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Beziehung Paartherapeut verrät: Wie Verbitterung entsteht – und wie ihr damit umgehen könnt

Verbitterung: ein Mann und eine Frau stehen in der Küche. Sie schaut verärgert und hat die Arme verschränkt.
© garetsworkshop / Shutterstock
Verbitterung ist immer ein Alarmzeichen. Verbitterung heißt, dass wir uns ganz zurückgezogen haben. Wir verharren an einem Punkt in der Beziehung, an dem wir nicht bleiben können.

Kurz gesagt: Verbitterung sagt uns, dass wir auf etwas verzichten müssen.

Nicht immer entsprechen unsere Vorstellungen der Wirklichkeit

"Die Landkarte ist nicht die Landschaft", schrieb einst der Sprachphilosoph Alfred Korzybski. Es leuchtet augenblicklich ein, dass Vorstellungen, die wir uns über irgendetwas machen, nicht der Wirklichkeit entsprechen, in der wir uns bewegen. Verstehen können wir es. Doch wenn es uns ganz persönlich betrifft, dann wollen wir es häufig nicht wahrhaben. Liebesbeziehungen sind dafür ein gutes Beispiel. Darüber haben wir völlig unrealistische Ideen und Vorstellungen.

Natürlich hat sich längst herumgesprochen, dass der romantische Seeleneinklang der ersten Verliebtheit bald knackigen Auseinandersetzungen weichen wird. Dass das große Versprechen der stetigen Wunscherfüllung der traurigen Einsicht weichen muss, dass eine Beziehung alles andere als ein Wunschkonzert ist. Aber damit wissen wir nur, dass unsere Landkarte fehlerhaft ist – und noch nicht, wie das Gelände wirklich aussieht. Das müssen wir erleben.

Dabei zerfallen dann nicht nur, wie befürchtet, unsere idealisierten Vorstellungen vom anderen. Auch unsere Vorstellung von uns selbst als großartiger Partnerin zerfällt. Und wir erleben schmerzhaft, dass nicht mal unsere ungefähre Landkarte mit der unseres Partners, unserer Partnerin übereinstimmt, denn er oder sie hat vielleicht ganz andere Ideen von unserer Beziehung als wir selbst. Wir befinden uns also als Paar in der Rolle eines Bildhauer-Duos. Wir schlagen beide Stück um Stück aus dem Beziehungsmarmor, bis – wenn wir Glück haben – aus dem riesigen Block, der so Großes versprach, eine recht kleine Skulptur geworden ist, auf die wir uns einigen können.

Wir werden enttäuscht. Und wir müssen diese Enttäuschungen an-nehmen. Wir hatten Wunschvorstellungen, die sich nicht erfüllen. Willkommen in der Wirklichkeit!

Verbitterung entsteht, wenn wir uns nicht enttäuschen lassen

Doch: Unsere Fantasien behalten ihre Bedeutung. Denn weil wir uns stets mehr Nähe, Geborgenheit, Harmonie und Liebe vorstellen können, als die, die wir erleben, streben wir immer wieder danach. Wir bauen Nähe auf und wir arbeiten an der Beziehung. Verbitterung entsteht, wenn wir uns buchstäblich nicht enttäuschen lassen. Wenn wir an der Vorstellung festhalten, nicht das zu bekommen, was uns zusteht. Wenn wir ohnmächtig darauf beharren, dass uns die ungerechte Welt mit einer schrecklichen Partner:in straft, die unsere Wünsche nicht erfüllt.

Möglicherweise aber leben wir vielleicht tatsächlich in einer Beziehung, die den Namen nicht verdient. In der sich selbst berechtigte Hoffnungen nicht erfüllen. In der wir aus Mangel an Nähe und Verbundenheit seelisch verhungern. Eine Beziehung, die uns nicht guttut. In der wir keine Skulptur schaffen, sondern in einem Trümmerfeld aus zerschlagenen Bedürfnissen stehen.

Verbitterung ist immer ein Alarmzeichen. Verbitterung heißt, dass wir uns ganz zurückgezogen haben. Wir verharren an einem Punkt in der Beziehung, an dem wir nicht bleiben können. Wir müssen uns wieder bewegen. Entweder lernen wir es, unsere überhöhten Vorstellungen zu betrauern und das Gute zu schätzen, das uns verbindet. Oder wir sehen ein, dass wir in dieser Beziehung nicht finden können, was wir zum Lieben und Leben brauchen. Und dann müssen wir gehen.

Neu in den Partner verlieben: Oskar Holzberg
Oskar Holzberg, 67, berät seit über 20 Jahren in seiner Hamburger Praxis Paare und ist seit über 30 Jahren verheiratet. Sein aktuelles Buch heißt "Neue Schlüsselsätze der Liebe" (240 S., 11 Euro, DuMont).
© Ilona Habben
Brigitte

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