Anzeige

Unentschlossen? Diese drei Fragen helfen dir bei schwierigen Entscheidungen

Entscheidungen treffen: Überlegende Frau
© GaudiLab / Shutterstock
Was kann ich? Was will ich? Was soll ich? Diese drei Fragen sollte man beantworten können, um eine gute Entscheidung zu treffen, sagt Melanie Wolfers. Ein Leitfaden für Zaudernde.
Dr. Melanie Wolfers

"Können wir uns mal treffen? Ich stehe vor einer Entscheidung und weiß nicht weiter." Solche Anfragen erreichen mich oft im Rahmen meiner Arbeit mit jungen Erwachsenen. Im Gespräch mit ihnen bringe ich gerne drei Bausteine einer tragfähigen Entscheidung ein.

1. Was kann ich?

Für eine tragfähige Entscheidung braucht es zuallererst ein gutes Fundament. Denn wie ein auf Sand gebautes Haus einem Sturm nicht standhält, so bricht eine auf wackeligem Boden stehende Entscheidung irgendwann wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die Grundlage einer guten Entscheidung liegt darin, dass wir unseren Stärken und Schwächen, unserer Biografie und Persönlichkeit Rechnung tragen. In allem, was einem leicht von der Hand geht, woran man Freude und was man sich im Lauf des Lebens angeeignet hat – in all dem liegt ein Wink für eine gute Wahl. Wenn wir unsere Potenziale berücksichtigen, weckt dies Lebendigkeit und Freude. Und: Wir geben das, was nur wir zu geben vermögen. Wir verändern und bereichern unser konkretes Umfeld. Folgende Fragen können das Gespür für die eigenen Stärken und Potenziale vertiefen:

  • Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich mich ganz in meinem Element gefühlt habe. Im Blick auf diese Situationen frage ich mich: Welche meiner Begabungen kamen damals zum Tragen?
  • Wie war es in den vergangenen Monaten: Was ist mir gut gelungen? Welche Fähigkeiten habe ich dabei eingesetzt?
  • Was fällt mir im Allgemeinen leicht und geht mir locker von der Hand? Was macht Freude und gibt mir einen Energieschub, wenn ich es tue?

Eine tragfähige Wahl baut ebenso darauf auf, die eigenen Grenzen zu berücksichtigen. Tun wir das nicht, steht unsere Entscheidung auf tönernen Füßen. Ja, genau genommen entscheiden wir uns gegen uns selbst, wenn wir uns zu etwas entschließen, das unsere Kräfte übersteigt. Das unserer Persönlichkeitsstruktur widerspricht. Oder wofür wir nicht genügend Zeit und Energie haben. Eine solche Entscheidung kracht früher oder später in sich zusammen. Man bringt sich fahrlässig in eine Situation der Überforderung und zieht oft auch andere mit hinein. Auch im Blick auf die eigenen Grenzen lohnt sich eine Selbsterkundung: Ich lasse einige Entscheidungen meines Lebens Revue passieren. Welche erscheinen mir als missglückt? Im Hinblick auf diese Entschlüsse kann ich mich fragen:

  • Welche Entscheidungen sind nicht gut gelaufen, weil ich mich überfordert habe? Oder überfordern ließ?
  • Welche sind misslungen, weil ich mich selbst nicht genügend gut gekannt habe? Vielleicht weil mir nicht klar gewesen ist, worin meine zentralen Bedürfnisse liegen. Oder weil ich blind meinen inneren Antrieben gefolgt bin und meine Ziele aus dem Blick verloren habe.
  • Was hat mich dahin geführt? Oder auch verführt?

2. Was will ich?

"Können Sie mir bitte sagen, wo ich hinwill?" – Mit dieser kuriosen Frage, die er an Passanten richtete, bringt der berühmte Komiker Karl Valentin die verbreitete Orientierungslosigkeit auf den Punkt. Worauf kommt es mir an? Wofür schlägt mein Herz? Wozu sage ich Ja im Leben? Und wozu Nein? – Entwickeln wir eine Vorstellung von dem, was für uns wirklich von Bedeutung ist, steht uns ein innerer Kompass zur Verfügung. Mit dessen Hilfe können wir uns orientieren, wenn wir auf eine Weggabelung stoßen und die verschiedenen Alternativen und Ziele abwägen. Daher gehört es mit zum Wichtigsten im Leben zu wissen, was wir wirklich, wirklich wollen. Und warum.

