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Frauenkolumne Beste Freundin – nichts für mich

Frauenkolumne: Beste Freundin kann ich nicht
© bnenin / Adobe Stock
Viele Frauen haben die eine fürs Leben. Unserer Autorin Andrea Müller ist das fremd. Bei ihr kommen und gehen die Freundschaften je nach Lebensabschnitt. Ist das oberflächlich?

Auf die Frage: "Wer ist eigentlich deine beste Freundin?", wurde ich unlängst nachdenklich. Diese drei mit Pathos und Stolz gefüllten Worte konnte ich zuletzt als "Hanni & Nanni"-Leserin in Zeiten von Ponyhof und Zöpfen beantworten. Beste Freundin, das steht für Geborgenheit, für die Fähigkeit, seinem Leben eine gewisse Stabilität zu verleihen, für Struktur, Treue und gemeinsames Krisengemeistere. Frei nach Ina Müllers Song: "… wir schwammen besoffen nachts im Meer, das ist jetzt ungefähr drei Männer her …" Nicht mein Fall.

Steht die eigene Verschlossenheit im Weg?

Zwar bewundere ich Frauen wie meine Schwester, die seit 30 Jahren eine beste Freundin hat, mit der sie zu Teeniezeiten Sternbilder interpretierte, sie später zur Patentante machte und mit der sie bis heute zusammen in den Urlaub fährt. Doch leider passt keiner meiner Wegbegleiterinnen diese Jacke.

Warum habe ich keine beste Freundin? Bin ich oberflächlich? Oder ist das die logische Folge meiner relativen, gelebten Unordnung? Meines Nähe-Distanz-Problems, was sich unter anderem darin manifestiert, dass ich mich bei Problemen lieber tot als dem Konflikt stelle? Oder meiner Intoleranz gegenüber Frauen, die mir ungefragt sagen, was gut oder weniger gut für mich ist?

Mein Leben heute ist von diversen Freundinnen-Typen bestimmt: einer Handvoll enger Wegbegleiterinnen, die im Groben über den Stand meines Alltags Bescheid wissen. Die zweite und größte Kategorie sind die, die nicht richtig weg, aber auch nicht mehr richtig da sind. Man trifft sich, wenn überhaupt, nur noch einmal im Jahr, Verbandelungen durch Jobs, Kinder, Nachbarschaft, Ehemänner, Trennungen sind aufgelöst, wenn auch im Herzen teilweise geblieben. Aufgrund von zeitlicher, emotionaler und räumlicher Distanz kommt es hier nur noch selten zu Kompetenz- und/oder Konkurrenzgerangel.

Erst Funkstille, dann ein gemeinsamer Hund – wie soll das zusammen passen?

Und dann gibt es noch das Grüppchen derer, die aufgrund aktueller Projekte (Job) oder Unternehmungen (Kinder) in meinen Lebenszug gestiegen sind und dort jede Menge Platz einnehmen. All diese Lebensabschnittsfrauen führe ich verbal als "Freundinnen" – wenn auch ohne das Adjektiv "bff" (best friends forever). Wer forever bleibt, wird sich weisen. Aus allen drei Gruppen sitzen da noch Versprengte. Solche, die einfach den Ausstieg verpennt haben.

Ein gutes Beispiel dafür ist Lena. Unsere Lebenswege überkreuzen sich seit nunmehr 25 Jahren, was viele nach all der Zeit automatisch als "befreundet" deklarieren würden. Neulich hatte ich eine Abendrunde getrennter Mütter inklusive Lena zunächst abgesagt, war dann doch gekommen und nach wenigen Minuten am Ende meines Geduldsfadens – und Lena bei ihrem Lieblingsthema: "Und, was läuft bei euch so?", fragt sie. Zeigt ungefragt Handyfotos ihres neuen Lovers, auf denen er nackt zu sehen ist. Wäre Lena 16, würde ich sagen: okay. Aber wir sind längst so erwachsen, dass man durchaus von der dritten Lebenshälfte sprechen kann.

Am gleichen Abend fragt Lena mich, ob wir uns gemeinsam einen Hund anschaffen wollen. Hauptsächlich für unsere Teenager, die sich nichts sehnlicher wünschen. Aber wäre das nicht fast so intim, als würde man ein Kind adoptieren? Wie kommt sie nur auf die Idee, dass ich das wollen könnte, nachdem immer mal wieder jahrelang Funkstille zwischen uns herrschte? Und warum triggert sie mich derart? Detaillierte Bettgeschichten und Storys über inflationäres Tinder-Dating haben bei mir inzwischen die Null-Toleranz-Grenze erreicht, nicht nur weil für mich diese Variante der Lust-Beschaffung nicht funktioniert. Ich will auch nicht mehr über die Ungnade des Alterns, über Botox, Detox oder Waxing sprechen, nicht mehr über (Ex-)Männer. Auch deshalb werde ich immer geiziger mit meiner Lebenszeit.

Frauenfreundschaften waren für mich emotionale Handgranaten

Als Freundin hat mich das in vielerlei Hinsicht unbrauchbar gemacht. Ich habe keine Zeitlücken, die ich füllen muss wie meine Mutter in den 80ern. Sie lud andere Mütter zum Kaffeeklatsch ein, man nannte sich gegenseitig "Bekannte" und lästerte über diejenige, die gerade den Raum verließ. Was für alle Beteiligten okay war. Zumindest haben sie nicht den Fehler begangen, ein gemeinsames Problem wie etwa ihre Ehemänner als Basis einer Freundschaft zu verstehen.

