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Cooler in 5 Sekunden So bleibst du auch bei Kritik gelassen und selbstsicher

Frau auf Surfbord
© Drobot Dean / Adobe Stock
Lange nahm BRIGITTE-Autorin Susanne Kaloff Kritik zutiefst persönlich. Doch neuerdings perlen Beanstandungen jeder Art einfach an ihr ab. Wie kam es dazu?

Manchmal reichte schon das Hochziehen einer Augenbraue, ein scharfes Wort – und ich war verunsichert. Ich war immer die sensibelste Person im Raum. Wenn jemand auch nur die leiseste Kritik äußerte, stellte ich mein ganzes Wesen infrage. Hab ich was Falsches gedacht, geäußert, getan? Ich bekam bereits Angst, wenn mich eine Mail erreichte. Dann flogen meine Augen wie Scanner an der Supermarktkasse panisch über den Text, und ich atmete erst wieder auf, wenn ich sichergestellt hatte: kein Angriff.

Bis ich mit diesem Zirkus aufgehört habe. Stopp gerufen statt auf jedes Wort gehört habe, was andere über mich sagen. Ignoriert habe, welche ungebetenen Verbesserungsvorschläge sie für meine Arbeit, mein Aussehen, mein Auftreten parat haben. Bis ich kapiert habe, dass ich mir meine Empfindsamkeit lieber aufspare für das, was mir wichtig ist: Dinge kreieren, statt auf jeden Bullshit zu reagieren.

Der Begriff Auftreten bekam vor paar Wochen noch mal einen neuen Twist, mit dem ich nicht gerechnet hatte, als der Nachbar unter mir vor meiner Tür stand und meinte, ich würde zu sehr mit den Hacken auftreten, entweder er oder ich müsse ausziehen. Was mich an dem Vorfall ganz besonders irritierte, war meine Reaktion auf ihn. Mein vertrautes Muster, es allen recht zu machen, sprang nicht an. Ich hörte ihm zu, nahm auf, was er sagte – und erwiderte nach seinem Sermon knapp: Ich lass das mal sacken. Er führte nicht, wie früher, dazu, alles (den Umzug in die neue Wohnung, mein Gangbild, meinen Charakter) infrage zu stellen. Ich nahm ihn gelassen hin und achtete fortan einfach ein wenig drauf, nicht ganz so rumzutrampeln, wie ich es vielleicht achtlos getan hatte. Der entscheidende Punkt, dass mir sein Verweis nicht so viel ausmachte wie üblich, lag in den ersten Augenblicken. Ich ließ ihn labern. Obwohl es in mir tobte und ich meinte, direkt zum Gegenangriff übergehen zu müssen, zwang ich mich, stumm zu bleiben.

Die "5-Sekunden-Regel"

Ich wendete die "5-Sekunden-Regel" an, von der ich auf einem amerikanischen Psycho-Blog gelesen hatte und die Gold wert ist. Sie geht so: In den ersten fünf Sekunden, in denen jemand eine Bemängelung äußert, wird man stumpf, wie betäubt, verteidigt sich nicht, unterbricht nicht, nimmt nicht mal an, es hätte etwas mit einem selbst zu tun. Neutraler Geist, null Reaktion, nur still beobachten. Das kann sich ewig anfühlen, aber mit etwas Übung kommt man immer mehr dazu, nicht impulsiv zu handeln. Diese ersten fünf Sekunden nach einem Vorwurf sind nämlich exakt die, in denen wir überzeugt davon sind, dass es um uns geht, dass wir schuld- und fehlerhaft sind. Das ist der Moment, der unser Ego pikst – und genau der lässt sich mit Selbstregulierung austricksen. Schafft man es, fünf Atemzüge lang Gesagtes nicht auf sich zu beziehen, wird man wesentlich cooler.

"Kritik ist die negative Beurteilung eines Menschen. Auch wenn sie berechtigt ist", sagt Dr. Wolfgang Krüger, Psychotherapeut aus Berlin, und bestätigt: "Wenn der andere uns kritisiert, ist es normal, wenn wir zunächst in eine leichte Schnappatmung verfallen und sprachlos sind. Wir werden nicht gern kritisiert. Dann ist es gut, wenn man sagt: Ich denke darüber nach. Meist wird man dann etwas darauf eingehen, ein wenig korrigieren und den Rest zurückweisen."

Für mich liegt in den letzten Worten viel Weisheit: den Rest zurückweisen. Das ist es, was es zu lernen gilt: zu unterscheiden zwischen dem, was zu einem und was zu den anderen gehört. Menschen werden getriggert von Sachen, die wir tun, sagen, machen. Aber nicht alles hat mit uns zu tun, nicht alles ist persönlich. Manches wird einem einfach entgegenschleudert, bei einem abgeladen. Häufig ist das Frust, Wut, Enttäuschung. Manchmal Überforderung oder Neid. Nicht alles hat einen tiefen Ursprung. Viele haben einfach eine sehr kurze Zündschnur.

