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Coaching-Kolumne Die lebensverändernde Frage, die dich zurück in die Realität bringt

Coaching-Kolumne: Therapiegespräch
© WavebreakmediaMicro / Adobe Stock
Die Frage, die ein Leben verändert hat: "Was würden Sie mir raten, wenn ich Sie wäre?"
Coaching-Kolumne: Andrea Huss
Andrea Huss ist systemische Coachin in Hamburg und begleitet Frauen in Veränderungsprozessen. Für uns berichtet sie jeden Monat von einem Fall aus ihrer Praxis.
© Caren Detje

"Was meinen Sie denn, was ich jetzt machen soll?", fragt mich Sophie, Anfang 30. Ich antworte: "Die Frage können nur Sie selbst sich beantworten." – "Wenn ich das könnte, dann bräuchte ich Sie ja nicht", erwidert sie. Dass die Lösung in ihnen selbst liegt, das können sich die meisten Klienten nicht vorstellen, sind sie doch gerade mit ihrem Latein am Ende.

Viel Arbeit und die Sorge zu vereinsamen

Sophie will das Coaching, um zu entscheiden, ob sie die angebotene nächste Karrierestufe hinaufgehen soll. Nach ihrem dualen Studium hatte sie immer nur Gas gegeben, Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden waren für sie normal. "Irgendwann wäre auch eine Beziehung mal ganz schön, aber ich merke, die hat gar keinen Platz in meinem Leben", erklärt sie. Es machte ihr Sorgen, dass sie sich mit einer noch höheren Position zu einseitig entwickeln könnte: "Am Ende sitze ich mit einem Top-Gehalt allein zu Haus." Aber sie beschreibt auch, welchen großen Spaß es ihr macht, ein Team zu formen, neue Projekte aufzusetzen und dann mit ihren Leuten "gemeinsam durchzuziehen". In ihrer neuen Rolle wäre das Team dreimal so groß. Einerseits die große Chance, direkt unterm Vorstand so viel Gestaltungsmacht zu bekommen, andererseits die Angst, an der Spitze zu vereinsamen und sich zu überarbeiten.

Je tiefer wir in ihre mögliche Zukunft eintauchen, desto mehr produziert sie Ideen zu allen Herausforderungen: "Ich setze mir einfach jeden Tag einen einstündigen Blocker in den Kalender, damit ich mich sortieren kann", "Abends verabrede ich mich mehrmals die Woche, dann gerate ich nicht in Versuchung, Überstunden zu machen", "Ich frage meinen neuen Chef, was für ihn oberste Priorität hat, darauf konzentriere ich mich". Sie redet wie aus einem Management-Lehrbuch, aber aus einem bodenständigen Pragmatismus heraus.

Ich spiegele ihr, dass sie unglaublich gut darin sei, sich zu organisieren. "Was bereitet Ihnen noch Bauchschmerzen?" Schweigen. Dann kommt der eigentliche Knackpunkt: "Mein Kollege. Er wollte die Stelle unbedingt haben – und jetzt soll ich sie kriegen", antwortet sie. "Dabei hat er fachlich so viel mehr drauf als ich. Da kann ich doch nicht seine Chefin sein, oder?"

Angst den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen

"Was denken Sie denn, warum der Vorstand Sie will und nicht ihn, wenn er doch so viel kompetenter ist?" – "Weil man besser mit mir reden kann, glaube ich. Und ich einfach mache, ohne viel Tamtam." – "Und wenn Sie auf Ihre Vorgesetzten schauen, was ist Ihnen da wichtiger: dass diese Experten sind oder dass man mit ihnen reden kann?" – "Dass man mit ihnen reden kann."

Der logische Rückschluss aus diesen beiden Perspektivwechseln folgt schnell: "Okay, vielleicht bin ich die Richtige für den Job. Aber ich habe Angst, fachlich nicht gut genug zu sein, um meinem Kollegen das zu beweisen. Was, wenn er mir übel reingrätscht?" Wo sie vorher souverän gewirkt hat, ist sie jetzt verunsichert. "Hat er sich denn bisher wie Ihr Konkurrent verhalten?", frage ich sie. "Nein, noch nie. Er ist im Gegenteil sehr hilfsbereit."

Sie merkt, dass ihre Ängste keine Grundlage hatten außer der, ihren eigenen hohen Ansprüchen nicht zu genügen. "Vielleicht müssen Sie ja gar nicht die Beste sein, sondern einfach die Richtige", merke ich an.

Alle Fähigkeiten für einen verantwortungsvollen Job sind da...

Gerade bei großen Herausforderungen fehlt oft die Distanz. Dieses starre Denken kommt in Bewegung durch solche sogenannten zirkulären Fragen, die typisch fürs systemische Coaching sind. Sophie aktiviert auf diese Weise andere Anteile in sich, die bisher geschwiegen hatten. Sie coacht sich gewissermaßen selbst. Denn wir sehen die Welt nicht, wie sie ist, sondern, wie wir unsere Wahrnehmung trainiert haben. Mit "geliehenen anderen Augen" blicken wir anders auf unser Thema und kommen zu neuen Lösungen. So ist das oft im Business-Coaching. Jemand bringt alle Fähigkeiten mit für eine Position mit mehr Verantwortung – außer der einen: es sich selbst zuzutrauen. Die Frage, die dann viel bewegen kann, ist: "Was würden Sie mir raten, wenn ich Sie wäre?" – "Dann würde ich Ihnen raten, den Job anzunehmen und sich nicht in die Hose zu machen wegen Dingen, die noch gar nicht passiert sind", sagt Sophie und lacht.

Buchtipp: Leander Greitemann: "Unfog your mind – Perspektivwechsel für mehr Lebenslust und LeichtSinn", 224 Seiten, 29,80 Euro, Verlag Hermann Schmidt
Buchtipp: Leander Greitemann: "Unfog your mind – Perspektivwechsel für mehr Lebenslust und LeichtSinn", 224 Seiten, 29,80 Euro, Verlag Hermann Schmidt
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Kleine Übung

Du merkst, du drehst dich bei einem Thema im Kreis? Stell dir vor, dein zehn Jahre älteres Ich, das schon einige Probleme mehr gemeistert hat, schaut sich das Ganze mal gelassen an. Was hätte es dir zu sagen? Und welchen kleinen schmutzigen Trick hätte es vielleicht auf Lager?

Dieser Text stammt aus der BRIGITTE WOMAN.

Brigitte

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