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Müde, gestresst, Liebeskummer? 10 Probleme, die Corona verschlimmert – und was die Therapeutin rät

Corona aktuell: Frau schaut aus dem Fenster
© Elena Helade / Shutterstock
Die Corona-Pandemie bedroht langsam nicht nur unsere physische, sondern auch unsere psychische Gesundheit. Müdigkeit, Stress, Kummer, Angst – all diese Probleme werden aktuell verschlimmert. Eine Therapeutin klärt auf, was wir dagegen tun können.

Ich bin müde. Wirklich müde. Das ist für mich und andere nichts Ungewöhnliches für die Jahreszeit. Im Januar verspüren viele Menschen den Hauch einer Winterdepression, es ist grau und dunkel, uns fehlt es an Sonne und Vitamin D und nach den Feiertagen liegt da dieses neue, leere Jahr vor uns.

Aber dieses Jahr ist es schlimmer. Höre ich mich in meinem Umfeld um, ist die Stimmung selbst bei den Optimist*innen unter uns getrübt. Und wenn man diese unangenehmen Gefühle – jeglicher Art – einen Moment mal annimmt und hinterfragt, wirkt ihre Existenz plötzlich glasklar. Natürlich ist dieses Jahr alles schlimmer, das alleine ist aber nicht schlimm, sondern verdammt nochmal normal! Wir stehen schließlich vor einem Jahrestag, den wir ungern feiern: Corona begleitet uns nun schon gut 12 Monate.

Und in dieser Zeit hat sich nicht nur ein Teil unseres Lebens verändert: Unsere soziale Sicherheit wankt, wir können Familie und Freunden nicht nahe sein. Unsere finanzielle Sicherheit bröckelt, wir sehen einer Wirtschaftskrise entgegen. Unser Zuhause können wir langsam nicht mehr sehen. Sport und Hobbies haben sich ebenfalls verändert. Und die Corona-Krise bedroht nicht nur unsere eigene Gesundheit, sondern führt uns auch die Labilität unserer Familienmitglieder vor Augen. Leider handelt es sich bei all diesen Komponenten um die Säulen der Sicherheit, die jeder Mensch dringend braucht.

Du hast das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren? Das ist laut Therapeutin Andrea vorm Walde also kaum verwunderlich: "Wenn eine Säule mal ins Wanken kommt, fangen die anderen das gut auf; bei zweien wird es schon sehr schwierig. Wenn aber der Grund und Boden wackelt, kommen wir aus den Fugen und das ist es, was gerade durch die Pandemie mit ihren Folgen bei uns passiert", erklärt sie uns. 

Andrea vorm Walde ist Therapeutin, Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihre Klienten betreut sie in einer Hamburger Praxis und online. Tipps von ihr gibt es außerdem regelmäßig auf ihrem Blog www.andreavormwalde.de
Andrea vorm Walde ist Therapeutin, Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Ihre Klienten betreut sie in einer Hamburger Praxis und online. Tipps von ihr gibt es außerdem regelmäßig auf ihrem Blog www.andreavormwalde.de
© Andrea vorm Walde / Privat

Bei so einem stetigen Erdbeben, ist es umso wichtiger, an seine mentale Gesundheit zu denken – und ihr mal ein gutes Maß extra Aufmerksamkeit zu schenken. Wir wissen jetzt schon einmal, dass es normal ist, wenn sich Alltagsprobleme aktuell schlimmer anfühlen, als wir es gewohnt sind. Das nimmt bereits eine große Last von uns. Nun gilt es jedoch, auch darauf zu reagieren. Andrea vorm Walde hat uns verraten, wie wir mit Problemen aktuell am besten umgehen sollten – und diesen Guide hängen wir uns am liebsten gleich neben den Badezimmerspiegel, damit wir ihn täglich vor Augen haben!

10 Alltagsprobleme, die Corona verschlimmert

Was tue ich, wenn ich in Corona-Zeiten …

…müde und antriebslos werde?

"Gegen Müdigkeit und Antriebslosigkeit helfen immer Bewegung. Die erste Gegenmaßnahme ist also unbedingt dem Bett oder der Couch zu entkommen, raus an die frische Luft, Sport oder ein Spaziergang in der Natur, mit Kindern spielen, mit Tieren toben. Der überwundene Schweinehund macht zufrieden, während Schlaf und Ruhe in diesem Fall das Problem verstärken."

