen auch gern damit auf die Nerven, sie in dieser Hinsicht missionieren zu wollen. Die allermeisten feiern nicht gern ihre Geburtstage, allenfalls die runden. Weil es ihnen zu aufwendig erscheint oder weil sie nicht gern im Mittelpunkt stehen oder weil sie nicht an ihre Sterblichkeit erinnert werden wollen. Ich verstehe das alles zwar, aber ich möchte trotzdem dagegenhalten. So willkürlich es sein mag, den Tag der eigenen Geburt zu etwas Besonderem zu erklären: Es ist nun mal in unserem Kulturkreis die beste Möglichkeit, seinen Freund:innen einen Kranz zu winden, ihnen zu sagen, wie lieb man sie hat, wie viel mir ihre Freundschaft bedeutet, wie sehr ich mich auf das nächste Lebensjahr mit ihnen freue. Klar, das könnte ich auch an jedem anderen Tag, aber es ist doch immer gut, für diese Gefühlsausbrüche einen klar definierten Anlass zu haben, ich will ja auch niemanden überfordern.

Seinen Geburtstag zu feiern ist also auch immer ein bisschen Dienst an der Gemeinschaft. Und weil es nur noch so wenige tun, freut man sich doch meistens, wenn sich doch jemand dazu durchringt. Vielleicht sogar einen Raum mietet und einen DJ engagiert und mittelalte Menschen wie ich die Gelegenheit bekommen, auf einer Tanzfläche herumzuspacken, ohne deshalb bis nach Mitternacht warten zu müssen, um dann an irgendeinem Türsteher zu scheitern. Noch viel schöner wird es, wenn sich irgendwer ein kleines bisschen danebenbenimmt oder Menschen miteinander rumknutschen, die das vorher nicht getan hätten, und dann gibt es im Freundeskreis gute Anekdoten und genug Gesprächsstoff für Wochen.

Andererseits: Wer bin ich, anderen Menschen eine Party abzunötigen, die an ihrem Ehrentag zu Recht genau das tun möchten, was ihnen als der größte Akt der Selbstliebe erscheint, nämlich gar nichts zu tun und möglichst niemandem zu begegnen? Ein Freund, der in diesem Jahr 50 wird, hat mir einen sehr guten Kompromiss vorgeschlagen: Er macht eine große Party, alle sollen kommen und ihn richtig hochleben lassen, ihn beschenken, lobpreisen, auf ihn trinken – nur er selbst taucht einfach nicht auf.

Alena Schröder
Unsere Kolumnistin Alena Schröder teilt hier im Wechsel mit Anja Rützel ihren Blick aufs Leben.
© Sammy Hart
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel