Meist sind es glückliche Menschen, die einem erzählen, dass sie getan haben, was sie schon immer tun wollten. Sie haben sich etwas getraut, aber vor allem waren sie mutig und geduldig genug, um herauszufinden, was sie wirklich wollen. Denn oft merken wir gar nicht, dass unsere Ziele nicht aus uns selbst kommen, sondern von außen - weil wir den Vorstellungen und Erwartungen anderer entsprechen wollen. Eine Zeit in einer bestimmten Stadt zu leben ist ein sinnloses Ziel, wenn wir's nur tun, weil alle immer sagen: Man muss ja mal im Ausland gewesen sein. Eine Nacht mit der Jugendliebe ist kein reizvoller Traum, sondern eine Enttäuschung mit Ansage, wenn wir uns diese Nacht wünschen, weil sie einem gewissen romantisch- leidenschaftlichen Klischee entspricht. Und nicht den Menschen, um die es dabei geht. Denn damit uns unser Traum auch glücklich macht, muss es unbedingt unser eigener sein.
Um unsere Ziele anzupacken, brauchen wir Willenskraft. Denn was wir wollen, wissen wir meistens schon lange: uns mehr engagieren; oder endlich das klärende Gespräch mit der Freundin führen. Mehr Sport machen. Eine Sprache lernen. Aber dann gibt es immer Gründe, das nicht zu tun: Zur Zeit zu viel los im Job, um nachts Decken an Obdachlose zu verteilen; draußen ist es zu kalt, um zu joggen. Und um die Uhrzeit kann ich doch bei der Freundin, die ich verletzt habe, nicht anrufen, die guckt bestimmt "Tatort".
Motivationsforscher sagen, dass man seinen Willen trainieren kann wie einen Muskel: Indem man ihn an kleinen Dingen stärkt (Treppe statt Fahrstuhl, Salat statt Pizza), trainiert man ihn für die großen. Bisher gab es keine Studien, die das belegen, aber es sieht so aus, als könnte Meditation einem auf ähnliche Weise helfen: Experten sagen, dass man seine Selbstkontrolle verbessern kann, wenn man täglich eine halbe Stunde meditiert. Dabei lernt man, mit Ablenkung und Störung besser fertig zu werden und sich auf seine Ziele zu konzentrieren. Denn vor allem die Hirnregion, die fürs Anstreben von Zielen zuständig ist, wird beim Meditieren trainiert.
Das gilt in doppelter Hinsicht. Etwa, indem man sich ausmalt, was alles passiert, wenn man nicht endlich tut, wovon man träumt. Diese Technik heißt "mentales Kontrastieren": Erst mal stellt man sich vor, wie gut man sich fühlen würde, wenn man der unverschämten Verkäuferin endlich die Meinung sagen würde. Und dann mentales Konstrastieren: wie egoistisch und feige man sich bei jedem Einkauf fühlen wird, wenn man weiterhin tatenlos dabei zusieht, wie die Filialleiterin ihre Mitarbeiter zusammenstaucht.
"Mentales Kontrastieren zwingt uns, einen Standpunkt zu beziehen, statt nur in Fantasien zu schwelgen", sagt Gabriele Oettingen, Psychologie-Professorin in Hamburg und New York: Wenn wir uns die negativen Folgen unseres Nicht-Handelns ausmalen, werden wir besser mit den Hindernissen auf dem Weg klarkommen.
Natürlich ist es schwierig, etwas zu tun, was man vorher nie getan hat. Man bewegt sich in unbekanntes Gebiet, verlässt die so genannte "Komfortzone". Das macht Angst, und jeder, der eine große Herausforderung annimmt, erlebt in der Folge irgendwann eine Krise. Es hilft zu wissen, dass dies eine völlig normale Reaktion darauf ist, etwas Neues gewagt zu haben. Sie ist nicht zu verwechseln mit all den kleinen und mittleren Anfangshindernissen, die einen davon abhalten, überhaupt loszulegen.
Die Anfangshindernisse bauen wir uns selber auf, weil wir unsere Komfortzone nicht verlassen wollen. Die Krise aber setzt dann ein, wenn uns bewusst wird: Ich bin dabei, es wirklich zu tun. Dann hängt man beim Abseilen am Berg und weint und würgt. Aber das Schöne ist: Diese Krise geht vorüber. Indem man jetzt, da man einmal angefangen hat, einfach weitermacht.
"Neues zu tun hilft, das Gefühl der Zeit auszudehnen", hat der niederländische Psychologe Douwe Draaisma vor einiger Zeit in einem BRIGITTE-Interview gesagt. Denn: "Wenn wir zurückschauen, kommt uns eine Phase intensiver Eindrücke viel länger vor." Aber: "Was uns kaltlässt, was ohne Bedeutung für uns ist, hat kaum eine Chance, sich in unser autobiografisches Gehirn einzuschreiben." Die Glücksforschung spricht deshalb seit einigen Jahren unter dem Fachbegriff "creating memories" davon, wie wichtig es ist, dass wir uns Erinnerungen verschaffen: Glücklich macht uns nicht, wenn wir unser Geld für Dinge ausgeben oder wenn wir versuchen, schöne Erfahrungen endlos zu wiederholen.
Zum Beispiel, indem wir im Urlaub immer an denselben Ort fahren, denn dadurch entstehen keine Erinnerungen. Wenn wir wirklich etwas vom Leben haben wollen, wenn wir bewusst und leidenschaftlich leben möchten, dann müssen wir all jene Dinge tun, die wir immer schon mal machen wollten. Denn genau dies sind die Dinge, die uns berühren und sich uns einprägen.