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Versteckte Anzeichen für Depressionen Welche Symptome wir bei Männern nicht ignorieren sollten

Depression bei Männern: Mann sitzt niedergeschlagen auf Bett
© Space_Cat / Shutterstock
Viele Männer denken, dass sie nicht über ihre Gefühle sprechen dürfen. Sie fühlen sich dazu gezwungen, stark zu sein und keine Schwäche zu zeigen. Veraltete Normen, die in der Gesellschaft seit Jahrzehnten den Alltag bestimmen und sich auf die Psyche auswirken können. Für jeden Menschen, egal welchen Geschlechts, ist es wichtig, seine oder ihre Gefühle nicht wegzusperren. Denn auch die innere Gefühlswelt erreicht irgendwann eine Kapazitätsgrenze.

Einige haben Männer aus der eigenen Familie oder dem Freundeskreis vielleicht schon weinen sehen oder mit ihnen über ihre Gefühle gesprochen. Doch oft machen sie – auch in Beziehungen – lieber zu. Das Schweigen führt dann zu demselben Problem: Frustration bei dem Betroffenen und bei der geliebten Person. Frauen sprechen in der Regel mit anderen Menschen über ihre Probleme. Daher ist das Verhalten des anderen für sie meistens nicht nachvollziehbar. Viele von ihnen gehen davon aus, dass es einfach sein sollte, über Gefühle zu sprechen. Doch die Bezugsperson, an die sie sich in emotional überfordernden Momenten wenden können, fehlt Männern oft.

Auch in der Beziehung haben sie das Gefühl, dass die Emotionen nicht gerechtfertigt sind und sie sie deshalb nicht ansprechen können. Viele Männer lernen von klein auf, dass es sozial nicht anerkannt ist, sich emotional zu öffnen. Auch unter männlichen Freunden wird das Gefühl oft noch verstärkt. Dieses Problem kann bei Männern sogar zu Depressionen führen, die mitunter schwer zu erkennen sind.

Diese oft übersehenen Anzeichen können eine Depression bei Männern bedeuten

  1. Physischer Schmerz: Depressionen bei Männern äußern sich oft in körperlichen Symptomen wie Rücken- oder Kopfschmerzen, Schlaf- oder Verdauungsproblemen oder sexuellen Problemen, die sich nicht durch normale Therapiemöglichkeiten behandeln lassen. Auch den Appetit zu verlieren oder viel zu viel zu essen, kann ein Anzeichen einer Depression bei Männern sein.
  2. Wut: Es können Kleinigkeiten sein, die auf einmal etwas ganz anderes auslösen. Oft reagieren Männer mit Depressionen sensibel auf Kritik oder verstehen in bestimmten Situationen auf einmal keinen Spaß mehr. Auch schnell in die Luft zu gehen oder sogar gewalttätig zu werden, kann bei Männern ein Anzeichen einer Depression sein. Manche fangen sogar an ihre Partner:innen zu verletzen oder versuchen sie zu kontrollieren.
  3. Selbstzerstörerisches oder gefährliches Verhalten: Um den Gedanken der Depression zu entfliehen, neigen einige Männer dazu mit gefährlichen Sportarten, aggressivem Fahrverhalten oder ungeschütztem Sex zu kontern. Männer mit Depressionen greifen auch öfter zu Alkohol oder Drogen als Frauen mit Depressionen.

Eine Basis aus vier Emotionen

Trauer, Angst, Freude und Wut: Diesen vier Emotionen ist jeder Mensch ausgesetzt. Sozial akzeptiert ist aber eigentlich nur die Freude. Und dass, obwohl die anderen Gefühlslagen genauso wichtig sind. Viele Männer verstecken aber lieber ihre Emotionen. Sie denken oft, dass sie selbst mit ihrer inneren Gefühlslage klarkommen müssen. Einige entfremden sich deshalb von ihrer Familie oder ihren Freund:innen, arbeiten länger oder verbringen auf andere Weise mehr Zeit weg von ihrem zu Hause und meiden so das eigentliche Problem. Andere hingegen verlieren das Interesse an der Arbeit komplett, sie sind andauernd müde oder entwickeln Schlafprobleme, sind hoffnungslos oder fühlen sich einfach nur leer.