…Panikattacken bekomme?

"Bei einer andauernden Panikattacke muss unbedingt ein Arzt aufgesucht werden, denn das ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Es gibt aber in der Regel Vorstufen, denen man vielleicht noch entgegentreten kann. Wenn man also anfängt kopflos zu werden, das Herz rast, man schwitzt, zittert, Brust oder Hals eng werden, dann muss man das ernst nehmen. Es hilft ganz tief ein- und auszuatmen, sich sofort aus dem Alleinsein zu befreien (also zum Nachbarn zu gehen oder jemanden anzurufen) und sich dann alle Mühe zu geben, in die Realität zu finden. Panikattacken gaukeln falsche Ängste vor; wenn man die Gedanken davon weglenken kann, beruhigt der Körper sich wieder. Langfristig müssen Panikattacken behandelt werden."

…Ängste und innere Unruhe entwickel?

"Seine innere Ruhe findet jeder anders. Dem einen hilft eine Joggingrunde, dem anderen eher Meditation oder Yoga. Ziel ist, die Gedanken wegzulenken von dem, was beunruhigt. Dazu gehört auch der feste Wille, das zu tun.

Ängste sind eine deutliche Steigerung davon. Dabei ist wichtig zu unterscheiden, ob die Angst wirklich real ist oder es sich eher wie eine Störung festsetzt. Ist zum Beispiel ein naher Mensch an Corona erkrankt und es geht ihm schlecht, ist die Angst nachvollziehbar. Da gilt es, sich nicht hineinzusteigern, sondern auch immer wieder ein positives Fazit zuzulassen oder sich mit jemandem über die Angst auszustauschen und sich so zu beruhigen.

Anders verhält es sich, wenn die Angst außer Kontrolle gerät und für einen klar denkenden Menschen nicht mehr nachvollziehbar ist. Bevor sich diese sogenannte Angststörung festigt, muss man sich unbedingt an einen Arzt wenden."

…auch noch beruflich/privat im Stress bin?

"Es ist gemein. Überall hört man von Leuten, die ein Buch nach dem anderen lesen, entschleunigen und relaxen, und man selbst hat mehr Stress als je zuvor. Stop!

Dauerhafter Stress macht krank. Und gerade jetzt, wo man durch die Corona-Krise, die erschwerten Bedingungen, alle Sorgen und eine allgemeine Atmosphäre der Angst zusätzlich geplagt ist, greift diese Gefahr doppelt.

Am besten einmal die Reißleine ziehen und innehalten: Was kann warten? Was kann anders laufen? Wobei kann mir geholfen werden? Oft macht man sich Stress auch selber, zum Beispiel durch Perfektion. Dafür ist momentan noch weniger Platz als sonst!"

…körperliche Stress-Symptome bekomme (Rücken-, Kopf- und Bauchschmerzen etc.)?

"Auch wenn körperliche Schmerzen eine psychische Ursache haben, sind sie doch vorhanden und sollten daher ernst genommen, zumindest beobachtet werden. Und in schlimmeren, vor allem langwierigeren Fällen, auch behandelt werden.

Dennoch gilt: Nur bei Beseitigung der Ursache werden sie auch verschwinden. Der Stress muss also weg.

Etwas Abhilfe zu schaffen tut auch gut, zum Beispiel durch Physiotherapie bei Rückenproblemen, Entspannungsübungen bei Kopfschmerzen, Tee und Wärmflasche bei Bauchschmerzen. Insgesamt helfen eine gute Ernährung, Bewegung, Licht, frische Luft, ausreichender Schlaf. Stress ist keine Ausrede dafür, dass all das nicht stattfinden kann."

Liebeskummer habe?

"Liebeskummer wird leider noch oft unterschätzt und von Dritten zu leicht genommen. In vielen Fällen unterscheidet Liebeskummer sich nicht von Trauer und ist ausreichend Grund dafür, dass der Betroffene großes Leid erlebt.