Entferne dich, als seist du eine Figur eines Theaterstücks

Ein weiteres Beispiel für den Umgang mit Kritik folgte kurz nach dem Trampel-Tadel. Es war, nachdem ich gerade meine neue Kolumne beworben hatte. Ich schreibe sie auf Substack, einem Portal, das unabhängige Schreiber:innen unterstützt, indem sie via Abonnement direkt von den Leser:innen bezahlt werden. Das kam erfreulicherweise sehr gut an, bei vielen. Bis zu dem Tag, als mir eine wildfremde Frau eine Nachricht auf Instagram schrieb, 16 Euro im Monat seien echt viel zu viel. Fair enough, muss jede selbst wissen, für was sie ihr Geld ausgibt und was man sonst so bekommt für 16 Euro (eine Yogastunde, ein Sandwich plus Kaffee in einem Hipster-Café, anderthalb Döner, definitiv keine Massage). Interessant ist, warum sie mich wissen ließ, dass es zu teuer sei. Man geht doch auch nicht zu Prada rein und macht dem Verkaufspersonal Vorwürfe, dass die Ware zu hochpreisig sei und man für den Preis bei H&M einen ganzen Kleiderschrank voll bekommt. Ich glaube, Kritik wird oft eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu bekommen, um sich sicht- und hörbar zu machen. Um ein wenig Energie abzuzwacken.

Darum hier noch ein weiterer Trick, um weniger gekränkt zu sein: Ich höre das Urteil, aber entferne mich selbst aus dem Szenario. Hebe mich aus der Kulisse raus, als sei ich eine Figur eines Theaterstücks. Gut möglich, dass die Bewertung eher mit der Absenderin, ihren Projektionen, Problemen und dem Wunsch nach Kontrolle zu tun hat als mit mir

Wir leben in einer Welt der Dauerbewertung. Offenbar hat das mit den Jahren bei vielen Menschen zu der Annahme geführt, es sei wünschenswert, seinen Senf überall dazuzugeben. Und heutzutage ist es ja auch so easy, das zu tun, sei es auf Empfehlungsportalen, auf Amazon oder in sozialen Medien. Früher konnte man vielleicht mal einen Leserbrief an eine Zeitung schicken, in der Hoffnung, die Kritik würde abgedruckt. Aber die eigene Meinung zu einer Person war in der Regel nicht etwas, was man nachts um drei adressieren konnte. Heute ist das rund um die Uhr möglich. Ich kenne einen Kerl, der hat es sich zum Hobby gemacht, Restaurants zu bewerten, regelmäßig macht er auf seinem bevorzugten Online-Portal Pizzerien fertig. Ich bin nicht sicher, wie viel Freizeit und Wut es bedarf, sich die Mühe zu machen, einen negativen Text zu verfassen, wenn die Alternative denkbar einfach ist: woanders essen, nicht mehr hingehen. Das Programm wechseln, nicht mehr hinschauen oder einfach diesen wertvollen Button drücken: Unfollow.

Kommentare persönlich nehmen, obwohl wir die Adressaten nicht persönlich kennen?

Vor ein paar Jahren, als eines meiner Bücher veröffentlicht wurde, war ich noch so naiv und las Online-Rezensionen über mein Werk. Heute würde ich das nicht mal tun, wenn man mir 1000 Euro bieten würde. Auch habe ich mir verboten, auf die Statistik zu schauen, wer meinen Newsletter aus welchen Gründen (Zeit, Preis, Inhalt, Sonstiges …) abbestellt hat. Ich habe aufgehört, Wertschätzung zu suchen von Menschen, die mich nicht mal persönlich kennen. Und: "Nein danke, ich möchte kein Feedback für meine Arbeit haben", gesagt. Was ich erschaffe, hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es ist meine Kreation, ich habe es so gut gemacht, wie ich es in dem Moment konnte. Es ist einer der Orte, an denen ich mich nicht bessern, nicht optimieren möchte. Es ist ein heiliger Ort. Einer, an dem ich die Regeln aufstelle. Regel Numero Uno: Feedback kills the vibe. Neulich las ich auf einer buddhistischen Website: Wenn wir die Dinge nicht mehr persönlich nehmen, verschwindet die Hälfte unserer Probleme.

Handlungen anderer Menschen, deren Vorlieben und Abneigungen, Liebe und Ablehnung nicht persönlich zu nehmen, ist eine der befreiendsten Entdeckungen, die man machen kann. Die Dinge persönlich zu nehmen, bringt Schmerz, Frust, Traurigkeit, Unsicherheit und ein Gefühl des Sich-Anbiederns, damit man das, was man nicht kontrollieren kann (ob sie einen mögen) doch noch kontrollieren kann. Können wir nicht, wir haben zero Kontrolle darüber. Was wir hingegen kontrollieren können, ist die Art und Weise, wie wir darauf reagieren, wie mit uns umgegangen wird.

Brigitte

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