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Hart, aber effektiv Meine Erfahrungen mit einer Konfrontationstherapie

Frau hält sich vor Angst die Augen zu
© Antonioguillem / Adobe Stock
Sich seiner Angst zu stellen, ist unangenehm und herausfordernd. Aber: Hinterher lebt es sich oft leichter. Meine persönlichen Erfahrungen und Tipps, mit einer Konfrontationstherapie anzufangen und diese durchzustehen.

Anfangs fühlte es sich an wie ein Unwohlsein. Manche Menschen haben Angst vor Prüfungen, andere vor dem Alleinsein, bei mir waren es Schlangen. Ich redete mir ein, es wäre normal, immerhin gibt es ja tatsächlich gefährliche, sogar tödliche Schlangenarten und verglich es mit der Angst einiger Freundinnen vor Spinnen. Mit der Zeit wurde das Gefühl aber immer intensiver. Ich schaute weg, wenn eine Schlange im Film vorkam, ich sah Stöcke und Fahrradschlösser als Schlangen, statt der harmlosen Gegenstände, die auf dem Fußweg lagen und ich hatte Alpträume, die meistens tödlich für mich ausgingen. Nach zehn Jahren erkannte ich, dass es so nicht weitergehen kann – und suchte mir psychotherapeutische Hilfe. 

Der erste wichtige Schritt zur Konfrontationstherapie

Rückblickend war dies definitiv der beste Schritt, den ich hätte gehen können. Wahrscheinlich schon früher, aber hinterher ist man ja immer schlauer. Nach mehreren Erstgesprächen bekam ich also die Diagnose: spezifische Phobie. Die wohl effektivste Behandlung: eine Konfrontationstherapie. Bei dem Gedanken sich meiner Angst direkt zu stellen, mir Schlangen in echt oder auch nur auf einem Bild anzuschauen, zog sich alles in mir zusammen. Aber ich wusste, es kann so nicht weitergehen – die Belastung war einfach zu hoch. 

Bilder, Videos, echte Schlangen

Was viele immer denken: Bei einer Psychotherapie muss ich mich sofort dem stellen, vor dem ich mich fürchte. Ja, auch das ist eine Therapiemethode, die mit ausreichenden Wiederholungen Erfolg haben kann. Es ist aber auch völlig in Ordnung, zu sagen, dass das zu viel ist. Ich hätte mir im Leben nicht vorstellen können, mir sofort eine echte Schlange anzusehen – und das war gar kein Problem. Gemeinsam mit meiner Therapeutin erarbeitete ich eine Liste mit Situationen, die Angst in mir auslösten: über Schlangen sprechen, sich Bilder anschauen, Bewegtbild sehen, echte Tiere anschauen. Und genau in dieser Reihenfolge nahmen wir uns der Thematik an. 

Für den Körper und Geist eine Herausforderung

Wichtig zu wissen, wenn man eine Konfrontationstherapie angeht: Du bist nicht allein und du entscheidest, wie und wann es weitergeht. Die ersten Stunden sprachen wir "nur" über meine Angst, was für mich schon herausfordernd genug war. Ich schwitzte, weinte, zitterte und wollte verdrängen. Doch diese Taktik hatte es in den letzten Jahren nur schlimmer gemacht. Doch es wurde besser, es fühlte sich normaler an, über Schlangen zu sprechen und vor allem: Meine Annahmen, die sich über Jahre in meinem Kopf gefestigt haben, wurden widerlegt. Dazu zählten Gedanken wie "In meinem Zimmer ist eine Schlange, die mich tötet" oder "Im Wald werde ich von Schlangen verfolgt". Für andere Menschen total unrealistische Vorstellungen – vor allem in einer Großstadt wie Hamburg – für mich in meinem Kopf aber absolut wahr und klar. 

Nach einigen Wochen fühlte ich mich bereit, mir gemeinsam mit meiner Therapeutin Bilder von Schlangen anzusehen. Die heftigen körperlichen Reaktionen gingen von vorne los, anfangs noch stärker. Doch wir beschäftigten uns mit jeder Seite eines Sachbuchs ausführlich und in dem Tempo, das ist bestimmte. Wir schauten uns dabei nicht nur die Bilder an, sondern lasen auch die Infotexte, aus denen ich wieder lernte, was eine realistische Betrachtung der Gefahr der Tiere ist, im Gegensatz zu meiner angenommenen. Selbiges machten wir Wochen später mit einer Dokumentation und Videos. 