Der innere Orientierungssinn ist also gefragt – und der gerät schnell unter die Räder. Wie leicht übertönt das Alltagsrauschen die leise Stimme der Sehnsucht. Doch wer den Mut aufbringt, sich Stille zu gönnen, und regelmäßig bei sich selbst einkehrt, wird die innere Stimme in neuer Klarheit vernehmen.

Um deutlicher den Blick zu bekommen, worauf es einem ankommt, erleben viele Menschen Imaginationsfragen als hilfreich. Etwa:

  • Angenommen, ich hätte zwei Leben zur Verfügung – wie würde mein zweites Leben aussehen?
  • Was ist mir das Risiko wert, mich dafür mit all meiner Kraft einzusetzen, selbst wenn ich scheitere?
  • Welche Menschen beeindrucken mich? Und warum?
  • Wenn ich einem Menschen, der heute geboren wird, einen einzigen Rat mit auf seinen Lebensweg geben sollte: Wie würde der lauten?

Abschließend kann man die eigenen Antworten betrachten und sich fragen: Entdecke ich einen roten Faden, eine tiefer liegende Sehnsucht, die sich durchzieht?

In dem Maß, in dem wir mit unserem tiefen Wollen in Verbindung sind, wächst die Kraft, auch bei heftigem Gegenwind Kurs zu halten. Dann entscheidet nicht der Wind über unseren Kurs, sondern wie wir die Segel setzen.

3. Was soll ich?

Der dritte Baustein einer tragfähigen Entscheidung betrifft die "äußere" Realität. Denn die konkreten Gegebenheiten geben den Spielraum vor, was möglich ist – und was nicht. Daher braucht es eine gute Balance zwischen dem, was man anstrebt, und den Möglichkeiten, die sich anbieten. Und dies ist alles andere als selbstverständlich! Dies zeigt sich etwa, wenn jemand, getrieben von Ehrgeiz, Luftschlösser baut und irgendwann erbarmungslos abstürzt. Ein gesunder Realismus hingegen gibt Boden unter den Füßen.

Darüber hinaus hat die Wirklichkeit, der wir begegnen, uns etwas zu sagen. Sie spricht an, irritiert, lädt ein, fordert heraus ... Es gibt Momente, in denen das Leben einem etwas zuruft: Da werden mir unverhofft Bälle zugespielt oder Brocken vor die Füße geworfen und ich merke: "Da will, ja, da muss ich Position beziehen und mich kümmern. Das darf ich nicht links liegen lassen!" So ging es etwa jener Frau, die gebeten wurde, für den Betriebsrat zu kandidieren. Sie hörte sich um, wo ihren Kolleginnen und Kollegen der Schuh drückt. Und als sie die Probleme sah, zauderte sie nicht länger, sondern beschloss, sich zur Wahl aufstellen zu lassen.

Für eine solch dialogische Begegnung mit der Wirklichkeit braucht es die Bereitschaft zu hören und sich berühren zu lassen. Und es braucht Zeit! Wer hingegen mit Überschallgeschwindigkeit durchs Leben rast, hochaktiv und ständig auf Achse, dem vergehen bei diesem Tempo Hören und Sehen.

Ein Balanceakt

Jede Wahl stellt einen vor die Aufgabe, die drei Bausteine einer Entscheidung in ein annähernd ausgewogenes Verhältnis zu bringen: (1) die eigenen Begabungen, Grenzen und aktuellen Ressourcen; (2) die Ziele, Wünsche und Werte; (3) die konkrete Wirklichkeit mit ihren Anforderungen und Möglichkeiten. Eine kluge Wahl zu treffen meint, zwischen den drei Polen eine lebbare Balance herzustellen. Und das fordert stets neu heraus – vor allem auch, weil diese Pole fast immer in Spannung zueinanderstehen. Diese Spannung zu spüren, ist normal und wichtig. Eine gesunde Spannung zwischen den Polen einer Entscheidung verleiht dem Leben Elan.

Ein Bild aus der Elektrizität kann dies verdeutlichen: Herrscht zwischen zwei Polen eine zu niedrige elektrische Spannung, kann die Lampe nicht leuchten. Ist die Spannung zu hoch, brennt die Birne durch und es kommt zum Burn-out. Eine gut ausgewogene Spannung hingegen bringt die Lampe dauerhaft zum Brennen und macht die Umgebung heller. Es gibt kein Leben ohne Spannung. Eine kluge Wahl zu treffen bedeutet, dass wir die bestehenden Herausforderungen konstruktiv und kreativ gestalten. Der Schriftsteller Hans Günther Adler formuliert es so: "In der Spannung zwischen dem Ziel und der Wirklichkeit entdecken wir den Sinn unseres Lebens."

BRIGITTE 24/2020

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel