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Dolce Vita Prinzip Darum hilft uns ein positiver Blick in Krisenzeiten

Frau im Wald
© irissca / Adobe Stock
Ein verspielter Blick aufs Leben hilft in vielen Situationen. Und es nützt niemandem, wenn wir uns in Negativität eingrooven.

Nie vergesse ich diesen Samstagmorgen, als meine Mitbewohnerin auf den Balkon unserer WG taumelte, noch im Partydress der letzten Nacht: "Bin gleich wieder weg, hab gestern jemand kennengelernt, jetzt fahren wir nach Italien." War das schön, diese Prise Wahnsinn, die wir hatten, das Talent, offen auf die Welt zuzugehen: Los, überrasch mich! Den Glauben, dass schon alles gut wird, irgendwie.

Lang ist’s her. Heute scheint es mir manchmal, als hätten wir das alles gründlich verlernt. Nicht nur, weil wir älter sind. Beim Stichwort "Italien" denke ich weniger an Dolce Vita als an Städte, die im Overtourism versinken, und eine rechtspopulistische Ministerpräsidentin. Roadtrip Richtung Rom? Der beginnt mit schlechtem Gewissen an der Zapfsäule und geht weiter mit der Angst vor radikalen Klimaschützer:innen, die kurz vor dem Brenner auf der Straße kleben. Eine Studie, die ein Gesundheitsportal gemeinsam mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos kürzlich durchführte, ergab: Beinahe jeder zweite Deutsche macht sich mehr Sorgen als noch vor einem Jahr, jede:r dritte liegt nachts wach und grübelt. Schwere Zeiten, alles in allem.

Gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach Leichtigkeit – das zeigt schon die Fülle aktueller Buchtitel wie "Unbeschwerter leben", "Die Macht der Freude", "222 Botschaften für mehr Leichtigkeit im Alltag". Und wir haben ja auch unsere Glücksmomente, wachen mit Muskelkater im Kiefer auf, wenn wir am Abend vorher viel gelacht haben. Das Gemeine ist, wenn wir uns beinahe dafür schämen: Darf ich meine Freude überhaupt zeigen, wenn es der Welt so schlecht geht, dem Klima, den Menschen in der Ukraine und in Nahost? Ist das nicht pietätlos?

Leichte und schwere Zeiten kommen oft im Doppelpack – wichtig dabei ist unser verspielter Blick

Die Psychologin, Autorin und Podcasterin Franca Cerutti hört diese Frage häufig – und ihre Antwort ist entlastend: "Niemand profitiert davon, dass wir uns mit Scham und Schuldgefühlen in einer negativen Stimmung festhalten. Im Gegenteil: Gerade in schweren Zeiten ist es nahezu unsere Verpflichtung, auf unsere eigene Energie zu achten. Unsere Batterien aufzuladen, mit Humor, Unsinn, wohltuenden sozialen Kontakten. Nur so können wir stabil sein, ein gutes Modell für andere, und haben im besten Fall den Drive, etwas zu ändern an dem, das uns besorgt."

Das Leichte und das Schwere, es kommt selten säuberlich getrennt, sondern oft im Doppelpack, privat wie global. Ein Widerspruch, ja – aber er lässt sich ausbalancieren. Die Wissenschaft spricht dabei von "Ambiguitätstoleranz".

Und es geht noch weiter. Das Freudige, das Spielerische ist mehr als das Kakaopulver auf dem Milchschaum unseres Lebens. Es kann sogar das Beste aus uns herausholen, ob in Beziehungen oder in der Arbeitswelt. René Proyer, Psychologie-Professor aus Halle, hat erforscht: Wer einen verspielten Blick aufs Leben kultiviert, empfindet nicht nur insgesamt weniger Stress, sondern erzielt auch oft bessere Ergebnisse, wenn er oder sie in der Lage ist, kreativ und spontan zu reagieren. Kann also im Meeting improvisieren, wenn der Laptop mit der Präsentation abstürzt, denkt sich ganz nebenbei eine Schnitzeljagd aus, um quengelige Kinder im zwei Stunden verspäteten ICE bei Laune zu halten.

Vielleicht ist es ein frommer Wunsch, vielleicht naiv, aber: Ein bisschen mehr von dieser positiven Energie könnte vielleicht sogar Schwung in die festgefahrenen politischen Auseinandersetzungen unserer Zeit bringen. Menschen miteinander verbinden, die sich sonst gar nicht grün sind, oder überraschende Lösungsideen für unsere drängendsten Krisen hervorbringen. Das wäre vor allem eins: ganz schön erleichternd.

Brigitte

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