Wichtig ist, dass man sich diesen Liebeskummer selbst zugesteht, inklusive aller Phasen, die dazu gehören: erst die Situation nicht wahrhaben zu wollen, dann mit verschiedenen Symptomen zu reagieren, schließlich Verzweiflung.

Wenn Liebeskummer zu lange anhält und keine Besserung erfährt, muss er sogar so ernst genommen werden, dass therapeutische Hilfe notwendig ist.

Da die momentane Situation noch dazu allgemein von Kontaktlosigkeit und Einsamkeit gekennzeichnet ist, schlägt Liebeskummer noch viel schlimmer zu. Es ist umso wichtiger, möglichst nicht alleine zu sein, sondern die eine Person, die man treffen darf, auch möglichst oft um sich zu haben. Auch telefonische Kontakte oder Online-Gespräche sind gut. Alleinsein führt in solchen Situationen oft zum Grübeln und Grübeln bringt uns aus der Realität – ein Zustand, der niemals hilfreich ist."

…zum Hypochonder werde (was z.B. Corona-Symptome angeht)?

"Jedes kleinste Halskratzen ist ein Symptom, jeder Kontakt zu anderen Menschen wird definitiv zur Erkrankung führen? Da gehen die Befürchtungen viel zu weit.

Man muss in der Realität bleiben, das ist in Krisen besonders wichtig. Diese übertriebenen Gedanken gehören weggeschoben; wenn das nicht gelingt, muss ein Therapeut helfen. Hypochondrie ist tatsächlich eine Krankheit."

...jede berufliche Motivation verliere?

"Wer in einer Branche tätig ist, die gerade besonders vom Lockdown oder den Folgen betroffen ist, hat es wirklich schwer, motiviert zu bleiben.

Aber warum gibt es eigentlich Menschen, die den Mut nicht verlieren und sich immer wieder neu erfinden? Das liegt vermutlich daran, dass diese ihre sogenannte intrinsische Motivation kennen und sie verinnerlicht haben.

Denn das heißt, dass man selbst weiß, wofür man das alles tut – also wofür man brennt und was einen im tiefsten Inneren antreibt. Das herauszufinden ist sehr spannend und der Schlüssel dazu, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen – und oft auch der sichere Weg zum Erfolg."

...immer wieder Streit in der Familie habe?

"Kommunikation und Verständnis sind zwei Zauberwörter, die nun helfen. Wenn Familienmitglieder es gegenseitig schaffen, sich auch in den anderen hineinzuversetzen, wächst die Toleranz, mal etwas auszuhalten, was einen eigentlich stört.

Dazu gehören zum Beispiel, dass klar sein muss, dass Remote Work kombiniert mit Homeschooling die organiesierteste Mutter in den Wahnsinn treibt. Oder dass Kinder, die nicht mit ihren Freunden spielen können, nicht ausgetobt und quengelig sind. Dass Teenager, die sich eigentlich gerade von ihren Eltern lösen möchten, mit dauerndem Daheimsein gar nicht klarkommen können.

Mal über den eigenen Tellerrand zu schauen hilft, und darüber zu sprechen ist absolut notwendig. Manchmal allerdings ist es noch wichtiger, sich einfach mal zurückzuziehen und einen Moment alleine zu sein."

...finanziell in Schwierigkeiten gerate?

"Zur Zeit geraten Menschen in finanzielle Not, die so etwas noch nie gekannt haben und dem völlig hilflos gegenüberstehen.

Auch wenn es ganz schwer ist: Scham ist hier fehl am Platz. Die Situation ist unverschuldet und sie wird mit sehr vielen anderen geteilt. Um Hilfe zu bitten, ist keine Schande, und alle behördlichen Unterstützungen in Anspruch zu nehmen, die einem zustehen, schon gar nicht.

Es gibt inzwischen diverse Organisationen oder auch Facebook-Gruppen, die sich dieser Themen annehmen und wo viel Rat und auch direkte Unterstützung zu bekommen ist. Insbesondere bei behördlichen Angelegenheiten und Anträgen sollte man sich unbedingt von anderen helfen lassen, die damit Erfahrung haben. Irgendwann kommt wieder der Tag, an denen man selbst für andere da ist."

Liebe Frau vorm Walde, vielen lieben Dank für Ihren Rat!

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