So wie ich in meiner Anfangszeit als junge Redakteurin, als Frauenfreundschaften für mich emotionale Handgranaten waren: Man war entweder bff oder alles detonierte in Zickenkriegen. Später verloren wir uns alle durch Job- oder Ortswechsel. Eine von ihnen hatte ich zur Patentante meines ersten Sohnes gemacht – weil ich uns offenbar für enger befreundet hielt, als wir es waren. Sie hat ihn in 18 Jahren genau einmal gesehen: zu seiner Taufe.

Neulich schrieb mir eine Ex-Kollegin aus dieser Zeit, Elena, nach ganzen acht Jahren Funkstille. Sie sei "von einem schwarzen Loch verschluckt worden" und ihre Freundschaften gleich mit. Wenn ich an Elena denke, dann ohne Groll an eine charismatische, schöne, vielleicht etwas zynische Frau, mit der ich Traditionen pflegte: unsere immer gleiche Shopping-Tour, den immer gleichen Italiener und (erst am Schluss leider) die immer gleichen Gespräche. Sie drehten sich ausschließlich um einen Gerichtsstreit in ihrer Familie, aus dessen Endlossog sie nicht mehr herausfand.

Trotzdem werden Gesellschaft und Intimität auf eine bestimmte Weise geschätzt

Sicher ist Elena wie ich eine schlechte beste Freundin. Wir haben, trotz aller Sympathie füreinander, immer eine gewisse Distanz bewahrt, es gab weder Informationspflicht noch den Wunsch nach Verschmelzung. Sie war keine, die nach Mitternacht anrief, weil irgendein Typ eine gemeine SMS geschrieben hatte. Sondern eine, die meinen Rat brauchte oder ich ihren, die meine Gesellschaft wegen der Deep Talks schätzte.

Tatsächlich vermisse ich diese Intimität, die sich nur dann zwischen uns aufbaute, wenn wir uns sahen. Viele Frauen sind da anders: Geheimnisse und Abgründe, die frau in weingetränkter Laune geteilt hat, verleihen ihnen gefühlt ab sofort vollumfänglichen Zugriff aufs Leben der anderen. Mich selbst nervt zu viel Nähe, vor allem wenn sie ohne meine Entscheidung entstanden ist. Mit Groll denke ich an Wegbegleiterinnen (ich sage bewusst nicht Freundinnen) meiner ersten Trennungsphase zurück, die mich mit einer Eckkneipe inklusive Gratis-Gruppentherapie verwechselten und abends beschwipst unangekündigt mit zwei Flaschen Wein an meiner Haustür klingelten.

Heute gehe ich nur noch bei beruflichen oder Anrufen aus der Schule ans Telefon. Private Telefontermine werden per WhatsApp abgestimmt. Stundenlangem Geplauder ziehe ich gute Lektüre oder Serien vor. Abendliche Verabredungen finden fast nur noch in zweckbezogenem Kontext statt.

Alles eine Sache der Perspektive

Meine Freundschaften sind fluide, am anderen Ende der Stadt oder Europas, mit einer Kollegin aus München führe ich trotz null Face-to-Face-Treffen seit Jahren eine enge Social-Media-Freundschaft: Wir simsen und sprechen uns fast täglich. Dieser und anderen Freundschaften fehlt es nicht an Ernsthaftigkeit, nur an Enge. Sie sind nicht klebrig, sondern autark und vielleicht ein bisschen kapriziös. Eben genau wie ich.

Auch Dorothee Röhrigs Freundschaftsbuch "Aus und Vorbei" versöhnte mich mit dem Thema "Beste Freundin". Darin schreibt die Journalistin und Autorin: "Ich bin kein Vorbild für lebenslange, treue Frauenfreundschaften… Dazu hat mich die Neugier, der Lebenshunger zu sehr angetrieben. So empfinde ich meine engen Freundinnen, auch die, die ich verloren habe, als Teil dieses rastlosen, manchmal widersprüchlichen und auf jeden Fall farbenfrohen Lebens."

Was die einen Neugier nennen, empfinden andere vielleicht als Unverbindlichkeit. Und Lebenshunger lässt sich auch als Getriebenheit oder Untreue interpretieren. Am Ende ist alles eine Frage der Perspektive. Die Autorin hebt verlorene Freundinnen als wertvollen Teil ihres Lebens hervor – nicht als charakterliches Defizit. Wir können auch an denen wachsen, die aus unserem Zug gestiegen sind, ihnen im Herzen verbunden bleiben.Gefreut hat mich vor allem jener Satz von Dorothee Röhrig: "Wer behauptet, dass es mit den Jahren schwieriger wird, neue Freundschaften zu knüpfen, hat Unrecht. Ich erlebe das Gegenteil."

Mal sehen, wer als Nächstes in meinen Lebenszug steigen wird. Das Abteil der besten Freundin wird weiterhin unbesetzt bleiben, ansonsten ist dort jede Menge Platz – und sei es nur für eine kurze Strecke des Weges.

Andrea Müller

hatte erst neulich Stress mit einer Freundin, weil sie zu Treffen oft zu spät kommt. Eskaliert ist der Streit diesmal aber zum Glück nicht.

Brigitte

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