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Das Outing: DSDS-Sieger Thomas Godoj verfallen

Die fünfte Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" fesselte auch BRIGITTE-Woman-Redakteurin Katja Jührend ans Fernsehsofa. Stundenlang ließ sie reißerische Moderationen und rüpelhafte Jury-Kommentare über sich ergehen - weil sie dem neuen "Superstar" Thomas Godoj verfallen ist.

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Ich behaupte gern, ich würde nur beim Zappen in das Programm von RTL geraten. Gelogen: Als vor einigen Monaten die fünfte Staffel von DSDS startete, sah ich nicht ganz zufällig zu. Seither bin ich verzaubert und bekenne ohne Scham: Ich schwärme für Thomas Godoj. Und das ist auch gut so.

Es ist das erste Mal, dass ich einem RTL-Retortenstar verfallen bin. Ich habe darin wenig Übung. Denn mit 42 Lebensjahren und soziologisch gesehen eher bildungsnahem Hintergrund ausgestattet, gehöre ich zwar durchaus zur Zielgruppe des Senders, wie man inzwischen weiß. Aber garantiert nicht zur Zielgruppe seiner Stars. Schon gar nicht jener Stars, die bisher bei DSDS so auftraten: geschmacklos gekleidet (weiße Hosen!), geschmacklose Frisuren (Gel!), geschmacklose Heimatorte (Castrop-Rauxel!), geschmackloser Musikgeschmack (Mariah Carey!), wenig Hirn (...!) und vor allem: Wenig Lebensalter (17!). Wegen eines siebzehnjährigen Nagelmodelleurs hätte ich mir niemals die Finger bei einer kostenpflichtigen Hotline wund getippt und Samstagabende vor dem Fernseher verbracht, statt im gepflegten Gespräch mit Menschen, die vorgeben, nur Arte zu gucken.
 

Aber dann trat ER auf. Er hatte sich zum Casting in Köln angemeldet, gewährte noch ein kleines Interview, bevor er sich der Jury stellte. Darin outete er sich als arbeitsloser technischer Zeichner, während er - total süß - mit ausgebreiteten Armen auf einer unsichtbaren Linie balancierte. Er hatte wunderbar sanfte, ein wenig traurige blaue Augen, ein markantes Gesicht mit hohen Wangenknochen, ein rührend bescheidenes Lächeln und halblange lockige Haare, die ihm ins Gesicht fielen, während er sprach. Was er sprach, klang intelligent, ehrlich und sympathisch - und er sprach einiges. Unter anderem die inzwischen berühmt gewordenen Worte: "Es gibt für mich keinen Plan B." Dabei sah der Typ mit seinen 29 Jahren eigentlich aus wie ein Philosophiestudent im 29. Semester, keinesfalls jedoch wie ein Superstar. Und ich fragte mich: Was macht der denn hier?! Und ich dachte: Oh, Gott, hoffentlich blamiert er sich nicht! Bis er vor die Jury trat und sang. Ich werde es nie vergessen. Er sang: "Fairytale Gone Bad" von Sunrise Avenue. Und in diesem Moment kriegte er mich. Die restlichen Frauen Deutschlands kriegte er wenig später.

Es war nicht, dass er gut sang. Das taten andere auch. Es war auch nicht, dass er gut aussah. Das taten andere zwar nicht, aber es hätte trotzdem nicht gereicht. Es war, wie er sang, diese Stimme: Tief, aber nicht zu tief. Volltönend, aber nicht aufdringlich. Sehr, sehr männlich, aber nicht protzig. Sensibel, aber nicht sentimental. Die Stimme war total sexy. Und, noch viel wichtiger: Sie kündete davon, dass hier einer ganz genau weiß, wovon er singt, wenn er einen traurigen, wütenden Rocksong vorträgt. Und dass hier einer steht, der zwar manchmal traurig und wütend ist, aber nicht verbittert und böse. Und der Anstand besitzt – ja, doch, genau dieses altmodische Wort!
 

Die Jury nannte das "authentisch". Und bei dieser Authentizität blieb Thomas Godoj eine ganze Staffel lang. Während alle anderen Kandidaten ihre Haarfarbe und -form, ihr Styling und ihr Lächeln stündlich änderten, blieb er genau, wie er war. Während alle anderen Kandidaten auf Teufel komm raus in die Kamera grienten und sich peinliche Bitten um die Zuschauergunst abquälten, schwieg er öfter mal, verzichtete aufs Kamera-Face und ließ sich anmerken, dass ihm die RTL-Maschinerie auf den Wecker ging. Während alle anderen Kandidaten vor der Jury schleimten, zeigte er manchmal eine so rührend altmodische Geste, für die allein er schon den Sieg verdient hatte: Er verbeugte sich.

Nicht mit durchgedrückten Knien und exakt im richtigen Winkel geneigten Oberkörper. Sondern ganz spontan, mit lockeren Knien und krummen Schultern. So, als wolle er sagen: "Danke für euer Lob! Ich bin nicht sicher, ob ich es verdient habe, aber ich achte eure Kompetenz und freue mich über euer Urteil." Und damit hat er, wen wundert's, nicht nur 24- und 42-jährige, sondern sogar 90-jährige Zuschauerinnen bezaubert. Thomas Godoj ist Superstar geworden. Er selbst kann das am wenigsten glauben. Aber am heutigen Freitag kommt wirklich seine erste Single "Love is you" heraus. Ich werde sie mir kaufen, und sie wird mich durch den Sommer begleiten. Und ganz selten, spätabends, wenn ich müde oder ein bisschen betrunken bin, werde ich mir einbilden, dass er mit seinem Song mich ganz allein anspricht.

Text: Katja Jührend Illustration: Tim Möller-Kaya Foto: dpa

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