Und dann kamen die echten Schlangen …

Natürlich wusste ich von Anfang an, dass am Ende das Ziel ist, sich auch echte Schlangen anzuschauen. Ich konnte mir nach mehreren Monaten mittlerweile auch allein Bilder und Videos anschauen, ohne Panik und hinterher Alpträume zu bekommen. Als ich zum ersten Mal das Tropenaquarium in Hagenbecks Tierpark in Hamburg betrat, wackelten meine Knie jedoch so doll wie nie zuvor, mir war schwindelig, ich weinte, zitterte, mein ganzer Körper reagierte. In meinen automatischen Gedanken krochen die Tiere gleich aus ihren Terrarien und verschlangen mich. Aber ich wusste, ich war nicht allein, ich war gut vorbereitet und weiß, woran ich mich halten kann. Das waren Fragen und Überlegungen wie: "Wie realistisch ist dieser Gedanke wirklich?", "Wie hoch ist meine Angst gerade auf einer Skala von 0 bis 100?" oder "Was könnte ich tun, wenn die befürchtete Situation eintritt?" 

Jede einzelne Schlange verlangte meinem Körper und Geist Höchstleistung ab. Und dann kam der Moment, von dem Therapeut:innen erzählen und den man sich so sehr wünscht, sich aber nicht vorstellen kann, dass er wirklich eintritt: Ich entspannte mich. Völlig aus dem Nichts hatte ich keine Kopfschmerzen vor, ich stand fest auf meinen Beinen und war bei klaren Sinnen. Die Tränen vor Angst wurden zu kleinen Freudentränen, weil ich wusste, ich habe es geschafft.

Wiederholungen, Wiederholungen, Wiederholungen

An dem Tag war ich so glücklich wie lange nicht mehr. Zwar wusste ich, ich brauche noch mehr Wiederholungen, um die Phobie wirklich loszuwerden und werde die nächsten Male wieder aufgeregt sein, aber ich habe es einmal geschafft und werde das auch wieder. Bis heute war ich mehrere Male allein in Zoos und im Tiergeschäft. Ich habe Harry Potter inklusive der Schlangenszenen geguckt und mir ein eigenes Schlangenbuch gekauft, um mich weiterhin konfrontieren zu können, denn die Angst ist natürlich nicht gänzlich verschwunden, aber ich habe keine Phobie mehr, die Angst stellt keine Belastung im Alltag dar und ich kann gut allein mit ihr umgehen. 

Meine 5 wichtigsten Tipps für Betroffene

Hast du auch extreme Angst vor einem Tier oder bestimmten Situationen, könnte dir ebenfalls eine Konfrontationstherapie helfen. Und weil ich weiß wie schwierig es ist, diese wirklich zu beginnen und durchzuhalten, sind hier meine wichtigsten Tipps für dich: 

  1. Such dir früh Hilfe und warte nicht mehrere Jahre, weil du Angst vor einer Konfrontation hast, du deine Angst herunterspielst oder du dich schämst. Du brauchst nichts davon und aus Erfahrung kann ich sagen: Das Leben wird so viel besser, wenn du (professionelle) Hilfe annimmst. 
  2. Gehe dein eigenes Tempo und lasse dich nicht unter Druck setzen, sowohl von außenstehenden Personen als auch von dir selbst. Die Angst ist vermutlich schon Monate bis Jahre in deinem Gehirn verankert – es braucht seine Zeit, bis sich dies ändert.
  3. Verstehe, dass die Angst nicht verschwinden muss. Das Ziel meiner Therapie war nie, dass ich danach eine Schlange als Haustier haben möchte oder auch nur eine Schlange anfassen kann. Das brauche ich nicht für den Alltag – was ich aber brauchte, war ein Alltag ohne diese Belastung in Form von Alpträumen und Co. und eine Weise, wie ich mit der Angst umgehen kann. Und das habe ich gelernt.
  4. Weihe deine Freund:innen und/oder Familie ein, zumindest ausgewählte Personen, die dir beistehen. Eine Konfrontationstherapie ist hart und anstrengend – Unterstützung bei der Konfrontation und auch zur anschließenden Ablenkung ist da definitiv hilfreich und wünschenswert.
  5. Feier die kleinen Erfolge, belohne dich immer wieder und sei so richtig stolz auf dich! 
Brigitte

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