Wie man das Schweigen durchbricht

Wie äußern sich die Emotionen? Wut spiegelt sich vielleicht in einem roten Kopf wider. Angst in einem Engegefühl in der Brust. Zu wissen, was diese Reaktionen bedeuten, hilft dabei, die Emotionen aktiv anzugehen und zu reflektieren. Außerdem: Ist es nur Wut? Oder ist hinter der wütenden Fassade Trauer, Unzufriedenheit oder Angst? Wörter für Emotionen zu finden kann dem Gehirn dabei helfen, sie später gegenüber anderen Menschen zu verbalisieren. Sie zu identifizieren und zu äußern ist allerdings eine Sache der Übung und braucht daher seine Zeit. Nicht selten versuchen Männer stattdessen Gefühle mit einem anderen zu kompensieren. Sie reagieren beispielsweise wütend, da sie glauben, diese Emotion ist bei Männern eher sozial akzeptiert als Trauer oder Angst. Sich des eigentlichen Problems bewusst zu werden und sich verletzlich zu zeigen, ist trotz der Überwindung, die das kostet, ein guter Ansatz. Sich anderen zu öffnen, sorgt dafür, dass man sich ihnen wieder näher fühlen kann und bringt meistens eine gewisse Erleichterung mit sich.

Wenn alles zu viel wird

Die meisten Männer sind es gewohnt, sich selbst zu helfen, anstatt sich anderen anzuvertrauen. Einige versuchen sich mit Hobbys wie Musik, Kunst oder Sport selbst besser kennenzulernen und dabei die eigenen Gefühle zu reflektieren – oder sie zwingen sich dazu, rauszugehen und etwas mit anderen Menschen zu unternehmen, um sich abzulenken. Dabei sind nahe Beziehungen wichtig und helfen oft besser als die Selbsttherapie. Die Menschen, die einem wichtig sind, müssen die Depression nicht heilen. Denn dafür sind sie auch nicht qualifiziert. Einfach zuzuhören und neutral zu bleiben nimmt Betroffenen aber einen Teil der Last ab.

Die Gefühle wertzuschätzen und ernst zu nehmen, ist das Wichtigste. In manchen Fällen kann das aufgestaute innerliche Chaos allerdings so groß sein, dass der beste Weg zum Erfolg eine Therapie ist. Im Gespräch mit einem Therapeuten können sich Betroffene mitteilen, ohne dafür verurteilt zu werden.

Was können Partner:innen tun?

Die Lebenserwartung von Männern ist niedriger als bei Frauen. Ein Grund dafür könnte sein, dass es ihnen schwerfällt, Hilfe zu suchen. Sie gehen seltener zu Arztbesuchen oder Vorsorgeuntersuchungen. Und auch das Krankheitsbild einer Depression wird bei Männern nur halb so oft diagnostiziert wie bei weiblichen Personen. Möglicherweise auch wegen der sehr unterschiedlichen Symptome. Die Zahl der Suizide bei Männern ist hingegen drei bis zehn Mal höher als bei Frauen. 2020 betrafen 75% der Selbsttötungen in Deutschland männliche Personen.

Was Partner:innen oder Freund:innen tun können, ist vor allem: Nach den Anzeichen einer Depression Ausschau zu halten. Oft versuchen wir, den anderen zum Reden zu bringen und fragen, was los ist. Doch bei Männern mit Depression kann das nur immer wieder zu der gleichen Abwehrhaltung führen: "Mir geht es gut", "alles super" – oder sie blocken komplett ab, werden ausfallend oder wütend. Als Partner:in ist es am wichtigsten, Unterstützung anzubieten und keinen Druck aufzubauen. Außerdem sollte man nicht erwarten, dass die Depression sich von heute auf morgen erledigt. Mentale Probleme können genauso viel Zeit zum Heilen brauchen wie ein gebrochenes Bein – oder eben noch länger.

Nur weil wir es nicht sehen können, heißt das nicht, dass es schneller geht oder die betroffene Person ok ist. Viele Männer mit Depression wollen ihre Symptome nicht wahrhaben und sich keine professionelle Hilfe holen. Es kann aber helfen, beispielsweise wegen Begleiterscheinungen zum Hausarzt gehen. Wenn der Mann sich selbst wegen der körperlichen Beschwerden keinen Termin macht, kann es sinnvoll sein, dass der:die Partner:in das für ihn übernimmt. Meistens werden bei diesen Gesprächen auch die stressbedingten Optionen mit abgeklopft und eine neutrale Person zu den Problemen hinzuzuziehen ist immer hilfreich.

Informationen zu Hilfsangeboten

Leidest du unter Depressionen, hast du Selbstmordgedanken oder kennst du jemanden, der solche schon einmal geäußert hat? Die Telefonseelsorge bietet Hilfe an. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800/1110111 und 0800/1110222 erreichbar. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

Quelle: MensLine Australia, Mission Harbor Behavioral Health, Psychology Today, Helpguide.org, Zavamed.com, RKI, Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie; Statistisches Bundesamt, National Institute of Mental Health

Brigitte

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